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Standardisierung im Private Banking: Mehr Zeit für Millionäre – und solche die es werden wollen

Carina Leidig
13. Feb. 2024

Millionäre sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren: Erstmals seit über 10 Jahren ist in Deutschland sowohl die Anzahl sehr vermögender Personen (Ultra-high-net-worth Individuals – UHNWI) als auch die Summe ihrer Vermögenswerte gefallen, so der aktuelle World Wealth Report.

Was heißt das nun für ihre Bänker? Dass von Panik noch nichts zu spüren ist, könnte daran liegen, dass der Markt für das Geschäft mit Wohlhabenden (Affluent), Reichen (HNWI) und Ultrareichen (UHNWI) nicht komplett verteilt ist, ganz im Gegenteil: Es gibt durchaus Wachstumsfelder im Geschäft mit anspruchsvollen Kunden. Wenn man versteht, was ihnen derzeit fehlt- und wie Finanzdienstleister und Vermögensverwalter diese Sonderleistungen im Tagesgeschäft unterbringen.

Der Capgemini Wealth Report 2023 zeigt, dass wohlhabende Kunden durchaus Services erwarten, die bisher eher Ultrareichen vorbehalten sind. Dazu gehören vor allem persönliche Beratung und Transparenz, etwa durch den Einsatz attraktiver Vermögensverwaltungsprodukte und digitale Services zur Vermögensdarstellung, Portfoliokontrolle und für Mittelbewegungen.
Allerdings wird dies derzeit, zumindest im deutschen Affluent-Markt noch nicht flächendeckend angeboten.

Bild 1: Ansprachepräferenzen nach Kanal – Persönlicher Kontakt ist immer noch Prio 1

Vermögende Kunden erwarten mehr Service

Es gibt zwar eine Vielzahl von digitalen Vermögensverwaltungen, diese erfüllen aber nur selten den Anspruch vermögender Kunden. Zudem sind diese „Robo Advisors“ in der Regel für den Kunden kostenaufwändig (jährliche Depotkosten zwischen 0,40% und 1,00% zzgl. Produktkosten für die enthaltenen Investmentvehikel). Diese und weitere Anlageprodukte sind tendenziell eher für den Retailkunden, als für das gehobene Privatkundensegment entwickelt worden.
Auf der anderen Seite, im Segment der HNWI-Kunden wurden Vermögensverwaltungen etabliert, bei denen eine persönliche Beratungsleistung angeboten wird und bei denen individualisierbare Anlagestrategien zum Einsatz kommen.

Nach unserer Studie sind Kunden im Affluent Banking offen für Anlagekonzepte, die im Rahmen einer qualifizierten, persönlichen Beratung vermittelt werden. Hier scheinen aber die Angebote derzeit noch nicht dem Kundenbedarf zu entsprechen, denn lediglich 18% der Affluent-Kunden zeigen sich zufrieden mit ihren derzeitigen Vermögensverwaltungsanbietern. Interessant ist das Ergebnis, dass sich 76% der Affluent-Kunden ein entsprechendes Vermögensverwaltungsangebot ihrer Retail-Banken wünschen. Diese beiden Zahlen zeigen das Potenzial auf, das im Cluster der Affluent-Kunden vorhanden ist.
Aber ist es überhaupt leistbar, eine hohe Zahl von Kunden im Affluent-Segment mit entsprechenden Vermögensverwaltungsdienstleistungen zu bedienen?

Bild 2: In Europa wird das gehobene Privatkundensegment noch häufig von Retailbanken adressiert

Persönliche Beratung mit technischer Unterstützung skaliert potenziellen Kundenkreis von Banken & Co.

Dies kann durch den Aufbau von digitalen Plattformen gelingen. In einer persönlichen Beratung durch gut ausgebildetes Personal werden mithilfe digitaler Unterstützung der exakte Kundenbedarf und die Anforderungen an ein Vermögensverwaltungsprodukt ermittelt. Die Ausarbeitung des Risikoprofils des jeweiligen Investors steht dabei im Mittelpunkt, verbunden mit der Abfrage der Merkmale zu seinen Anlagezielen, Kenntnissen und Erfahrungen und zu seiner Risikotragfähigkeit. Ebenso wird ermittelt, ob und welchen Anspruch das Vermögensanlagekonzept hinsichtlich der Nachhaltigkeitskriterien erfüllen muss.

