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Venture Client as a Service (VCaaS) – Steigerung der Innovationskraft von Unternehmen durch messbaren Business Impact

Jens Hofmeister
01. Sep. 2021
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Durch den zunehmenden Wettbewerb aufgrund von Globalisierung, neuen Marktteilnehmern und verschwimmenden Branchengrenzen ist der Innovationsdruck für große Konzerne gestiegen. Weitere Ursachen für diese Entwicklung sind kürzere Produktzyklen sowie die Tatsache, dass technologischer Fortschritt und Disruptionen den Markt schnell verändern. Dies führt zu erheblichen Herausforderungen und oftmals zu einer schrumpfenden Lebensdauer der Unternehmen. Gleichzeitig zwingen die sinkenden Budgets für Forschung und Entwicklung (F&E) sowie die steigenden F&E-Kosten große Unternehmen dazu, neue Wege zu gehen, um ihre Marktposition zu stärken. Kurzum: Die Logik des Wettbewerbs hat sich verändert. Von einem vorhersehbaren Spiel mit belastbaren Angeboten und Konkurrenten zu einem ausgeklügelten, dynamischen Spiel, das über mehrere Ebenen ausgetragen wird. Daher helfen altbewährte Wettbewerbsstrategien nicht weiter, denn das Feld des unternehmerischen Wettbewerbs bewegt sich in eine neue Arena, die von den Unternehmen verlangt, ihr volles Innovationspotenzial auszuschöpfen. Das traditionelle Spielbuch für Innovation reicht deshalb hier nicht mehr aus. Selbst etablierte Unternehmen sind gezwungen innovativ zu sein und neue Märkte zu erschließen, um dem Wettbewerb voraus zu sein und sich immer schneller weiterzuentwickeln. Dies stellt die Unternehmensführung vor die große Aufgabe ständig Veränderungen zu antizipieren, frühzeitig die richtigen Innovationsmöglichkeiten zu erkennen und schnell zu reagieren.

Innovation ist ein maßgeblicher Beschleuniger für profitables Wachstum

Die gute Nachricht vorneweg: Die Entwicklung und Nutzung von Innovationen ist nach wie vor ein maßgeblicher Beschleuniger, um profitables Wachstum zu erzielen und Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Das letzte Jahrzehnt zeigt, dass innovative Unternehmen besser abschneiden als andere. Im Durchschnitt erzielten diese eine jährliche Gesamtrendite für ihre Aktionäre, die um 3,6 Prozentpunkte höher ist als die ihrer Konkurrenten. Innovationsfähigkeit ist demnach der Schlüsselfaktor, der es einem Unternehmen ermöglicht seine einzigartige Marktposition gegenüber potenziellen Neueinsteigern und Wettbewerbern dauerhaft zu bewahren, zu schützen und auszubauen. Darüber hinaus werden externe und hybride Innovationsquellen immer wichtiger. Dies erfordert jedoch neue organisatorische Innovationsansätze mit einer spezifizierten Struktur sowie abgestimmten Prozessen, um echten, messbaren Business Impact in großem Umfang zu erzielen.

Die Entwicklung zu einem nachweislich innovativen Unternehmen erfordert eine elementare Transformation

Derzeit klafft eine Lücke zwischen dem, wo viele Unternehmen heute stehen und dem, wo sie sein müssen, um im kommenden Jahrzehnt erfolgreich zu sein. Die Unternehmen, die in den 2020er Jahren gewinnen möchten, müssen so konzipiert sein, dass sie kontinuierlich lernen und sich an veränderte Umstände anpassen können. Nur so können sie die Vorteile breiterer Geschäftsökosysteme für sich nutzen. Das Erreichen dieses essenziellen Zukunftszustands wird eine elementare Transformation erfordern und stellt zugleich eine große Herausforderung dar. Dabei wird es sich auch nicht um eine einmalige Veränderung handeln. Der energiegeladene Charakter der Wirtschaft wird Unternehmen dazu zwingen, Fähigkeiten für kontinuierliche, groß angelegte Veränderungen zu entwickeln, um mit der Entwicklung von Technologie und Wettbewerb Schritt zu halten. Sie werden neue Innovationsansätze adaptieren und ihre internen Prozesse neugestalten müssen, um ihr volles Innovationspotenzial ausschöpfen zu können. Darüber hinaus müssen Unternehmen in der Lage sein den Business Impact solcher Innovationsansätze messen zu können, damit dessen Erfolg bestimmt und langfristig sichergestellt werden kann.

