Zum Inhalt gehen

IoT Retrofitting: Eigenbau vs. Plug & Play-Lösung – Ein Selbsttest  

Jonathan Neuhoff, Jonas Markfort & Sonja Maier
07. Feb. 2023

Viele Produktionsunternehmen wollen datengetriebene Entscheidungen treffen. Was aber tun, wenn Maschinen keine ausreichende Datengrundlage liefern können?

Neue anschaffen und die alten verschrotten? Das ist zum Glück nicht notwendig. Mit Hilfe von IoT Retrofitting lassen sich auch bei älteren Maschinen Prozessdaten erfassen und in die Cloud senden. In der Praxis gibt es zwei gängige Ansätze, der Eigenbau eines Retrofitting Gateways und die Nutzung von bereits verfügbaren Plug & Play-Lösungen. Wir haben beide Ansätze verprobt und einen klaren Gewinner ausgemacht.

Mit IoT-Retrofitting in die Cloud

Daten aus der Produktion sind für Unternehmen wertvoll, da mit ihrer Auswertung Maschinenstillstände reduziert, KPIs visualisiert und Anomalien im Maschinenverhalten erkannt werden können. Die Anwendungsfälle sind vielfältig, aber besonders ältere Maschinen verfügen nicht über die notwendigen Sensoren oder standardisierten Schnittstellen, um eine ausreichende Datengrundlage zur Verfügung zu stellen.

Beim IoT Retrofitting werden diese Hürden kostengünstig umgangen, indem entweder zusätzliche Sensoren angebracht oder Maschinenprotokolle übersetzt werden. Sobald die Daten erfasst und in die Cloud gesendet wurden, können die Services von Hyperscalern wie Microsoft Azure und AWS genutzt werden. Um das zu demonstrieren, haben wir den Selbsttest gewagt und eine Maschine an die Cloud angebunden.

Das Ziel: Ein Industrielüfter mit Cloudanbindung

Unsere Produktionszelle stellt eine Testumgebung dar, die aus einem Montageplatz und einer autonomen Prüfstation mit einigen Aktoren und Sensoren besteht. Einer dieser Aktoren ist ein Industrielüfter, für den wir eine cloudbasierte Anomalieerkennung erstellen möchten. Durch die Auswertung von Vibrationsdaten soll diese verschiedene Fehlerfälle wie einen beschädigten Antriebsriemen oder verschmutzte Rotorblätter erkennen. Die Grundlage für die Fehlererkennung bilden Machine-Learning-Modelle, die zwischen Normalzustand und Fehlerzustand unterscheiden können.

Damit diese Modelle trainiert werden können, müssen mithilfe eines Sensors zunächst die Vibrationswerte am Lüftergehäuse erfasst und in einer Cloud bereitgestellt werden. Um nicht in die bestehende Maschinensteuerung eingreifen zu müssen, haben wir uns für ein separates Gateway mit eigenem Sensor entschieden. Diese Art der Shopfloor-Integration kann entweder im Eigenbau oder über Plug & Play-Lösungen umgesetzt werden. Wir haben beide Ansätze verprobt und bekamen dadurch die Gelegenheit, den gesamten Prozess von Einkauf und Installation über die Programmierung bis hin zur Auswertung selbst zu durchleben.

Industrielüfter mit montiertem Vibrationssensor (orange markiert)

Eigenbaulösung mit Raspberry Pi und Node-RED

Das Herzstück der Eigenbaulösung bildet ein selbstgebautes IoT-Gateway auf Basis eines Raspberry Pi, welches Sensordaten empfängt und weitergibt. In einem Node-RED-Workflow werden die Daten verarbeitet und anschließend über das Protokoll MQTT in die Cloud gesendet. Dieser Weg lässt sich auch umgekehrt nutzen, sodass über das Gateway auch speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) oder Aktoren direkt angesteuert werden können. Bemerkenswert ist bei dieser Lösung vor allem das hohe Maß an Flexibilität, da sowohl Hard- als auch Software beliebig modifiziert werden können. Somit sind der Nutzung von verschiedenen Sensortypen und Protokollen kaum Grenzen gesetzt.

