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Komplexe Softwarelandschaft in der Automobilindustrie – Macht euch ehrlich!

01/25

Durch Unsicherheiten auf dem Automobilmarkt steigt der Druck, schnell neue Softwarelösungen einzuführen und Daten durchgängig verfügbar zu machen. Doch die IT-Landschaft ist oft zu komplex für schnelle Lösungen. Realistische Erwartungen, präzise Business Cases und Planungen mit Zeitpuffern können helfen, erfolgreich zu sein

Damit hatten die Wenigsten gerechnet: Ein Softwareupdate legte vor wenigen Monaten IT-Systeme an Flughäfen, in Krankenhäusern und in Banken lahm. Transaktionen waren für mehrere Stunden nicht möglich. Das Thema lässt erahnen, dass Software und ihre Schnittstellen in Unternehmen komplex und teilweise unübersichtlich geworden sind – und zwar branchenübergreifend.

Auch in der Automobilbranche, wo Software als Schlüsseltechnologie für die Entwicklung neuer Fahrzeuge und Geschäftsmodelle immer wichtiger wird, wächst der Druck, schnell neue Lösungen zu implementieren und Daten durchgängig verfügbar zu machen. Die Folgen bei fehlerhafter Integration von Softwarekomponenten können schwerwiegend sein

Läuft ein „Zahnrädchen nicht rund“, steht plötzlich die ganze Maschine. Oder ist eine Zeile im Softwarecode falsch geschrieben, treten unerwartete Fehler auf, sogenannte Bugs. Wie kommt das?

Eine Antwort ist: Die Softwarelandschaft ist ein komplexes System und die Umsetzung neuer IT-Projekte in Unternehmen geschieht zu oft übereilt oder auf Basis unzureichender Anforderungen. Investitionen müssen sich schnell auszahlen. Das kann CIOs und Digitalisierer unter Druck setzen.

Projekte sauber und mit zeitlichem Puffer aufsetzen

Umso wichtiger ist es für Unternehmen, sich ehrlich zu machen. Das beginnt damit, sich einzugestehen, dass Software im Unternehmen komplex sein kann und bei neuen Projekten bestenfalls von Beginn an zeitliche Puffer mit eingeplant werden sollten. Einfach gesagt: Was man zu schnell macht, macht man doppelt.

Ein sauberes Vorgehen für die Einführung neuer Software beginnt damit,

  • Erwartungen nicht nur klar zu benennen, sondern zu priorisieren und zu staffeln – sprich: nicht alles auf einmal zu wollen, sondern schrittweise vorzugehen.
  • je nach Umsetzungsphase das dafür benötigte Fachpersonal bereitzustellen.
  • sich von erfahrenen Dienstleistern beraten zu lassen, um sicherzugehen, was alles benötigt wird.
  • sich die bestehenden und zukünftigen Prozesse über Modellierungen genau anzuschauen und zu simulieren, bevor sie digitalisiert werden.

Die Perspektive eines „Super-Architekten“ reicht hier nicht aus. Von diversen Blickrichtungen aus sollten Experten die neuen Prozesse zusammen denken – also Enterprise-, Domain-, Solution- und System-Architekten, die anwendenden Fachbereiche und die Mitarbeiter an den Maschinen und Bildschirmen gemeinsam.

Mehrwert durch durchgängige Daten: Konstruktionsidee mit Fabriken austauschen

Zum Einmaleins des Projektmanagements gehören zudem unter anderem ein regelmäßiges Monitoring der fachlichen Bedarfe und Kapazitäten, Schulungen der Anwender und eine aussagekräftige Eskalation, falls Meilensteine nicht rechtzeitig erreicht werden. Das alles sorgt dafür, die Mehrwerte aus moderner Software herauszuholen und Vertrauen zu schaffen. Daten durchgängig zur Verfügung zu haben, ist sicher einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren von Unternehmen. Bestenfalls liegen neue Entwicklungen produkt-, maschinen-, prozess- und applikationsseitig bereits digital und in einem nutzbaren Format vor, sodass über die Fertigung bis hin zum Transport des Produkts sämtliche Schritte nachvollzogen werden können und eine digitale Durchgängigkeit erreicht wird.

Künstliche Intelligenz optimiert Produktionsprozesse

Vorteil: Eine Konstruktionsidee in 3D kann mit Fabriken digital ausgetauscht und auf seine Herstellbarkeit überprüft werden. Aus digitalen Stücklisten der Entwicklung macht die Künstliche Intelligenz (KI) jetzt Stücklisten für die Produktion, wodurch die Fertigung schneller vorbereitet werden kann. Produktionsprozesse lassen sich über KI oder generative KI (Gen AI) analysieren, mittels Prozesssimulation optimieren und Produkte letztlich schneller auf den Markt bringen. KI kommt auch zum Einsatz, wenn Wärmebildkameras automatisiert die Temperatur von Batterien überprüfen und 24 Stunden am Tag im Auge behalten. Auch wenn Datenbrillen in der Produktion dabei helfen sollen, Bauteile zusammenzusetzen, erfordert das durchgängige Daten auf robusten Netzwerken.