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In den letzten Jahren kann man eine deutliche Verschiebung innerhalb der Corporate-Venture-Ansätze hinsichtlich einer neuen Strategie der Startup-Zusammenarbeit erkennen. Der Venture Client as a Service gewinnt dabei sowohl bei Unternehmen als auch bei Startups stetig an Bedeutung und steht ganz oben auf deren Agenden. Der überzeugendste Grund für dessen Erfolg ist, dass beiden Parteien ermöglicht wird, sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können. Gleichzeitig werden Innovationen gefördert, die relevanten Business Impact erzielen. Diese neue Strategie zielt zudem darauf ab, Startups als Lieferanten für Unternehmen zu etablieren und ihnen das zu geben, wonach sie am meisten suchen: Kunden. Diese und weitere Herausforderungen von Startups sind in der folgenden Abbildung dargestellt:

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Abbildung 1: Herausforderungen von Startups

Innerhalb des VCaaS sind die folgenden vier Parteien die primären Stakeholder: die Muttergesellschaft, deren Hauptverantwortung darin besteht die allgemeinen Zielvorgaben, bestehend aus einer übergeordneten Strategie und den entsprechenden Zielen, bereitzustellen; die Venture Client Unit (VCLU), die als Vermittler fungiert und die Ziele in dedizierte Prozesse übersetzt; die Business Units (BUs), die an Innovationen interessiert sind, aber auch ihr aktuelles Geschäft sowie ihre Technologien schützen wollen und schließlich die Startups, die in der Regel das Ziel der Skalierung und Expansion verfolgen. Dieses Modell mit seinen vier Stakeholdern wird durch folgende Abbildung illustriert:

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Abbildung 2: Struktureller Aufbau eines Unternehmens mit Venture Client Unit

Die VCLU ist innerhalb des Unternehmens angesiedelt, sodass es sich um eine dedizierte interne Einheit handelt, die der gesamten Organisation und ihren BUs Venture Client Services zur Verfügung stellt. Diese Einheit hat das Ziel die Innovationsaktivitäten des Unternehmens zu koordinieren und arbeitet sowohl im externen Ökosystem mit Startups, als auch mit den internen BUs zusammen. Sie tritt dabei als Schnittstelle auf, die zwischen der schnelllebigen Startup-Welt und den schwerfälligeren Komplexitäten der Unternehmenswelt vermittelt. Da es sich um eine Zwischeninstanz handelt, ist sie am besten positioniert, um potenzielle Synergien zwischen einem Startup und einer BU zu ermöglichen und die jeweiligen relevanten Stakeholder zusammenzubringen. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein wechselseitiger Austausch von Wissen und Fähigkeiten. Netzwerke gehören somit zu ihren wichtigsten Assets, die beiden Parteien aber typischerweise in der jeweils anderen Welt fehlen. Startups bemühen sich Entscheidungsträger in Unternehmen anzusprechen, aber die Identifizierung, Ansprache und Verbindung mit dem jeweiligen Ansprechpartner dauert oft zu lange. Ebenso fehlt es Unternehmen in der Regel an ausreichendem Verständnis für die Startup-Welt, um die richtigen Partner zu identifizieren. Des Weiteren kann sie beiden Parteien dabei helfen, die wahren geschäftlichen Gründe für die Zusammenarbeit zu verdeutlichen, da diese asymmetrischen Partner oftmals nicht in der Lage sind ihre Erwartungen, Anforderungen und Ziele so zu artikulieren, dass beide Parteien sie verstehen können. Nach der Zusammenführung arbeiten die BUs schließlich direkt mit den jeweiligen Startups zusammen und konzentrieren sich auf die gemeinsame Erarbeitung einer langfristigen Lösung.

