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Wir putzen regelmäßig unsere Zähne. Warum nicht auch unser Gehirn?

Rebecca Carmen Zapf
19. Jan. 2022
capgemini-invent

Mindfulness ist zum Must-have für jeden Arbeitgeber geworden. Erfolgreich ist, wer den Mindset-Shift gezielt angeht.

Die Zahlen zeigen: Unzufriedene Mitarbeitende, unmotivierte Führungskräfte und steigende Krankheitstage kosten den Arbeitgeber auf Dauer nicht nur viel Geld, sondern schaden auch dem Ansehen. Sprich: Verschlechtert sich das Wohlbefinden der Arbeitnehmenden, überträgt sich dies negativ auf den Unternehmenserfolg. Doch wie kann gesundes Arbeiten im Arbeitsalltag zur Routine werden, so selbstverständlich, wie wir täglich unsere Zähne putzen, Akkus aufladen oder die Software technischer Geräte kontinuierlich updaten? Der Nutzen klingt verlockend: 1€ Einsatz – 200% Return on Invest [1]. Wie kann der Wandel gelingen?

Kernaussagen:

  1. „Anytime, anywhere, any device“ – Der disruptive technologische Wandel und die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitswelt haben unsere Arbeitsweisen grundlegend verändert. Ein Faktor ist dabei essenziell: Die Art und Weise wie wir es als Menschen schaffen, mit all den technologischen, sozialen und persönlichen Veränderungen umzugehen.
  2. Der Umgang mit Stress und steigender Arbeitsbelastung ist in den Vordergrund gerückt. Die Erwartung an den Arbeitgeber, ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist selbstverständlich geworden. Dies wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor im „War for Talents“.
  3. Bei Mindfulness (dt. Achtsamkeit) geht es darum zu lernen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Neurowissenschaftliche Studien belegen: Wird Achtsamkeit in die Rahmenbedingungen unserer täglichen Arbeit integriert, ermöglicht dies gesundes Arbeiten, führt zu mehr Zufriedenheit und letztendlich auch einer verbesserten Produktivität.
  4. Der Business Case und die Wirtschaftlichkeit basieren auf Verbesserungen von messbaren Indikatoren, wie z. B. einem positiven Employee Engagement Index, sinkenden Krankheitsquoten, geringeren Fluktuationsraten und niedrigeren Ausfallkosten.
  5. Zentrale Erfolgsfaktoren bei einer Einführung von Achtsamkeit sind die Motivation der Führungskräfte, Adaption von People-Prozessen und Organisationsstrukturen sowie der bekannte „Tone from the Top“.

Auch weil wir nie gelernt haben, wie eng Gesundheit und Performance zusammenhängen, haben die Jahre 2020 und 2021 den Arbeitsmarkt derart aufgerüttelt.

Spätestens seit Beginn der Covid-19-Pandemie arbeiten über 24% der Arbeitnehmenden im Home-Office. Doch neben den vielen Vorteilen ist der Erfolg kein Selbstläufer, da rund 70% der deutschen Arbeitnehmenden höhere Stress-Level verspüren [2].

Performance-Indikatoren wie Auslastung und Umsatzzahlen sind leicht auswertbar. Persönliches Wohlergehen hat in diesem Kontext bisher kaum eine Rolle gespielt. Wie auch? Subjektives Empfinden ist schwer mess- und vergleichbar. Und so wurde diesen weichen Faktoren bisher zu wenig Bedeutung beigemessen. Doch ein arbeitnehmerfreundlicher Arbeitsmarkt und die Einstellung der jungen Generation zwingt Arbeitgeber weltweit zum Umdenken.

Die gute Nachricht ist: Es gibt etwas, das Gesundheit und Leistungsfähigkeit in Einklang bringen kann: Achtsamkeit. Aus dem Englischen abgeleitet von „Mindfulness“, gestartet in den 1960ern von Jon Kabat-Zinn, einem amerikanischen Medizinprofessor, geht es darum zu lernen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Achtsamkeit verringert unsere Neigung, wie im Autopiloten nur auf Ereignisse zu RE-agieren, und ermöglicht es uns, selbstbestimmt zu A-gieren.