Diese Freiheit geht jedoch mit drei wesentlichen Nachteilen einher. Zum einen erfordert der Aufbau eines solchen Gateways Qualifikationen, die entweder von Mitarbeitern erlernt, oder durch Fachpersonal bereitgestellt werden müssen. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass dieses Wissen nur unzureichend weitergegeben wird. Zum anderen verringert sich die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems, da es bei der Komplexität viel Spielraum für Fehler gibt. Für den Produktivbetrieb muss außerdem eine ausreichende Wartung sichergestellt werden, die unter anderem die regelmäßige Installation neuer Sicherheitsupdates beinhalten muss.

Plug & Play-Lösung mit CloudRail Gateway

Im Gegensatz zum Eigenbau wurde bei der Shopfloor-Integration mittels Plug & Play-Lösung ein Gateway von CloudRail zusammen mit einem IO-Link Sensor verwendet. Mit dem Anbringen der CloudRail.Box und der Installation des Vibrationssensors am Lüftergehäuse war die Montage erledigt. Die anschließende Konfiguration der CloudRail.Box erfolgte über ein integriertes Device-Management und war bereits nach 30 Minuten abgeschlossen. Den gesamten Konfigurationsprozess führte hierbei ein Kollege von einem anderen Standort aus durch. (Genauere Einblicke dazu gibt dieser Artikel.)

Im Vergleich zum Eigenbau fällt insbesondere die enorme Zeitersparnis auf. Statt 41 Stunden dauerte es in Summe lediglich acht Stunden, bis die Maschine cloudfähig war (siehe folgende Abbildung). Die Inbetriebnahme der CloudRail.Box erforderte zudem kein umfangreichtes IT-Knowhow, da der Anwender durch einen intuitiv gestalteten Einrichtungsprozess geführt wird.

Zeitliche Gegenüberstellung beider Integrationsansätze

Weitere Vorteile der Plug & Play-Lösung ergeben sich insbesondere bei der Integration zusätzlicher Maschinen, da bei der Einrichtung der Gateways auf bestehende Konfigurationen zurückgegriffen werden kann. Durch die umfangreiche Auswahl von 12.000 kompatiblen Sensoren unterschiedlicher Hersteller und Verwendungszwecke lassen sich verschiedenste Anwendungsfälle realisieren. Darüber hinaus wird über das zentrale Device Management die für ein Fertigungsnetzwerk essenzielle IT-Security durch automatische Updates sichergestellt.

Diesen Vorteilen steht lediglich gegenüber, dass die Konfigurationsmöglichkeiten des CloudRail Gateways zwar sehr umfangreich sind, der Anwender letzten Endes jedoch nur mit der Eigenbaulösung die vollständige Freiheit in der Wahl und Modifizierung seiner Hard- und Software hat.

Klarer Gewinner: Die Zeitersparnis geht vor

Nach dem Verproben beider Ansätze kommen wir zu der Erkenntnis, dass sich Maschinen mithilfe von CloudRail deutlich schneller und unkomplizierter in das IoT integrieren lassen, was sich auch in der beeindruckenden Zeitersparnis von 80 Prozent widerspiegelt. Dadurch können Unternehmen mit geringer Investition schnell eine Lösung umsetzen, die sich anschließend gut skalieren und auch für unterschiedliche Maschinentypen nutzen lässt. Die Erfassung und Bereitstellung von Produktionsdaten bilden dann die Grundlage für zukünftige Innovationen.

Blog-Updates per Mail?

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle zwei Monate eine Auswahl der besten Blogartikel.

Autor*innen

Jonathan Neuhoff

Business Analyst

Jonas Markfort

Business Analyst

Sonja Maier

Senior Business Analyst