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Abbildung 3: Venture Client as a Service auf einen Blick

Der VCaaS zielt darauf ab, etablierten Unternehmen den Zugang von führenden Startups zu erleichtern und hohe Integrationsraten bei geringen Fixkosten zeitnah zu sichern. Unternehmen investieren dabei weder in die Startups noch erwerben sie deren Technologien oder Anteile. Vielmehr kauft und nutzt der Venture-Kunde die Lösung eines Startups. Das Wissen, insbesondere in expliziter oder kodifizierter Form, wird durch Lizenzierung der Rechte an dem geistigen Eigentum übernommen. Auf diese Weise kann der VCaaS viel schneller umgesetzt und skaliert werden als eigenkapitalbasierte Innovations-Vehicles. Darüber hinaus ermöglicht der geringere Aufwand pro Venture dem Unternehmen die Zusammenarbeit mit mehreren Startups gleichzeitig. Zudem erhalten Venture-Kunden nicht nur frühzeitigen Zugang zu vielversprechenden neuen Technologien praktisch ohne Risiko, sondern profitieren auch von strategischen Einblicken in neue Märkte und Time-to-Market-Vorteilen.

In Pilotprojekten werden die Startup-Lösungen von den Fachbereichen validiert

Die BUs finden und definieren hierbei meist Probleme in ihrem aktuellen Geschäftsumfeld, die dann von oder mit den Startup-Lösungen gelöst werden. Nichtsdestotrotz können Startups auch mit ihren Ideen an die Unternehmen herantreten. Der erste Kauf ist dann zunächst ein „Minimum-Viable-Produkt“, mit dem das Unternehmen die Startup-Lösung in einem von der BU durchgeführten Pilotprojekt validiert. Während dieser Pilotprojekte arbeiten die Startups für einen bestimmten Zeitraum eng mit den Ingenieur*innen und Manager*innen des Unternehmens zusammen. Sie validieren Produkte, Prozesse oder Technologien und präsentieren letztendlich ihre Endergebnisse auf Demo-Tagen. Ziel dabei ist, dass diese Partnerschaften zu langfristigen Kooperationen führen, bei denen die Startup-Lösungen nicht nur in einer BU des Unternehmens implementiert, sondern fachbereichübergreifend skaliert werden. Zudem kann es durch die Validierung der Startup-Lösung als eine interessante Vorstufe für ein mögliches M&A-Geschäft dienen. Während des gesamten Prozesses sind die Startups dabei nicht durch Exklusivitätsvereinbarungen eingeschränkt.

