Zum Inhalt gehen

5G-Campus-Netze Teil 2: Die Qual der Wahl – 5G MPN auf dem Betriebsgelände oder in der Cloud?

Michael Rogosch
21. Jun. 2023
capgemini-engineering

Im ersten Blogbeitrag „5G-Campus-Netze Teil 1: Wie ein 5G MPN den Industrial Vendor-Lock-In aufbricht …“ zeigten wir, wie ein 5G MPN das Fundament legt für Vernetzung und intelligente Steuerung der Produktion in einer klassischen OT Umgebung der Intelligent Industry.

In Teil 2 greifen wir – wie in Teil 1 angekündigt – das Thema auf, welche der in Abbildung 1 dargestellten Komponenten sich unter verschieden Gesichtspunkten für ein sog. „Offshoring“ in eine Public Cloud eignen. Public Cloud bedeutet in diesem Fall z. B. die Produkte der OTT Player Amazon, Google und Microsoft. Das „Betriebsgelände“ („on premises“), wird im Gegensatz dazu als Private Cloud verstanden, weil die Hoheit über Einsatz und Kontrolle der Komponenten des 5G MPN hierbei beim Unternehmen selbst verbleibt.

Abbildung 1: Komponenten eines 5G MPN

Unser Ziel ist es, Entscheidungskriterien aufzuzeigen und beispielhaft zu bewerten, unter deren Berücksichtigung Unternehmen des produzierenden Gewerbes Teile eines 5G MPNs geeignet in eine Public Cloud auslagern können, ohne den Produktionsprozess zu gefährden.

Private, Hybrid, und Public Cloud

Ein 5G MPN besteht per Definition aus „Virtualized / Containerized Network Functions“ (VNF/CNF), welche auf virtualisierter Infrastruktur mittels Hypervisoren oder Container betrieben werden. Damit ist ein 5G MPN aufgrund seiner Infrastruktur ein heißer Kandidat für Deployments in der Public Cloud, deren Infrastrukturaufbau prinzipiell gleich erfolgt.

Der zentrale Begriff hierbei ist „Verfügungshoheit“ bzw. „Zugangskontrolle“. Um eine echte Private Cloud handelt es sich, wenn sowohl die Verfügungshoheit („Governance“) als auch die Zugangskontrolle („Access Control“) beim Unternehmen selbst liegen.

Beispiel 1: AWS Outpost auf dem Betriebsgelände. Auf den ersten Blick sieht alles nach einer Private Cloud aus, denn die Verfügungshoheit liegt beim Unternehmen. Allerdings hat jeder AWS Outpost eine Remote Connection zur nächsten AWS Region bzw. Availability Zone. Dementsprechend liegt wegen der Remote Connection die volle Zugangskontrolle nicht beim Unternehmen. Somit wäre ein AWS Outpost ähnlich den Konkurrenzprodukten von Google und Microsoft streng genommen eine Hybrid Cloud.

Beispiel 2: Ein Mobile Edge Computing Center (MEC) auf dem Betriebsgelände des Unternehmens wobei auch Operation & Maintenance von Mitarbeitenden des Unternehmens durchgeführt werden (z. B. Release Upgrades / Vendor Management). Hier handelt es sich um ein Deployment des MECs in einer Private Cloud.

Wie wird bewertet, was für eine Public Cloud geeignet ist?

Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, sind die wesentlichen Komponenten, deren „Eignung“ für ein Deployment in einer Public Cloud untersucht werden sollten, schnell aufgezählt:

  • Mobile Devices (UE, AGV, Drohne etc.)
  • Private Access / Public Access, unabhängig von der Technologie (5G NR, ORAN, WiFi etc.)
  • 5G Edge Computing (MEC)
  • 5G Core Network
  • OSS / NMS / Orchestration
  • MCS / Messaging / Voice

Die Frage ist nun: wann ergibt ein Deployment von 5G MPN Komponenten in einer Public Cloud Sinn? Nachstehend aufgeführt sind die Kriterien, anhand denen dies bewertet wird:

  • Kosteneffizienz
  • Time-To-Market (TTM)
  • Betreibbarkeit (Grad des Wissens, Know-how zum Betreiben)
  • Kontrolle und Verfügungshoheit (im Sinne von dedizierten Ressourcen)
  • Cybersecurity (Einhaltung der DSGVO und IT Sig 2.0 für kritische Infrastrukturen)
  • Skalierbarkeit, Kapazität, Performanz
  • Lifecycle- und Hersteller-Management (LCM)

Stärken eines Public Cloud Deployments sind eindeutig Kosteneffizienz, TTM, Betreibbarkeit, Skalierbarkeit, Kapazität, Peformanz sowie LCM einschließlich Hersteller-Management.

Für eine Private Cloud sprechen Anforderungen an Verfügungshoheit und Zugangskontrolle sowie Betrachtungen hinsichtlich Cybersecurity, insbesondere was das Datenmanagement im Rahmen kritischer Infrastrukturen angeht.

Abbildung 2: Eignungskriterien für ein 5G MPN in der Public Cloud

Geeignete Komponenten eines 5G MPN für ein Deployment in einer Public Cloud

Anhand dieser Kriterien lässt sich nun bewerten, welche Netzkomponente sich hinsichtlich Aufwand und Eignung (Hoch/Mittel/Gering) für ein Deployment in einer Public Cloud anbietet oder nicht:

Abbildung 3: Eignung von Netzkomponenten für ein Deployment in der Public Cloud

Aus Sicht eines einzelnen Unternehmens können natürlich Richtlinien existieren, die obenstehende Einschätzung für ein Deployment gewisser Komponenten in der Public Cloud ändern können.

Von derlei unternehmensspezifischen Richtlinien aber abgesehen scheinen folgende drei Komponenten trotz geringerer Kontrolle / Verfügungshoheit und Umsetzung von Cybersecurity-Richtlinien für den Einsatz in der Public Cloud sinnvoll:

  • 5G Core Network
  • Operational Support System / Network Management System
  • Mission Critical Services / Messaging / Sprachkommunikation

Gerade für Unternehmen des produzierenden Gewerbes bietet der Einsatz in der Public Cloud hier Vorteile im Hinblick auf Kosteneffizienz, Betreibbarkeit, Skalierbarkeit sowie Performanz und LCM.

Wenig verwunderlich, denn diese Komponenten stellen für Industrieunternehmen – im Gegensatz zu Public Cloud Providern oder Mobilfunkanbietern – unbekanntes Expertenterrain dar.

Blog-Updates per Mail?

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle zwei Monate eine Auswahl der besten Blogartikel.

Autor

Michael Rogosch

Michael Rogosch

Leiter des Bereichs 5G & Edge sowie des Center of Excellence 5G & Connectivity bei Capgemini Engineering

    Weitere Blogposts

    Data and AI, Engineering, Intelligent Industry

    KI als Schlüsseltechnologie für intelligente Industrie: was Sie auf der Hannover Messe 2023 erwartet

    Jochen Bechtold
    11. Apr. 2023
    Intelligent Industry

    Das Physical Internet in der Logistik: Technisch machbar?

    Anna Nicole Fischer
    4. Apr. 2023