Alles kann achtsam getan werden: Essen, Sprechen, Arbeiten und auch Führung wird neu gedacht unter dem Stichwort mindful leadership. Dabei liegt der Fokus auf der Absicht und nicht auf der reinen Tätigkeit selbst. Achtsamkeit ist per Definition das Gegenteil von Multitasking.

Unser Alltag jedoch ist geprägt durch permanente Anforderungen, Zeitdruck und wir spüren die Folgen der ständigen Erreichbarkeit, beruflich wie privat. So kann der Bezug zur Gegenwart leicht verloren gehen. Schon morgens beim Duschen bereitet man sich gedanklich auf bevorstehende Termine vor, gegessen wird neben dem Telefonieren und selbst im Urlaub kreisen die Gedanken um liegengebliebene Aufgaben. In über 50% unserer Zeit erledigen wir unsere Aufgaben wie im Autopiloten, ohne es zu merken. Dazu kommt die permanente Bildschirmzeit am Handy und Laptop. Für das Gehirn sind diese dauerhaften Reize Stressimpulse. Fehlen dazu regelmäßige Ausgleichsmaßnahmen oder aktive Ruhepausen, sind mentale Erschöpfung und Dauerstress die Folgen. Abgesehen von den körperlichen Folgen brennen wir so auf Dauer aus. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, regelmäßig und routiniert unser Gehirn und damit unsere mentale Gesundheit zu pflegen – so wie wir auch täglich unsere Zähne putzen. Mit einem achtsamem Umgang erzielen wir positive Effekte auf den ganzen Körper und wir beugen vielen physischen wie psychischen Krankheiten aktiv vor.

Alles Einbildung? Einblicke in die Wissenschaft

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Abbildung 1: Mehrwert einer regelmäßigen Achtsamkeitspraxis

Neurowissenschaftliche Studien belegen, dass Achtsamkeitstraining im Gehirn mit Arealen korrespondiert, die sensorische Informationen verarbeiten sowie mit Autoregulation (Kontrolle von Stress und Emotionen) zusammenhängen [3]. Eine regelmäßige Praxis führt u.a. zu einer Stärkung des Selbstmanagements, Aufbau von emotionaler Intelligenz, Empathie, Akzeptanz von Veränderungen, Verbundenheit und innerer Zufriedenheit. Übertragen in unseren Berufsalltag können Konzentrationsvermögen, Kreativität, Konfliktfähigkeit, Resilienz sowie Stresskompetenz nachweisbar gestärkt werden.

Energy flows where attention goes

1€ Einsatz – 200% Return on Invest, so lautet das Erfolgsgeheimnis eines führenden deutschen Softwarekonzerns [4]. Je nach Größe des Unternehmens geht die Ersparnis in den 6- bis 7-stelligen Bereich pro Jahr. In einer Zukunft, die von technologischen Entwicklungen wie künstlicher Intelligenz, Daten und Automatisierung geprägt ist, wird die Bedeutung der menschlichen Dimension – Motivation, Freude an der Arbeit, emotionale Intelligenz und Wohlbefinden – ausschlaggebend. Organisationen werden langfristig attraktive und erfolgreiche Arbeitgeber sein, wenn sie sich der Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmenden annehmen. Dabei geht Achtsamkeit weit über das Verständnis von freien Yoga-Sessions und der Darreichung von vitaminreichen Äpfeln hinaus. Achtsamkeit heißt auch nicht, schädliche Unternehmensstrukturen zu kompensieren. Achtsamkeit kann als Teil einer Unternehmenskultur dazu beitragen, dass der Wandel der Arbeit und die technologischen Veränderungen langfristig für alle Arbeitnehmenden gesund zu meistern sind. Daher ist es wichtig über diese Themen im Unternehmensalltag nicht nur zu sprechen, sondern diese auch nachhaltig in den Arbeitsabläufen zu verankern. Im Spannungsfeld zwischen Leistung und Wohlbefinden, ermöglicht der Ansatz „Performance in Balance“ die Transformation zu einer nachhaltigen und leistungsfähigen Unternehmenskultur. Wie die Einführung gelingen kann, zeigen folgende Aspekte.