Startups haben viele Vorteile gegenüber anderen Innovationsquellen

Der VCaaS ermöglicht es Unternehmen, ihre strategische Position zu schützen, denn Startups zeigen frühzeitig Marktveränderungen durch neue Technologien oder Produkte in ihren Haupt- oder angrenzenden Geschäftsbereichen auf. Wenn große Konzerne ausschließlich mit etablierten Tech-Unternehmen kooperieren, laufen sie Gefahr, mögliche neue Innovationen zu verpassen.  Außerdem ist der Kauf der Lösung eines Startups eine viel einfachere Transaktion als beispielsweise der Erwerb von Eigenkapital. Die Nutzung von Spitzentechnologien eines Startups kann außerdem Kosteneinsparungen in Millionenhöhe, neue Umsätze und Marktanteilszuwächse mit sich bringen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Startups oft über mehr Ressourcen verfügen als etablierte Unternehmen. Die Konzerne müssen ihr Budget und ihre Ressourcen auf all die verschiedenen Projekte verteilen, an denen sie beteiligt sind. Startups hingegen sind extrem fokussiert. Sie haben ein Nischenproblem, das sie lösen. Sie haben normalerweise die besten Leute der Welt, die dieses spezielle Problem lösen können. Startups können die Lösung dann an alle Interessenten verkaufen und mit dem Gewinn ihr Produkt weiterentwickeln. Löst ein Unternehmen dieses Problem intern, ist normalerweise der einzige Kunde, an den das Unternehmen es verkaufen kann, es selbst. Darüber hinaus haben diese Projekte eine hohe Chance auf Auswirkungen für das Unternehmen als Ganzes, da sie ein echtes Bedürfnis oder Problem ansprechen, das gerade auf der Tagesordnung steht. In den frühen Phasen dieser Kooperationen hat der Kunde, in diesem Fall das Unternehmen, zudem mehr Einfluss auf die Lösungsentwicklung als andere Investoren. Dies kann ein großer Vorteil sein, da Startups darauf abzielen, Innovationen näher an den Bedürfnissen der Verbraucher*innen zu entwickeln und sie nicht so sehr auf Standardprozesse ausgerichtet sind wie etablierte Unternehmen. Sie können Lösungen leichter anpassen sowie individualisieren, wodurch das Unternehmen seine Kund*innen wiederum besser bedienen kann. Außerdem ermöglicht der VCaaS dem Unternehmen, mit jedem der vielen Startups, mit denen es zusammenarbeitet, mehrere vielversprechende Ansätze gleichzeitig zu verfolgen. Schließlich kann die Zusammenarbeit mit Startups auch aktiv eine offene Kultur fördern, die Innovationen auf dem Weg zu neuen Lösungen zulässt.

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Analysieren wir aktuelle Innovations-Projekte in unterschiedlichen Industrien fällt eins deutlich auf. In 70% der Fälle dauert die Umsetzung des finalen Produkts oder Services viel zu lange oder Projekte werden erst gar nicht umgesetzt.

Konzentrieren wir uns daher für einen Moment auf die Budgetierung von Innovations-Projekten, denn diese ist ein kritischer Faktor für das effiziente und somit erfolgreiche Gelingen.

In vielen Fällen wird Innovation aus einem zentralen Budget finanziert. Zudem findet Innovation seinen Weg über Innovationseinheiten wie digitale Labs oder Innovations-Hubs zurück über die Kernorganisation in den Markt. Ein ausgeprägtes „Silo-Denken“ in Großunternehmen führt auch noch dazu, dass in der Regel zu viele Innovationsprojekte und im schlechtesten Fall auch noch solche gefördert werden, die nicht zwingend in die große strategische Vision eines Unternehmens einzahlen. Starre oder schlechte Governance-Modelle sowie komplexe Entscheidungsstrukturen sorgen außerdem sehr schnell dafür, dass Kosten in die Höhe schnellen.

Wir empfehlen daher Folgendes:

  1. Innovation ist ein gemeinsamer Kraftakt, nehmen Sie daher auch alle Teilnehmer*innen in die Verantwortung. Innovation sollte im Idealfall zu 50% aus einem Zentralbudget, 25% aus R&D und 25% aus der Business Unit heraus finanziert werden.
  2. Finanzieren Sie Ihre Innovations-Projekte wie ein „Venture-Projekt“. Starten Sie mit einem Anfangsbudget und definieren klare „Stage Gates“, bei denen Sie die Freiheit haben, die vielversprechendsten Ideen nachzufinanzieren. Folgen Sie dabei einem Investment-Szenario, wie man es auch aus dem Private-Equity-Bereich kennt (Seed, Serie A und folgend).
  3. Bewerten Sie Ihre bestehenden Ideen mit klaren Score Cards, basierend auf klaren KPIs und haben Sie auch den Mut sich von bereits bestehenden Innovations-Projekten zu trennen. Getreu dem Motto „weniger ist mehr“ schaffen Sie sich damit auch neue finanzielle Freiräume.
  4. Sorgen Sie für ausreichende Transparenz Ihres „Innovations-Portfolios“ und schaffen Sie somit Vertrauen bei Ihren Kapitalgebern, sowohl extern als auch intern. Berücksichtigen Sie dabei Berichtstermine bzw. Veröffentlichungsverpflichtungen Ihrer Finanzabteilung. Mit einer soliden Innovations-Budgetplanung werden sie zum besten Freund des CFO bzw. Chef-Controllers.

