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E-Autobatterien: Den Blueprint für digitale Produktausweise schaffen

03/25

Vor anderthalb Jahren ist die neue E-Batterieverordnung (EU-BattVO) der Europäische Union in Kraft getreten und somit der erste digitale Produktpass beschlossen worden. Den soll es künftig für alle physischen Produkte geben. Los geht es mit Batterien ab Februar 2027. Mitbetroffen ist die Autoindustrie, deren Hersteller nun nötige Informationen zusammenbekommen müssen.

Wenn ein Recyclingunternehmen heute eine alte Autobatterie auf den Tisch gelegt bekommt, ist sie für dieses oft eine Blackbox. Denn abgesehen von der Information, dass es sich um eine Lithium-Ionen-Batterie handelt, muss dieses unter anderem wissen, welche aktiven Materialien (wie Lithiumeisenphosphat, Nickel-Mangan-Kobalt oder Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid) verwendet wurden, wie die Batterie designt wurde und welche oder wie viele Module verbaut wurden. Meistens müssten solche Informationen aufwendig vom Autohersteller beschafft oder sogar durch chemische Analysen ermittelt werden. Manchmal ist es sogar nötig, Proben zu entnehmen und die Batterie zu analysieren. Mit einem Batteriepass ließe sich diese Prozedur vermeiden, ohne jegliche Verzögerungen mit dem Recycling beginnen und die Prozesse sogar automatisieren. Darüber hinaus sind darin sämtliche Emissionen dokumentiert, die bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung entstehen. Die gesamte Lieferkette wird damit transparent gemacht und rückverfolgbar. 

Batterie: QR-Code für alle relevanten Informationen

Statische wie dynamische Attribute sind für den Batteriepass, wie er aktuell vorgesehen ist, verpflichtend. Statisch sind Eigenschaften und Informationen, die sich nicht verändern, also die verarbeiteten Rohstoffe, die Hersteller in der Lieferkette, die Produktionsmethode sowie Recyclingvorgaben. Dynamische Attribute sind hingegen nicht vorhersehbar und für jede Batterie individuell. Dazu gehört die Anzahl der Ladezyklen, eine Angabe darüber, wie lange die Batterie Extremtemperaturen ausgesetzt war und letztlich der „Gesundheitszustand“ des Produktes, der die End-of-Life-Diagnose der Batterie verbessert und dessen Einsatz in so genannten 2nd-Life-Modellen vereinfacht. Diese etwa 100 Attribute sind in dem Energiemanagementsystem eines Elektroautos gespeichert. Die Idee des Produktpasses besteht darin, diese Attribute über einen QR-Code zugänglich zu machen. 

Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien wird immer wichtiger

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI prognostiziert, dass die Anzahl der recycelwürdigen Lithium-Ionen-Batterien enorm ansteigen wird. Lag die Menge im Jahr 2022 noch bei 50.000 Tonnen Altbatterien, soll deren Menge fast exponentiell steigen, bis 2030 auf 420.000 Tonnen und 2040 sogar auf 2,1 Millionen Tonnen. Die Forschenden gehen davon aus, dass ab 2035 die ausrangierten Batterien aus Elektrofahrzeugen den größten Anteil davon ausmachen werden. Hinzu kommt, dass der Ausschuss in der Zellproduktion noch sehr hoch ist. Das Batterierecycling wird also immer wichtiger. Entsprechend sind in Europa aktuell viele neue Zentren in Planung, mit Kapazitäten von jeweils über 50.000 Tonnen pro Jahr. Sie werden sowohl auf die Vorverarbeitung zur Herstellung von „Schwarzmasse“ spezialisiert sein, also die Batterien schreddern und in schwarzes Pulver verwandeln, in dem wertvolle Stoffe wie Nickel, Kobalt und Lithium enthalten sind, als auch auf deren spätere Rückgewinnung.

Wie OEMs Batteriepass-Ready werden

Umso wichtiger wird der Batteriepass für die Autohersteller. Sie müssen jetzt Daten einsammeln (1.), Schnittstellen zu Zulieferern in den Griff bekommen (2.) und ihre Lieferkette ertüchtigen, um den Batteriepass ausstellen (3.).  

  1. Der Schwerpunkt liegt bei Automobilherstellern aktuell darauf, die statischen Informationen, die für den Produktpass erforderlich sind, einzusammeln. Teilweise sind bei Zulieferern notwendige Prozesse noch nicht digitalisiert, sodass das Bereitstellen von Datenattributen zunächst die Digitalisierung von Fachprozessen bedingt. Hier sind immer wieder individuelle Lösungen unumgänglich. Denn Daten müssen in guter Qualität zur Verfügung stehen. 
  2. Daten müssen nicht zwangsläufig über individuelle Schnittstellen beim OEM zusammenlaufen. Damit Autohersteller nicht alle Schnittstellen zu allen Partnern selbst managen müssen, gibt es das Konzept eines „Data Space“. Zulieferer nutzen einen digitalen Datenraum, für den registrierte Nutzer berechtigt sind, und stellen die für den Batteriepass relevante Informationen darin zur Verfügung. Das reduziert die Anzahl an Schnittstellen. Einen solchen offenen und kollaborativen Datenraum entwickelt Catena-X, ein Verein, in dem derzeit mehr als 190 Unternehmen aus der Automobilbranche organisiert sind.  
  3. Da es noch keine Produktpässe gibt, bringt sich der Markt gerade in Stellung. Nicht nur Catena-X wird einen eigenen Batteriepass anbieten. Auch Konzerne wie Siemens und SAP sowie Start-ups entwickeln derzeit entsprechende Softwarelösungen. Letztlich ist es möglich, die Daten über Catena-X zu sammeln und dann den Batteriepass über ein anderes Unternehmen ausstellen zu lassen. Wer und welches Vorgehensmodell sich beim Batteriepass durchsetzt, schafft eine Blaupause für andere Produkte. Egal um welche Black Box es geht. Sie wird per Mausklick transparent. 