Erfolgsfaktoren

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Abbildung 2: Erfolgsfaktoren

Besonders wirkungsvoll ist es, wenn die oberen Führungsebenen einen authentischen Umgang mit den veränderten Arbeitsweisen selbst verinnerlichen und die Legitimation aufzeigen, wie dies zum Unternehmenserfolg beiträgt. Steigende fachliche Arbeitserfahrung ist kein Garant für gute Führungskompetenzen. Daher sind Leadership-Trainings kein nice-to-have mehr, sondern essentiell, um Mitarbeitende gesund und motiviert zu führen. Der HR-Abteilung kommt eine besondere Rolle zu, da Prozesse und organisatorische Rahmenbedingungen wie z.B. Zielvereinbarungen, Vergütungssysteme und Arbeitszeitmodelle neu überdacht werden müssen. Eine Verankerung bedarf vielfältiger, einfach zugänglicher und regelmäßiger L&D-Angebote. Oftmals entstehen auch erste Impulse durch Bottom-up-Community-Strukturen. Hier hilft der Aufbau von Change Agents und Train-the-Trainer-Teams, um die Verankerung zu bestärken. Alle neuen Arbeitsweisen bedürfen einer konsequenten Anwendung im Arbeitsalltag. Achtsames Verhalten ist in jeden Kontext integrierbar. Nicht zu unterschätzen sind Konflikte zwischen Generationen, wenn es um die Einstellung zu Arbeitszeiten und dem Thema Work-Life-Blending geht. Abschließend ist ein regelmäßiges Feedback aller Mitarbeitenden die Grundlage, um die Wirkung zu messen und sichtbar zu machen. Es empfiehlt sich alle verfügbaren Daten wie Verweildauer, Überstundenkonten, Kündigungsgründe, Krankheitsausfälle, Führungszufriedenheit in einem Cockpit auszuwerten, um im Verlauf „das Weiche“ messbar und damit die Erfolge auch etappenweise sichtbar zu machen.

Unsere Blogserie „Der Mehrwert von Mindfulness in Unternehmen“

In den kommenden Wochen analysieren wir die Chancen und Herausforderungen von Achtsamkeit im Unternehmenskontext. In Teil 1 der dreiteiligen Serie wird das Konzept Mindfulness erläutert, der Mehrwert und die Erfolgsfaktoren für die Einführung in Organisationsstrukturen von Unternehmen aufgezeigt. In Teil 2 konzentrieren wir uns auf konkrete Hebel für eine Verankerung im Arbeitsalltag. In Teil 3 geht es um die spezielle Rolle von Führungskräften, da diese Dreh- und Angelpunkt eines Werte- und Kulturwandels sind.

Wir von Capgemini Invent begleiten Unternehmen bei den Fragestellungen, wie die Zukunft Ihrer Arbeit (lesen Sie auch unsere Studien The Future Of Work & The New Working Paradigm) und eine attraktive Employee Experience aussehen kann. Wir helfen Ihnen, sich mit dem Wandel der Arbeitsweisen zurechtzufinden und strategisch im Wettbewerbsumfeld zu positionieren. Dies umfasst für uns sowohl die Strategiedefinition und Konzeption als auch die operative Projektumsetzung. Für Details und Fragen rund um das Thema Change Management, New Work und Achtsamkeit im Unternehmenskontext kontaktieren Sie Rebecca Zapf.


[1] ROI of Mindfulness 

[2] Statista Dossier Stress and Burnout

[3] T. Esch, Die neuronale Basis von Meditation und Achtsamkeit

[4] Case SAP Employee wellbeing boosts the bottom line

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Autorin

Rebecca Carmen Zapf

Director Workforce & Organization | Capgemini Invent Germany
Seit 2009 beschäftige ich mich mit den Themen Change Management, Leadership & New Work sowie der Transformation von Organisationen. Nach vielfältigen Stationen im In-und Ausland bin ich seit Anfang 2017 Teil des Workforce & Organizations-Team bei Capgemini Invent. Meine Projekte sind auf den Public Sector ausgerichtet und ich leite ein 20 köpfiges Team von Expert*innen. Uns verbindet die Überzeugung zu einer Verbesserung unserer Verwaltung und Demokratie beizutragen. Darüber hinaus bin ich zertifizierte Mindfulness Trainerin und habe 2020 die Initiative „InventYourself“ gegründet. Mit dieser verbinden wir bei Invent eine hohe Leistungserbringung mit einer nachhaltigen Haltung ggü. der eigenen Gesundheit.

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