Innovation ist ein Teamsport, tägliches Üben gibt Sicherheit und führt zwangsläufig zum Erfolg. Der VCaaS-Ansatz ist dabei Ihr Trainings-Camp. Nicht wenige Corporate-Venture-Aktivitäten allein führen zum Erfolg, vielmehr ist es die Vielzahl an Startup-Kooperationen und die damit verbundene hohe Anzahl an Projekten, die Ihnen die Sicherheit gibt, viele neue Technologien in realen Projekten zu testen und zu validieren. Wir geben Ihnen mit unseren Venture-Kooperationspartnern ein System an die Hand, effektiv mit den besten globalen Startups gewinnbringend zusammenzuarbeiten.

Damit der VCaaS-Ansatz im Unternehmen langfristig erfolgreich sein kann, muss die Wirksamkeit des Modells und vor allem die Messbarkeit des Erfolgs sichergestellt werden.

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Die Bewertung der Effektivität bzw. Wirksamkeit von Innovationsansätzen in Unternehmen spielt bei unseren Kunden eine immer wichtigere Rolle. Damit steigt die Relevanz von quantitativen KPIs, mit denen die Innovationsansätze miteinander verglichen werden können. Damit die Wirksamkeit unseres VCaaS-Ansatzes verdeutlicht werden kann, muss der Erfolg und somit der Business Impact der Startup-Lösungen messbar gemacht werden. Hierfür benötigt es neu definierte KPIs, die speziell für den VCaaS konzipiert worden sind. Auf Grundlage einer umfangreichen Marktanalyse, im Rahmen einer empirischen Untersuchung, wurde herausgefunden, dass für die Erfolgsmessung vorwiegend die quantitativen Kennzahlen Umsatzwachstum und Kosteneinsparung relevant sind. Sie sind eindeutig aussagefähiger als qualitative KPIs, wie z.B. die Offenheit von Startups zu lernen oder der damit zusammenhängende interne Kulturwandel. Dennoch muss bei den finanziellen KPIs darauf geachtet werden, dass sie vergleichbar sind und zugleich eine hohe Akzeptanz auf C-Level besitzen.

An dieser Stelle soll noch erwähnt sein, dass wir uns in diesem Knowledge Nugget ausschließlich auf quantitative KPIs fokussieren. OKRs (Objectives and Key Results) werden dabei nicht näher beleuchtet, können jedoch auch einen wertvollen Input liefern. Mit der Hinzunahme von OKRs wird von einer reinen betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise abgesehen und es werden zusätzlich weichere Faktoren, wie z.B. kulturelle Aspekte, bewertet. Diese können die Innovationsteams dann auf einer kürzen Zeitachse motivieren.

Bei der Zusammenarbeit von Unternehmen mit Startups im Rahmen des VCaaS muss das spezifische KPI-Framework grundsätzlich so aufgebaut sein, dass alle bestehenden und zukünftigen Startup-Projekte abgedeckt sind, die von der Venture Client Unit (VCLU) durchgeführt werden. Da diese Startups oftmals aus den verschiedensten Industrien kommen, sind dementsprechend auch ihre Lösungen sehr differenziert. Daher muss das KPI-Framework flexibel anwendbar sein und unterschiedliche Kennzahlen enthalten, um alle verschiedenen Branchen-Schwerpunkte abzudecken. Da die Startup-Kooperationsprojekte aber in einem fortlaufenden Prozess stattfinden und die KPIs vergleichbar bleiben müssen, ist das KPI-Framework gleichzeitig gewissermaßen standardisiert. Darüber hinaus müssen die KPIs noch weiter spezifiziert werden, um bestimmte Unternehmensschwerpunkte sowie Fokusthemen hinsichtlich innovativer Startup-Lösungen abzudecken.

