Zum Inhalt gehen
Auto Supplier HUB_Website Landing Page Banner_2800px X 1800px
Sustainability

Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie: KPIs müssen mehr gelebt werden

04/23

Vielen Entscheidern in der Automobilindustrie ist es wichtig, Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen zu etablieren. Doch hapert es bei der Umsetzung. Die größte Herausforderung liegt in den ohnehin täglich zu bewältigenden Aufgaben. Das bestätigt auch eine neue Studie von Capgemini zum Thema.

Von Daniel Garschagen

Die Ergebnisse der neuen Studie über Nachhaltigkeit in der weltweiten Automobilindustrie sind eine deutliche Aufforderung, mehr zu tun: Die Branche investiert anteilig weniger als vor drei Jahren in Nachhaltigkeit. Beim aktuellen Tempo würden bis 2030 nur 19 statt der nötigen 35 Prozent Emissionen von Treibhausgasen reduziert. Und obwohl fast drei Viertel der Unternehmen (73 %) von er Bedeutung der Kreislaufwirtschaft überzeugt sind, halten sich weniger als die Hälfte an deren Grundsätze (45 %). Es wird in 2023 also höchste Zeit, ernst zu machen mit der Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit fällt oft hinten rüber

Zugegeben: Es gibt momentan einige Krisen in der Branche zu bewältigen. Die Branche wandelt sich derzeit zu einem Markt für Elektromobilität. Gleichzeitig stocken die Lieferketten. Hinzu kommt die Energiekrise. So ist es kein Wunder, dass Day-to-Day-Aktivitäten von den Entscheidern in der Branche als größtes Hindernis für die Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen genannt werden. Das Thema Nachhaltigkeit fällt also aktuell oft einfach hinten rüber. Doch zeigt sich auch, dass die Probleme mit dem Thema Nachhaltigkeit teilweise hausgemacht sind. Denn in vielen Unternehmen gibt es zwar sehr wohl Kennzahlen für Nachhaltigkeit. Diese werden aber nicht auf die einzelnen Bereiche des Unternehmens heruntergebrochen. Und schon im mittleren Management gibt es dann oft keine entsprechenden Kennzahlen mehr, an denen sich auch die Mitarbeiter orientieren können. Während das Top- und gehobene Management zu etwa zwei Drittel ihre eigene Leistung an Nachhaltigkeitsziele koppeln, sind es schon auf Direktorenebene nur noch 40 Prozent und unter allen anderen – also den meisten – Mitarbeitern nur noch zehn Prozent. Die Vision Nachhaltigkeit versandet gewissermaßen ein Stück weit auf dem Weg durch das Unternehmen.

Grobe Ziele reichen nicht aus

Top-Down-Ziele sind oft klar beziffert. Bis zum Jahr X mindestens Y Prozent Elektrofahrzeuge verkaufen, gehört dazu. Eine definierte Menge an CO2 in der Produktion einsparen oder einen hohen Anteil an recycelten Rohstoffen im Fahrzeugbau einsetzen. Oder auf grünen Strom umstellen. Und einzelne Beispiele zeigen auch, dass die Umsetzung einer Top-Down-Strategie Erfolg haben kann. Unser Projekt beim Lager- und Materialflusspezialisten und Staplerhersteller Jungheinrich hat gezeigt, dass eine Erhebung der notwendigen Daten mit Ökobilanzierung durch einen entsprechenden Datenfluss gelingen kann. Somit haben einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz geleistet und mit dazu beigetragen, dass Jungheinrichs CO2-Bilanz sehr gut dasteht. Klar ist: Wer in der Zukunft erfolgreich sein will, muss nachhaltig wirtschaften.

