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31 Prozent deutscher Unternehmen haben Probleme bei CBAM: Wo stecken die Chancen der EU-Regulierung?

Dr. Raoul Voss
Dr. Raoul Voss
28. Jan. 2025

Da in vielen Nicht-EU-Ländern eine weniger strenge Klimapolitik vorherrscht, besteht die Gefahr der so genannten „Carbon Leakage“. Carbon Leakage tritt auf, wenn in der EU ansässige Unternehmen ihre kohlenstoffintensive Produktion in Länder verlagern, in denen weniger strenge klimapolitische Maßnahmen gelten als in der EU, oder wenn EU-Produkte durch kohlenstoffintensivere Importe ersetzt werden.

Dem möchte die EU mit dem europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (kurz „CBAM“ von engl. „Carbon Border Adjustment Mechanism“) entgegenwirken.

Derzeit sind Unternehmen allerdings von den CBAM-Anforderungen und den damit verbundenen Herausforderungen gefordert oder gar überfordert. Laut einer DIHK-Studie in Deutschland sind fast ein Drittel der deutschen Unternehmen (31 Prozent) den kurzfristigen und weitreichenden CBAM-Anforderungen und der CBAM-Berichtsinfrastruktur nicht gewachsen1. Zudem stehen mit dem CBAM erhebliche Kostensteigerungen für in die EU importierte Schlüsselgüter bevor.

Initial gestartet im Oktober 2023, ist CBAM daher derzeit ein intensiv diskutiertes Thema in Industrie, Politik und Gesellschaft. Die Idee hinter der Regelung besteht darin, gleiche Wettbewerbsbedingungen für in der EU und außerhalb der EU produzierte Güter zu schaffen. Derzeit unterliegen in der EU produzierte Güter zusätzlichen Kosten durch das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS), während außerhalb der EU produzierte Güter in der Regel keine Sanktionen für die Emission von Treibhausgasen erfahren.

Durch CBAM müssen Importeure in den Bereichen Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Wasserstoff und Energie nach 2026 CBAM-Zertifikate für die mit der Produktion verbundenen Emissionen kaufen, deren Preise an die Preise der EU-ETS-Zertifikate gekoppelt sind. Laut dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung könnten die Preise für Zertifikate im EU-ETS bis 2050 auf 400 € pro Tonne CO₂-Äquivalente steigen.

Dies würde beispielsweise zu einer Preiserhöhung von 760 € (+110 Prozent) für eine Tonne importierten Stahl führen und somit erhebliche Herausforderungen für Importeure in die EU darstellen. Solche erheblichen Kostenbelastungen werfen für importierende Unternehmen die Frage auf, wie sie am besten mit den CBAM-Vorschriften umgehen und welche Beschaffungsstrategien mittel- und langfristig angepasst werden müssen.

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit erfordert effektives Navigieren von CBAM 

Um die Auswirkungen von CBAM auf die Rentabilität komplexer Wertschöpfungsketten in der EU und in die EU effektiv zu managen, müssen Unternehmen die CBAM-Anforderungen und die CBAM-Berichtsinfrastruktur verstehen und sicher anwenden. Dies beinhaltet das Verständnis und die Beherrschung der von der EU zugelassenen Verfahren zur Emissionsquantifizierung, um genaue Daten zu erstellen und überhöhte CBAM-Kosten zu vermeiden. Während derzeit noch eine Berichterstattung basierend auf den von der EU bereitgestellten Standardemissionswerten für einzelne Güter erlaubt ist, müssen nach 2025 detaillierte Primärdaten von den Beschaffungsunternehmen außerhalb der EU bezogen werden. 

Neben dem Wissen über die EU-Anforderungen ist Fachwissen in verwandten Bereichen erforderlich, um CBAM effektiv zu handhaben. Beispielsweise sind detaillierte Kenntnisse über bestehende CO2-Bepreisungsmechanismen in den Beschaffungsländern notwendig, da diese Mechanismen die Anzahl der zu erwerbenden CBAM-Zertifikate erheblich reduzieren können. In anderen Fällen könnten hohe CBAM-Kosten darauf hinweisen, dass es notwendig ist, die Beschaffungsstrategien vollständig neu zu organisieren und zu dekarbonisieren. Dies gilt insbesondere, wenn EU-interne Güter im Vergleich zu außereuropäischen Produkten bereits jetzt oder in naher Zukunft sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich vorteilhafter sein könnten. Entsprechende Bewertungen erfordern ein tiefes Verständnis der CBAM-Regelungen, der globalen Preisentwicklungen und der Entwicklung nachhaltiger Technologieanwendungen in verschiedenen Weltregionen. 

Verpasste Chancen und Geschäftsrisiken 

Aktuell sind viele Unternehmen von den Anforderungen, die CBAM stellt, massiv gefordert. Insbesondere diese Unternehmen konnten ihren ersten einführenden CBAM-Bericht, der im Februar 2024 bei den europäischen Behörden fällig war, nicht abschließen oder einreichen. Noch größere Probleme könnten jedoch in der nächsten Phase auftreten, wenn das einfache Berechnungsschema auf Basis von Standardwerten nicht mehr akzeptiert wird und eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten für die Berichterstattung von Primäremissionsdaten umgesetzt werden muss. 

Laut DIHK sehen 46 Prozent der Unternehmen Probleme bei der Datenbeschaffung von Nicht-EU-Lieferanten, da diese Lieferanten generell Schwierigkeiten haben, bei Umwelt- und Emissionsbewertung. Lediglich 3 Prozent der Unternehmen berichten, dass die Zusammenarbeit mit Lieferanten bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie zuverlässige Emissionsdaten erhalten können, was auf die erheblichen Herausforderungen hinweist, die CBAM in den kommenden Monaten und Jahren mit sich bringen könnte. Kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere solche mit klar begrenzten Ressourcen in Bezug auf Personal und Kompetenzentwicklung, könnten erhebliche Schwierigkeiten haben, die CBAM-Herausforderungen sowohl aus Berichts- als auch aus strategischer Sicht eigenständig zu bewältigen. 

CBAM bietet die Chance, Wirtschaft und Nachhaltigkeit zu vereinen 

Um die CBAM-Herausforderungen effektiv anzugehen, können Unternehmen von Partnern mit umfangreichem Fachwissen in CBAM-Regulierungen und -Infrastrukturen, Nachhaltigkeitsbewertung und nachhaltiger Strategieentwicklung profitieren. Dies kann beispielsweise bedeuten, 

  • Dass die Einhaltung der CBAM-Vorschriften durch diese Partner unterstützt, verwaltet oder sichergestellt wird, einschließlich der eigentlichen Deklaration der CBAM-Emissionen über die entsprechenden EU-Plattformen 
  • Dass die mit CBAM verbundenen Herausforderungen der Datenerfassung gelöst werden, indem Tools und Infrastrukturen für die automatisierte und skalierte Datenübertragung implementiert werden 
  • Dass die unvermeidlichen Kostenauswirkungen des CBAM effektiv angegangen werden, indem gemeinsam nachhaltige langfristige Strategien für die Beschaffung von Schlüsselrohstoffen entwickelt werden. 

Um sicherzustellen, dass die entsprechenden Lösungen harmonisiert sind und sich gegenseitig unterstützen, ist es hilfreich, wenn sie aus einer einzigen Quelle stammen, so wie das gehandhabt wird beim Center of Excellence (CoE) for Sustainability von Capgemini Engineering. In Kombination können effektive Lösungen und Maßnahmen nicht nur dabei helfen, CBAM-Herausforderungen zu meistern, sondern sie auch in echte Chancen zu verwandeln, um aktuelle Beschaffungsstrategien zu reflektieren und die Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen. Voraussetzung dafür sind tiefes Fachwissen in der Regulierungsverwaltung und Emissionsdiagnostik, um die bestehenden und zukünftigen CBAM-Anforderungen effektiv zu erfüllen. 

Mit den richtigen Partnern lassen sich CBAM-Herausforderungen in Chancen verwandeln, um wirtschaftliche Tragfähigkeit und eine nachhaltige Zukunft zu fördern. 

Co-Author: Alexander Sorgenicht

  1.  DIHK, IHK-Umfrage zu CBAM zeigt Umsetzungsprobleme auf, 2024  ↩︎

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Autor

Dr. Raoul Voss

Dr. Raoul Voss

Senior Professional |Capgemini Engineering Deutschland
Mit langjähriger Erfahrung in Forschung und Beratung unterstützt Raoul Voss Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung wirksamer Nachhaltigkeitsstrategien. Seine Expertise umfasst Sustainable Tech, Sustainable Resource Management, Sustainability Impact Quantification, lebenszyklusbasierte Softwaresysteme sowie regulatorische Rahmenwerke wie EU-ETS, CBAM und CEAP.

Alexander Sorgenicht

Head of Sustainability |Capgemini Engineering Deutschland
Alexander Sorgenicht ist Head of Sustainability bei Capgemini Engineering und verantwortet die Beratung von Kunden im Bereich Produktnachhaltigkeit. Dabei setzt er auf innovative Ansätze, um Nachhaltigkeitsbewertung und Eco-Design gezielt voranzutreiben. Bevor er die Leitung des Center of Excellence Sustainability übernahm, hat er in der Entwicklung, Produktion und Instandhaltung der Luftfahrtindustrie gearbeitet.