Startups können Unternehmen bei jeder Art von Innovation unterstützen

Zum Beispiel kann der Fokus auf Startups mit zukunftsweisenden Technologien oder neuen Materialien gelegt werden, die speziell auf eine Verbesserung der Unternehmensprodukte abzielen. Zudem kann vermehrt nach Startups gesucht werden, die sich auf Produktionstechnologien in betrieblichen Abläufen wie der Fertigung oder der Logistik spezialisieren. Startups mit innovativen Lösungen für Geschäftsprozesse, wie z.B. für das Personalwesen oder die Finanzabteilung, können auch eine bedeutende Rolle spielen.

Im Unternehmensumfeld wird grundsätzlich zwischen zwei Innovationstypen unterschieden. Auf der einen Seite können durch die Startup-Lösung Produktinnovationen vorangetrieben werden, wodurch die Eigenschaften bzw. der Verwendungszweck neu definiert bzw. wesentlich verbessert wird. Dazu gehören einschlägige Veränderungen der technischen Spezifikationen, Komponenten und Materialien, der verwendeten Software, der Benutzerfreundlichkeit oder der funktionalen Eigenschaften. Dagegen bedeuten Prozessinnovationen die Implementierung eines neuen bzw. erheblich verbesserten industriellen oder geschäftlichen Prozesses. Dieser beinhaltet in der Regel wesentliche Änderungen von Techniken, Anlagen oder Software.

Struktureller Aufbau der KPIs zur Business Impact Berechnung

Diese beiden Innovationstypen können wiederum in unterschiedliche Projektkategorien unterteilt werden. Da jede dieser verschiedenen Projektkategorien für einen bestimmten Business Case gilt, sind grundsätzlich mehrere Parameter erforderlich. Die Komplexität dieses Ansatzes unterstreicht deshalb die Notwendigkeit für einen vielfältigen und heterogenen Satz an Parametern. Darauf basierend müssen die KPIs, entsprechend dem jeweiligen Use-Case, aus dem Pool mit den heterogenen Parametern gebildet werden, um die verschiedenen Innovationstypen abbilden zu können. Jede Projektkategorie besteht demnach aus einem bestimmten Parametersatz, der zu neuen und konsistenten KPIs kombiniert werden muss, anstatt bestehende KPIs aus dem Unternehmen zu verwenden, die nicht passend bzw. anwendbar sind. Dabei ist jeder Parametersatz so allgemein wie möglich und so detailliert wie nötig gehalten, um sie auf alle möglichen Startups innerhalb der jeweiligen Kategorie flexibel anwenden zu können, aber gleichzeitig alle notwendigen Parameter abzudecken. Auf Grundlage der Definition dieser verschiedenen Parametersätze sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Startup-Fälle innerhalb einer Projektkategorie unterscheiden können, müssen nicht in jedem Fall alle Parameter angewendet werden, können es aber. Außerdem wird hervorgehoben, dass entsprechend des jeweiligen Use-Cases sowie konzipierter KPI diese Parameter einen unterschiedlichen Hebel haben können.

Nach Berechnung des Business Impacts für die verschiedenen Startup-Projekte innerhalb eines Unternehmens findet eine fortlaufende Priorisierung der Projekte statt. Dadurch kann die VCLU ihre Ressourcen für die vielversprechendsten Startup-Projekte entsprechend planen und einsetzen. Zudem kann vermieden werden, dass es zu verpassten Chancen kommt, wenn Projekte mit potentiell großem Business Impact weniger priorisiert werden. Aus der empirischen Untersuchung geht auch hervor, dass die Berechnung der Amortisationszeit für die Business Units eine äußerst aussagekräftige und somit wichtige KPI ist. Daher wird im Rahmen des KPI-Frameworks auch berechnet, wann sich die jeweilige Anfangsinvestition der Startup-Lösungen rechnen wird. Im Hinblick auf eine erfolgreiche Adoption bzw. Skalierung der Startup-Lösung im Unternehmen, kann das KPI-Framework auch auf einen konzernweiten Roll-out angewendet werden.