Bei einer solchen Beratung fließen Elemente des Financial Planning, des Portfolio Managements, des Portfolio Monitorings (Reporting, Analysen) und die Zuverfügungstellung klassischer Bankdienstleistungen wie z.B. die Lombardierung von Portfolien ein. Der Anleger erhält also eine hochwertige, persönliche Beratung, die durch eine technische Plattform unterstützt und somit mengentauglich gemacht wird. Durch die Digitalisierung erfolgt eine Standardisierung von Prozessen während der Beratungsphase und vor allem dann in den nachgelagerten Prozessen zur Bereitstellung der Anlagelösungen, des Managements der Kundenportfolien und der Generierung von Reports. Ebenso hilft die Digitalisierung und damit die Standardisierung bei der Bereitstellung von Informationen für den Anleger, so dass er sich 24/7 über den Status seiner Vermögenswerte informieren kann.
Nur über die digital unterstützend und standardisierten Prozesse können hohe Fallzahlen durch die einzelnen Anbieter verarbeitet werden. Die Vernetzung von analogen Services, wie Beratungsleistungen am Point of Saleit digitalen Services liefert Synergien und ermöglicht den Kontakt zu den jeweiligen Anlegern.
In Deutschland besteht im Affluent Banking deutliches Absatzpotenzial für die oben beschriebenen Vermögensverwaltungsdienstleistungen. International ist die Entwicklung bereits weiter vorangeschritten, so hat Morgan Stanley die klassische Vermögensverwaltung, die im Wealth Management angeboten wird, mit Services des übernommenen Brokers E*Trade kombiniert und bietet dies im Affluent Segment an: Professionelle Vermögensverwaltung in Kombination mit persönlicher Beratung und digitalen Services. UBS hat im Oktober 2022 für den Affluent Markt in China eine entsprechende Plattform etabliert. Vontobel hat ebenfalls eine entsprechende Plattform-Strategie umgesetzt und bietet Affluent-Kunden umfangreiche Dienstleistungen an, die ansonsten nur im Private Banking oder im Wealth Management zu finden sind.

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Aber wo liegt der Unterschied zu den Angeboten der Robo-Advisors?
Ganz klar im Service und in der Ausgestaltung der jeweiligen Vermögensverwaltungsprodukte. Angefangen von der Möglichkeit der persönlichen Beratung über eine Individualisierbarkeit der Vermögensverwaltung hin zu der Verknüpfung mit anderen Bankdienstleistungen erhalten Kunden Services, die bislang nur Private Banking- oder Wealth Management-Kunden zur Verfügung gestellt wurden. Der Service ist – neben der guten Wertentwicklung der Vermögensverwaltung – maßgeblich für die Kundenbindung. Wer über eine solche Plattform verfügt, die Services und klassische Bankdienstleistungen miteinander verbindet, beherrscht in der jeweiligen Kundenbeziehung die Kundenschnittstelle und kann künftig bestimmen, ob und welche weiteren Services zugänglich gemacht werden. Schließlich geht es im Banking, wie in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens aus der Sicht der Verbraucher mehr und mehr um das jeweiligen Kunden-Erlebnis. Und dieses wird umso besser, je besser sich die Angebote der Finanzdienstleister sich in die Lebenskontexte der Kunden einbetten. 76% der im Rahmen des Capgemini Wealth Reports 2023 befragten Führungskräfte bei Vermögensverwaltern gaben an, dass die Verbesserung des Kundenerlebnisses von entscheidender Bedeutung für das Gewinnen und das Behalten von Geschäftsbeziehungen ist.

Im Deutschen Affluent Markt gibt es Kundenanforderungen, die heute noch nicht ausreichend von den Anbietern bedient werden. In diesem Kundensegment ist das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft und die Verteilung des Marktes ist noch nicht erfolgt. Anbieter werden Marktanteile für sich gewinnen, die über eine entsprechende Plattform verfügen, um qualitativ hochwertige Services, das Generieren von persönlichen Kundenansprachen in großer Menge anbieten zu können. Nur durch die technischen Unterstützungen werden die Berater der Finanzdienstleister in die Lage versetzt, die Zeit für Kunden- / Anlageberatungen signifikant zu erhöhen. Derzeit werden 67% der Arbeitszeit für administrative Tätigkeiten eingesetzt; Zeit, die für die aktive Ansprache / Akquise und Beratung von Kunden fehlt. Die technische Plattform entlastet die Berater nach der Akquise bei der Informationsbereitstellung, bei der Ansprache von Kunden im laufenden Geschäftsbetrieb und selbstredend bei der Portfolioverwaltung.

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Autorin

Carina Leidig

Director Banking Transformation
Carina Leidig ist leidenschaftliche Beraterin und Strategin und eine treibende Kraft, um den Wandel im Banking von der Konzeption bis zur Umsetzung nachhaltig zu gestalten. Dabei greift sie auf rund 20 Jahre Erfahrung in Banken und Beratung zurück. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind Asset und Wealth Management, Nachhaltigkeit, Sustainable Finance sowie Strategieentwicklung & Transformation.