Realität ist das nicht immer, denn gerade in der Produktion sind oft mehrere Jahre alte Softwaresysteme im Einsatz. Außerdem wurden häufig individuelle Systeme vor Ort mit Softwarefirmen oder eigenen Mitarbeitern entwickelt. Abgesehen davon, dass Dokumentationen nicht immer vorhanden oder die Mitarbeiter teilweise nicht mehr beim Unternehmen beschäftigt sind, können diese Systeme mit modernen Architekturen oft nicht mehr oder nur mit hohem technischem Aufwand kommunizieren. Damit kann die Statik der gesamten IT-Architektur aus dem Gleichgewicht geraten. Die Folge: Sicherheitsrisiken. Der Ausweg liegt in offenen, plattform- und Cloud-basierten Lösungen, die durchaus mit lokaler Rechenleistung kombiniert werden (Hybrid). Damit verbundene Standards für Daten oder Schnittstellen und weniger Applikationen können helfen, die Komplexität und Kosten unternehmensweit zu reduzieren und darüber hinaus weltweit Transparenz zu schaffen.

Business Case mit realistischen Erwartungen

Zum „Ehrlich machen“ gehört auch, Zwischenbilanzen zu ziehen. Wie viele Personen sind allein dafür da, Altsysteme zu erhalten, wie viele in Projektinitiativen im Einsatz, wie viel Geld wird für Lizenzen ausgegeben und wo kommt Software mit Mehrwert zum Einsatz? Ein Gesamtkonzept besteht nicht nur aus durchdachter IT-Architektur und gutem Projektmanagement,

sondern auch aus einem Business Case, der realistisch ist und keine falschen und zu hohen Erwartungen schafft. Die Ziele sollten mit eindeutigen Annahmen und messbaren Erfolgsfaktoren, zusammen mit erfahrenen Partnern beschrieben und überprüft werden. Das gilt besonders für Unternehmen, die in einem umkämpften Marktumfeld unterwegs sind, wie die Automobilindustrie. Ein Beispiel für eine zeitgemäße Lösung bietet die moderne, hochflexible Fahrzeugfabrik eines Automobilherstellers. Sie ist angewiesen auf eine moderne IT- Infrastruktur, moderne Softwarelösungen, hybride Datenverwaltung und für Mitarbeiter einfach nutzbare Softwareansichten. Daraus lässt sich eine Fabrik flexibel an einen sich verändernden Produktionsbedarf anpassen. Darüber hinaus können die aktuell erfassten Leistungsindikatoren genutzt werden, um autonom fahrende Roboter im Lager und in der Fertigung zu steuern. So ist das Unternehmen befähigt, auf aktuelle Entwicklungen im Markt zu reagieren – und langfristig erfolgreich zu sein.

Natürlich: Risiken für die Produktionsstraße eines Automobilkonzerns ergeben sich nicht nur aus der Softwarelandschaft. Allerdings lassen sich diese Risiken mit klaren Erwartungen, messbaren Zielen, gut durchdachten Prozessen, geeigneter Software und ausgiebigem Testing vorab meist reduzieren oder sogar vermeiden.

Unsere Expert*innen

Anke Rieche

Global Automotive Program Lead
Anke ist eine Business Development Expertin mit 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Software, Infrastruktur und Beratung. Als hochmotivierte Teamplayerin mit ausgeprägter Kundenorientierung hat sie sich einen Namen für die Entwicklung und Umsetzung von Markteinführungskonzepten gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit den SAP-Plattformen S/4 HANA und Intelligent Enterprise, vor allem im Automobilmarkt. Anke ist davon überzeugt, dass Automobilzulieferer und OEMs durch den Einsatz der Automotive Cloud-Lösungen von SAP, einschließlich der gemeinsamen Entwicklungen von SAP und Capgemini und der Co-Innovation mit Pilotkunden, neue Dimensionen der Agilität und Geschwindigkeit erreichen können.

André Tubbesing

Principal Business Analyst in Deutschland
André Tubbesing ist Berater für „Digital Manufacturing“ und der Digitalen Transformation in Produktionswerken. Damit befähigt er Unternehmen in verschiedenen Industrie- Branchen zB. der Automobilindustrie, Prozesse und IT-Architekturen auf den neusten Stand zu bringen.