Implementierung des KPI-Frameworks

Auf Grundlage unserer Erfahrungen mit vielzähligen Kunden empfehlen wir, dass zu Beginn des VCaaS die Verantwortung für die Berechnung der KPIs mit dem quantitativen Modell und deren Dokumentation bei der VCLU liegt. Diese verantwortet dabei die Moderation des gesamten Prozesses sowie das KPI-Tracking zwischen den BUs und den Startups so lange bis sich ein Startup-Projekt in der Proof-of-Concept-Phase befindet. In diesem Zusammenhang kann sich die VCLU einen konkreten Überblick über alle laufenden Startup-Projekte innerhalb des Unternehmens verschaffen und hat somit ein umfassendes Bild für etwaige Verbesserungspotenziale des KPI-Frameworks. Die VCLU ist somit in der Lage, sowohl die Rahmenlogik als auch das quantitative Modell der Business Impact KPIs kontinuierlich weiterzuentwickeln. Sobald ein Startup-Projekt anschließend in die Adoptionsphase übergeht, sollte die Verantwortung für die Berechnung der KPIs und die zugehörige Dokumentation an den jeweiligen Projektleiter innerhalb der BUs übertragen werden. Das Controlling dieser KPIs sollte in einer vorab abgestimmten Frequenz zwischen VCLU und BU durchgeführt werden, um den entsprechenden Business Impact fortlaufend bestimmen und transparent aufzeigen zu können.

Das vorliegende Fallbeispiel zeigt, wie die Venture Client Unit (VCLU) eines global tätigen Baustoff-Unternehmens bei der gezielten Lösung von strategischen Problemen des Konzerns ansetzt und eine effiziente Ausführung gewährleistet. Bei dem betrachteten Projekt handelt es sich um die Automatisierung der Datenextraktion aus eingehenden Rechnungen zur direkten Weiterverarbeitung im Accounts Payables Prozess.

Fallstudie

Im Beispiel des betrachteten Unternehmens führt eine dezentral organisierte Zusammenarbeit mit internationalen Lieferanten zu einer hoch komplexen Lieferkette. Fehlende Standards und uneinheitliche Prozesse in der Verarbeitung von eingehenden Rechnungen verursachen hohe Aufwände in der manuellen Aufnahme und Verarbeitung der darin enthaltenen Informationen. Dieser fehleranfällige und zeitaufwändige Prozess führt zu Gesamtunternehmenskosten in Höhe von €3 Mio. per annum.

Startup Discovery

Nach initialer Identifikation der Herausforderung, unterstützt die VCLU bei der Präzisierung des Problems, der Identifikation und Bewertung von potentiellen Startups sowie der Evaluation der besten Lösung in einem Pilotprojekt.

Im Rahmen des Problem Deep Dives präzisiert die VCLU gemeinsam mit dem Fachbereich die Problemstellung, formuliert Anforderungen an eine potentielle Lösung und definiert den potentiellen Business Impact auf die Organisation. Darüber hinaus wird eine erste Recherche durch die VCLU durchgeführt und das resultierende Startup-Potential abgeschätzt. Der Problem Deep Dive bildet zugleich die Grundlage für das Startup Sourcing, in dessen Rahmen passende Startups gesucht und identifiziert werden. Diese werden in einem zweiten Schritt auf Basis verschiedener Faktoren geclustert und hinsichtlich Ihrer Reife und Lösung bewertet. Im Rahmen der Fallstudie wurden im Sourcing unter Anderem folgende Anforderungen berücksichtigt:

  • Die automatisierte Erkennung und Verarbeitung von handschriftlichen Texten
  • Die Fähigkeit, verschiedene Sprachen zu verarbeiten
  • Die Nutzung von maschinellem Lernen, zur kontinuierlichen Systemverbesserung

Startup Assessment

Auf dieser Basis wurden insgesamt neun Startups identifiziert und nach mehrfacher Iteration mit dem Fachbereich zwei Startups zu Product Demos eingeladen. Teilnehmer der Product Demo Termine sind neben dem Startup und dem Fachbereich häufig auch die IT oder andere Enabler-Funktionen. In diesem Rahmen wird über die Qualifikation der Firmen geurteilt und das geeignetste Startup für ein Pilotprojekt ausgewählt.

Startup Evaluation

Im Anschluss an die Auswahl des best geeignetsten Startups werden die Ziele des Pilotprojekts, die zu prüfenden Hypothesen sowie die zentralen KPIs durch den Fachbereich festgelegt. Diese werden neben den zentralen Projektphasen in einem RfP festgehalten und dem Startup zur Verfügung gestellt. Die VCLU übernimmt dabei eine orchestrierende Funktion und führt den Fachbereich durch den Erstellungsprozess. Auf Basis des RfPs erhält die VCLU ein erstes Angebot und gibt die daraus resultierende Bestellung auf.

Im Rahmen des Pilotprojekts wurden mehr als 500 Rechnungen in drei Sprachen analysiert und deren Felder mit einer beeindruckenden Präzision von über 93% korrekt identifiziert. Daraus ergaben sich Kosteneinsparungen von mehr als 50% und eine Zeitersparnis von über 70% pro verarbeiteter Rechnungsseite. Die Einsparungen ergeben sich aus der sequentiellen Automatisierung der Dokumentenverarbeitung und der daraus resultierenden, erhöhten Produktivität pro FTE.

Datenerfassung von strukturierten und unstrukturierten Dokumenten durch Deep Learning
Abbildung 4: Datenerfassung von strukturierten und unstrukturierten Dokumenten durch Deep Learning

Zusammenfassend: Durch die enge Zusammenarbeit mit der VCLU konnte der Fachbereich innerhalb von 3 Monaten ein Pilotprojekt mit einem Startup aufsetzen und ein strategisch hoch relevantes Problem lösen. Insgesamt konnte ein potentieller Business Impact in Form von Kosteneinsparungen in Höhe von €3 Mio. p.a. adressiert und der Zeitaufwand um 70% reduziert werden. Der neue Lieferant hat in der Zwischenzeit weitere 10€ Mio. Venture Capital Funding aufgenommen, die in die Weiterentwicklung der Lösung fließen werden. Zwischen dem Erstkontakt mit dem Startup und dem globalen Rollout der Lösung sind weniger als 8 Monate vergangen. Im Dashboard des Analytic Tools können zentrale KPIs der Venture Client Unit zu jeder Zeit transparent eingesehen werden. Zu den zentralen Kennzahlen gehören beispielsweise das kumulierte Business Impact Potential der einzelnen Projekte sowie die Schnelligkeit in der Realisierung von neuen Pilotprojekten.

Fazit

Die vorliegende Fallstudie belegt, wie eine VCLU die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch die Erschließung von innovativen Startup-Lösungen fördert. Im Falle des betrachteten Baustoffkonzerns konnte innerhalb von wenigen Monaten, unter Einsatz von limitierten Ressourcen, ein strategisches Problem gelöst und Einsparungspotential in Höhe von mehreren Millionen Euro realisiert werden.

Vielen Dank an die Co-Autoren Mathias Weber und Harald Hoepffner.

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Autor

Jens Hofmeister

Jens ist Leiter von Fahrenheit 212 Mitteleuropa. Er arbeitet eng mit Kollegen aus unserer Designmarke IDEAN und mehreren Start-ups zusammen, um Innovationsprojekte für Top-Kunden zu fördern und damit neue gewinnbringende Geschäftsprozesse zu generieren. Jens ist der festen Überzeugung, dass die meisten Innovationsprojekte scheitern, weil Unternehmen nicht genug Aufmerksamkeit auf organisatorische Veränderungen verwenden, um Innovationen endlich zu verwirklichen.