Ein Bündel von Einzelmaßnahmen führt zum Erfolg

Doch was heißt das genau? Auch wenn es ein Autohersteller schafft, seine Gesamtflotte auf die von der EU geforderten 95 Gramm CO2 pro hundert gefahrene Kilometer zu bekommen, ist dies nur ein Puzzleteil in der Gesamtstrategie. Zwar macht der Umstieg vom Verbrenner zu einem Elektrofahrzeug einen großen Anteil in der gesamten Nachhaltigkeitsbilanz aus. Doch gehören zu einer Gesamtbilanz sämtliche Arbeitsschritte, von der Forschung und Entwicklung über digitale Services, das Marketing, die Lieferkette bis hin zur Fertigung. „From Cradle to Cradle“ heißt gar das neue Rezept – von der Wiege zur Wiege, also zum Beginn eines neuen Produktionszyklus‘.

In der Praxis geht es oft zunächst um Transparenz, also die Frage: „Wie nachhaltig sind wir schon?“. Um das genau beziffern zu können, müssen direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen (Scope 1), indirekte Emissionen durch den Bezug von Strom, Wärme und Kälte die das Unternehmen verbraucht  (Scope 2) sowie weitere, indirekte Emissionen wir beispielsweise die Verwendung verkaufter Produkte, Transport und Lieferungen, Investitionen und einige weitere (Scope 3) auf den Prüfstand. Erst dann kann ein Bündel von Einzelmaßnahmen geschnürt werden. Und in diesen Details kann man als Unternehmen durchaus auch Überraschungen erleben. So haben unsere Capgemini-Kollegen in Frankreich bereits 2020 eine Untersuchung des CO2-Fußabdrucks ihrer IT durchgeführt. Und es stellt sich heraus, dass ein sehr hoher Anteil auf die Nutzung von Hardware zurückgeht, also Laptops, Rechner, Monitore etc. Folglich kann bereits durch eine einjährige Verlängerung der Leasingzeiten von Hardware der CO2-Fußabdruck signifikant reduziert werden

Mobilität in den Mittelpunkt rücken

Ich bin überzeugt: In der Zukunft werden Unternehmen besonders erfolgreich sein, die Mobilität als Ganzes anbieten und Unternehmen, die Nachhaltigkeit zu ihrem besonderen wirtschaftlichen Vorteil ausbauen. Auf Mobilität fokussierte Unternehmen bringen die (nachhaltigen) Vorteile mit, dass auch alternative Mobilitätsformen wie Bus, Bahn und Sharing neben Autos in das Geschäftsmodell eingebracht werden. Welches Fortbewegungsmittel auf dem Weg von A nach B genutzt wird, ist Nebensache. Und klassische Unternehmen aus der Autobranche, die auch künftig weiter erfolgreich sein wollen, werden sich neue Kundengruppen erarbeiten, möglicherweise mit ganz anderen Gewinnmargen als heute und neue Shareholder durch eine neue Mobilität gewinnen. Jedenfalls werden in 2030 kaum noch Autounternehmen auf dem Markt vertreten sein, die 2020 noch die gleiche Nachhaltigkeitsbilanz aufzuweisen haben wie heute. Es gibt kein Zurück mehr.

Kontaktieren Sie unsere Experten

Daniel Garschagen

Expertise: Innovation, Digitale Geschäftsmodelle, Startup Collaboration, Sustainability, Automotive
Daniel ist Leiter des Applied Innovation Exchange in München und verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Startups in Deutschland. In diesen Rollen hilft Daniel seinen Kunden durch Innovation erfolgreich in die Zukunft zu kommen – sei es durch den Einsatz disruptiver Technologien oder neuer Geschäftsmodelle. Zudem ist Daniel verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit im Automobilsektor und somit daran beteiligt, die Branche zu transformieren und den Weg hin zu einer nachhaltigen Mobilität zu gestalten.

Joachim Skarpil

Head of Automotive Suppliers
Joachim Skarpil hat über 20 Jahre Erfahrung im IT- und Beratungsgeschäft mit Automobilzulieferern. Seine Schwerpunkte sind Digitale Transformation, Nachhaltigkeit, Disruption, Cloudlösungen sowie neue Betriebs- und Geschäftsmodelle. Bei Capgemini verantwortet er als Head of Automotive Suppliers das gesamte Automobilzuliefergeschäft in Deutschland.

    Jungheinrichs Weg zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft