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Lieferkettentransparenz vs. Schutz von Geschäftsgeheimnissen ein Widerspruch? Ein Ansatz zur ökologischen Produktoptimierung in der Lieferkette. 

Gaston Pukies
07. Mrz 2023
capgemini-engineering

Das deutsche Lieferkettengesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.

Es verpflichtet Unternehmen in Deutschland dazu, gesetzliche Regelungen im Bereich Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt gemäß einer definierten Sorgfaltspflicht einzuhalten. Dies stellt Unternehmen vor eine große Herausforderung, denn die Letzten in der Lieferkette tragen potenziell die gesamte Verantwortung aller Beteiligten.

Deutsches Lieferkettengesetz nimmt alle Lieferkettenteilnehmer in die Pflicht 

Betrachtet man bei einem Produkt dessen Umweltauswirkungen und in diesem Zusammenhang auch Fragen des ökologischen Designs, so wird klar, dass für die Ökooptimierung des Produktes alle Lieferkettenteilnehmer gefragt sind, die relevanten Informationen ihrer Komponenten zu teilen. Demnach ist es eine gemeinschaftliche Aufgabe aller Beteiligten der gesamten Lieferkette, die notwendigen Änderungen umzusetzen.  

Wenn ein Produkt im Hinblick auf seinen Fußabdruck optimiert werden soll, dann erfolgt in der Regel zunächst eine Aufnahme des Status Quo in Form eines sogenannten Life Cycle Assessments (LCA). Hierbei tragen wir relevante Informationen zusammen – über die eingesetzten Materialien und Rohstoffe, die Prozesse, benötigte Energie, Transportwege, Verpackung usw. – und bewerten sie mithilfe von Nachhaltigkeitsdatenbanken. Daraus ergibt sich der ökologische Fußabdruck bzw. Umwelteinfluss des entsprechenden Produktes. Dieser Vorgang erfordert Fachkenntnis und eine umfassende Datenaufnahme als Grundlage für die Kalkulation, z. B. der Emissionen.  

Voraussetzungen für ein Life Cycle Assessment 

Ein gutes Beispiel, welches den Aufwand illustriert, ist ein Projekt von Capgemini mit Jungheinrich. Das Projekt hat aufgezeigt, dass eine holistische, belastbare und effiziente Erhebung der notwendigen Daten mit anschließender Ökobilanzierung nur durch eine Automatisierung des Datenflusses gelingen kann. Es ist also notwendig, dass in der Lieferkette eine entsprechende Möglichkeit besteht, die es erlaubt, nicht nur die eigenen Daten zu erfassen, sondern insbesondere auch die der Partner und Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette zu erhalten. Denn sicher ist, dass jeder in der Lieferkette essenziell zum ökologischen Fußabdruck beiträgt. 

Datenschutz mit einer dezentralen Plattform 

Zu diesem Zweck hat Capgemini Engineering eine dezentrale Plattform (CDX) entworfen, die es ermöglicht, jede Art von Produktinformation aus der gesamten Lieferkette anzufragen.  

Voraussetzung hierzu ist, dass die Teilnehmer der Lieferkette auf der Plattform angemeldet sind und ihre Chargen, Komponenten oder vollständige Produkte auf dieser Plattform registrieren. Dies kann vollständig automatisiert geschehen. Dabei wird eine absolut eindeutige ID erzeugt, die sowohl auf der Plattform manipulationssicher abgelegt als auch als physisches Identifikationsmittel am Produkt angebracht werden muss. Damit entsteht die Brücke zwischen der digitalen und der physischen Welt. Über einen Suchdialog kann das Produkt nun von jedem gefunden werden. Der Hersteller und der Anfrager bleiben dabei anonym, da die gesamte Kommunikation produktzentriert über die eindeutige ID erfolgt. Das sorgt dafür, dass Beziehungen zwischen Teilnehmern in der Lieferkette nicht offengelegt werden können. Basierend auf der ID des Produktes kann also der Hersteller kontaktiert und weitere Informationen über das Produkt können angefragt werden. Es obliegt nun dem Hersteller, welche Informationen in welcher Detailtiefe zur Verfügung gestellt werden. Jeder behält in diesem Modell die Hoheit über seine Daten. Gleichzeitig sind im direkten Austausch alle Kommunikationspartner anonymisiert.  

Transparenz über die gesamte Lieferkette schaffen und verbessern 

Für die Ökobilanzierung eines Produktes bedeutet dies, dass sämtliche Informationen von überall aus der Lieferkette erhältlich sind. Diese können die aktuell vorhandenen „blinden Flecken“ füllen und damit eine deutliche höhere Transparenz für das betroffene Produkt erreichen. Außerdem verbessert diese Vorgehensweise die inhaltliche Belastbarkeit und Realitätsnähe des Gesamt-LCA deutlich. Da es aufwendig ist, ein LCA zu erstellen, ergibt sich auch ein unmittelbar kommerzieller Mehrwert, wenn man das LCA einer bestimmten Komponente auf der Lieferkette einfach anfragen kann, anstatt die Daten selbst zu erheben oder zu extrapolieren. Daraus ergibt sich wiederum die Möglichkeit, weitere produktnahe und relevante Inforationen nicht nur „on demand“ zu teilen, sondern sich diesen zusätzlichen Service aus Sicht des Komponenten-LCA-Anbieters bezahlen zu lassen. Da dies ein zusätzlicher Umsatzfaktor sein kann, wirkt sich das auch positiv auf die Qualität und die Belastbarkeit dieser Informationen aus.

Nachhaltige Produktentwicklung und Lieferkettentransparenz sind vereinbar

Mit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stehen Unternehmen vor der steigenden Verantwortung, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Mit der hier skizzierten Plattform können Unternehmen diese Herausforderung einfacher meistern. Gleichzeitig sind damit die Aspekte Datenschutz und Wahrung von Produktgeheimnissen abgedeckt – eine Voraussetzung für transparente Lieferketten, die eine nachhaltigere Produktentwicklung möglich macht.

Den vollständigen Artikel zu diesem Thema finden Sie im Archiv der Helmut-Schmidt-Universität.

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Autor

Gaston Pukies

Senior Project Manager | Technology & Innovation  Capgemini Engineering (Germany)