Autohersteller ringen um klare Strategien

Aktuell ist es meistens so, dass die europäischen Autobauer Vereinbarungen mit asiatischen Batterieherstellern geschlossen haben und Autobatterien von dort beziehen. Hinzu kommt, dass die Kapazitäten in Europa für die Herstellung eigener Batterien nicht ausreichen, sei es bei den OEMs selbst oder aber von spezialisierten Unternehmen. Über die optimale Strategie herrscht in den Unternehmen noch keine Klarheit. Manche Hersteller setzen auf eine eigene Batteriefertigung, andere auf die Zusammenarbeit mit spezialisierten Batterieherstellern. Damit die Batterieproduktion in Europa international wettbewerbsfähig wird, müssen Themen wie die Skalierung der Produktion, Industrialisierung der Prozesse und Reduzierung des Ausschusses adressiert werden, um künftig mit asiatischen Herstellern mithalten zu können. Da für die Batterieherstellung notwendige Ressourcen wie Lithium, Nickel und Kobalt in Europa nicht ausreichend verfügbar sind, kommt dem Recycling ausgedienter Batterien ein umso wichtigerer Stellenwert zu.

Die Vorteile des Batteriepasses auf einen Blick:

  • Produktinformationen sind vollständig dokumentiert. 
  • Sämtliche Informationen lassen sich über den QR-Code einfach auslesen und nutzen.   
  • Nachhaltigkeitskennzahlen wie der CO2-Fußabdruck lässt sich standardisiert ermitteln und weitergeben. 
  • Einsatz von Ressourcen lässt sich optimieren. 
  • Eine gezielte Demontage, Sortierung und Entsorgung werden möglich. 
  • Die Batterieproduktion lässt sich gegen Materialschwankungen und -engpässe absichern. 
  • Neue Marktplatzlösungen und Geschäftsmodellen können entstehen. 

Mehr über die Zukunft der E-Batterien? Der aktuelle Forschungsbericht des Capgemini Research Institute zeigt, welche Trends die Branche prägen und welche Chancen sich daraus ergeben.

Expertenaustausch:

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Unsere Expert*innen

Sven Dahlmeier

Head of Catena-X bei Capgemini in Deutschland
Sven Dahlmeier ist Senior Director bei Capgemini Invent und berät Automobilhersteller bei der Transformation und Digitalisierung ihrer Lieferketten. Seine Erfahrung reicht von der Gestaltung eines zukünftigen digitalen Supply Chain-Zielbildes, über die Entwicklung effizienter Digitalisierungsinitiativen, bis hin zur Unterstützung werteorientierter Transformationen der Kunden. Darüber hinaus konzentriert er sich auf die Prozesse und die Zusammenarbeit innerhalb einer Lieferkette, mit dem Ziel fehlende Schnittstellen zu schließen. Sven verfügt über mehr als zwanzig Jahre Beratungserfahrung in der Automobilindustrie und angrenzenden Branchen und ist Diplom-Wirschaftsingenieur (FH) und hält einen MBA der Warwick Business School. Seit dem 01.02.2023 ist Sven bei Capgemini in Deutschland für Catena-X verantwortlich.

Marc Schmid

Manager | Business Technology Germany, Capgemini Invent
Unsere „eco-digital economy“ ist geprägt von regulatorischen Veränderungen und Transformationsprojekten für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Fokus meiner Arbeit liegt dabei auf dem Einsatz von digitalen Identitäten und Blockchain – für die Verbesserung von Prozessen, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und dem Ausbau von Datensouveränität.

Anke Rieche

Global Automotive Program Lead
Anke ist eine Business Development Expertin mit 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Software, Infrastruktur und Beratung. Als hochmotivierte Teamplayerin mit ausgeprägter Kundenorientierung hat sie sich einen Namen für die Entwicklung und Umsetzung von Markteinführungskonzepten gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit den SAP-Plattformen S/4 HANA und Intelligent Enterprise, vor allem im Automobilmarkt. Anke ist davon überzeugt, dass Automobilzulieferer und OEMs durch den Einsatz der Automotive Cloud-Lösungen von SAP, einschließlich der gemeinsamen Entwicklungen von SAP und Capgemini und der Co-Innovation mit Pilotkunden, neue Dimensionen der Agilität und Geschwindigkeit erreichen können.