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Metall trifft Molekül: Die smarte Lösung für Wasserstoffspeicherung

Dr. Oliver Hegen
15. Sept. 2025

Die Etablierung von Wasserstoff als kohlenstofffreier und erneuerbarer Energieträger der Zukunft ist ein Marathon, so viel ist klar.

Um diesen zu bewältigen, wird sowohl eine kosteneffiziente Produktion und damit verbunden eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu fossilen Energieträgern als auch langfristige Abnahmeverträge und damit einhergehend Sicherheit für Investoren benötigt. Die Brücke zwischen den beiden schließt der Aufbau einer smarten Infrastruktur.

Gerade diese entwickelt sich zu einer Kernetappe und besteht zum einen aus Transport, z. B. via Pipelines, und zum anderen aus Speicherlösungen. Dabei wird Wasserstoff ähnlich wie Erdgas im großen Maßstab vor allem in unterirdischen Kavernen gespeichert werden. So besitzt beispielsweise Europa ein Speicherpotenzial in Salzkavernen von ca. 85 PWh. Zusätzlich benötigen Industrie und Versorger aber auch Kommunen und mittelständische Unternehmen regionale, dezentrale Speichermöglichkeiten im kleineren Maßstab, um ihre Versorgung sicherzustellen.

Speicherlösungen spielen eine Schlüsselrolle beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur

Auch wenn Wasserstoff eine sehr hohe Energiedichte bezogen auf seine Masse besitzt (33,33 kWh/kg1; zum Vergleich 13.1 kWh/kg bei flüssigen fossilen Brennstoffen) ist seine Energiedichte bezogen auf das Volumen sehr gering (0,003 kWh/L bei Standardbedingungen; zum Vergleich 10,5 kWh/L bei flüssigen Kohlenwasserstoffen). Deshalb wurden verschiedene Speichertechnologien entwickelt, um dieser Eigenschaft gerecht zu werden.

Am weitesten verbreitet ist die gasförmige Speicherung von Wasserstoff in einem Drucktank bei 350 – 700 bar, die vor allem in der Mobilität, beispielsweise bei Brennstoffzellen-LKWs Anwendung findet. Im Vergleich findet die Speicherung als flüssiger Wasserstoff in Kryotanks bei -253°C hauptsächlich in der Luft- und Raumfahrt Anwendung. Für beide Optionen muss jedoch zusätzlich Energie, entweder zur Bedruckung oder zur Verflüssigung von Wasserstoff aufgewendet werden.

Abb. 1: Schematische Speicherung von Wasserstoff in einer hydrid-bildenden Metalllegierung. Quelle: Capgemini

Speicher-Methoden im Überblick

Deshalb wird mit Hochdruck an alternativen Speichermöglichkeiten geforscht. Eine Alternative sind beispielsweise hydrid-bildende Metalle, also Metalllegierungen in denen Wasserstoff absorbiert wird. Sie funktionieren also wie ein Schwamm, der Wasserstoff aufnimmt und bei Bedarf unter Zuführung von Wärme diesen wieder abgibt. Diese chemische Speicherung ist im Vergleich ein großer Vorteil, da Wasserstoff bei Leckage nicht explosionsartig entweichen kann. Auch wenn hydrid-bildende Metalle bereits kommerziell verfügbar sind, liegt ihr großer Nachteil in ihrem Gewicht, weshalb sich eine Wasserstoffspeicherung mit diesen Metallen vor allem für stationäre Anwendungen eignet.

Abb. 2: Verschiedene Möglichkeiten der Wasserstoff-Speicherung bieten verschiedene Vor- und Nachteile. Quelle: Capgemini

Metallhydridsysteme als dezentrale Speicher

In Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum Hereon hat Capgemini eine kommerziell verfügbare AB2 hydrid-bildende Metalllegierung als Wasserstoffspeicher zur industriellen Anwendung erforscht. Dabei wurden sowohl experimentelle Charakterisierungen und Modellierungen als auch eine Kostenbetrachtung entlang des gesamten Lebenszyklus in der Industrie durchgeführt.

Ein besonderes Augenmerk lag auf der Bestimmung des CO2-Fußabdrucks und der systemischen Einbindung des Metallhydrid-Speichertanks zur Erhöhung der Gesamteffizienz, z. B. unter Nutzung der erzeugten Abwärme bei der Absorption. Die Ergebnisse dieser Analyse aus dem Forschungsprojekt HyReflexS (Förderkennzeichen 03EI3020C) wurden kürzlich im International Journal of Hydrogen Energy veröffentlicht.

Abb. 3: Kostenbetrachtung des Metallhydrid-Speichersystems Quelle: International Journal of Hydrogen Energy

So konnten wir mittels einer Lebenszykluskostenanalyse zeigen, dass eine Skalierung des Metallhydrid-Speichersystems von 10 kW auf 10 MW zu einer Kostenreduktion pro KW von bis 85 Prozent führt. Darüber hinaus konnte durch Optimierung der Betriebsstrategie die Absorptionskapazität erhöht werden, wodurch einerseits der Umweltfußabdruck, andererseits die Betriebskosten aufgrund des geringeren Energieverbrauchs gesenkt wurden. Entscheidend ist dabei die Verfügbarkeit der Wärmequelle bzw. deren Beschaffung. So bietet die Nutzung von Abwärme und damit verbunden die intelligente Einbindung des Speichersystems in größere Systeme einen enormen Mehrwert verglichen mit erzeugter Wärme mittels Stroms aus dem Stromnetz. Gerade in dieser Sektorenkopplung zeigt sich die enorme Stärke des Speichersystems.

Deshalb sind Metallhydrid-Systeme als Wasserstoffspeicher vor allem für mittelständische Unternehmen sowie für Kommunen und Industrieparks relevant, wenn:

  • Eine smarte Einbindung in größere Gesamtsysteme möglich ist
  • Abwärme intelligent genutzt werden kann
  • Bedarf an einer erhöhten Flexibilität bei der Energiespeicherung besteht

Wasserstoff bleibt eine tragende Säule der nachhaltigen Energietransformation und ein Rohstoff mit großem, aber bislang ungenutztem Potenzial. Um dieses zu erschließen und eine nachhaltige und florierende Wirtschaft mit erneuerbaren Energieträgern zu erschaffen, müssen noch eine Vielzahl an Hindernissen überwunden werden.

Von der Strategie und Machbarkeit über Engineering bis hin zum digitalen Hydrogen Management System: Mit Expert*innen in einem starken Ökosystem wird die intelligente Einbindung von Wasserstoffspeicherlösungen in bestehende Infrastruktur Realität. Denn Wasserstoff ist schließlich kein Sprint – es ist ein Marathon.

Co-Autor: Andres Robelo Hoberg

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Autor

Dr. Oliver Hegen

Dr. Oliver Hegen

Head of Hydrogen | Capgemini Engineering Deutschland
In seiner Rolle begleitet Oliver Kunden auf nationaler wie internationaler Ebene bei ihrer Transformation mit Wasserstoff und dessen Derivaten. Er entwickelt strategische Visionen und koordiniert Projekte entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette, um den Weg für eine nachhaltigere Zukunft zu ebnen. Oliver leitet das Center of Excellence Hydrogen ist davon überzeugt, dass intelligente Lösungen der Schlüssel für einen schnellen Wasserstoff-Markthochlauf sind.