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Software Lifecycle Management: Die Zukunft für Tier-1-Zulieferer und Chiphersteller

Steffen Krause
01. Sept. 2025

Die Transformation der Automobilindustrie zu einem softwaredefinierten, Cloud-vernetzten Mobilitätsökosystem verändert nicht nur die OEMs, sondern gestaltet auch die gesamte Lieferkette grundlegend um. Im Zentrum dieses Wandels stehen Tier-1-Zulieferer und Halbleiterhersteller, die nicht mehr nur Lieferanten von Hardwarekomponenten sind. Sie sind jetzt strategische Partner bei der Orchestrierung des Software-Lebenszyklus.

Die Entwicklung hin zu „Chip-to-Cloud“ ist nicht nur ein technologischer Wandel, sondern eine Paradigmenrevolution, die ein völliges Umdenken hinsichtlich der Wertschöpfung, Validierung und Bereitstellung im gesamten Automobil-Ökosystem erfordert. Im Zentrum dieser Transformation steht ein Software Lifecycle Management (SLM) als Bindeglied, welches die Governance-Ebene, die Hardware, Software und Cloud-Services miteinander verbindet.

Die neue Rolle der Tier-1-Zulieferer und Chiphersteller: Das Ökosystem orchestrieren

Im Zeitalter der Software-Defined-Technologien entwickeln sich Tier-1-Zulieferer und Chiphersteller zunehmend zu Systemintegratoren und Plattformanbietern. Sie schaffen Mehrwert, indem sie einen Ende-zu-Ende-Software-Lebenszyklus ermöglichen. So bieten Zulieferer und Chiphersteller mittlerweile Referenzarchitekturen mit SLM-konformen Toolchains, Cloud-basierte Entwicklungs- und Testumgebungen, Over-the-air (OTA)-Management-Plattformen sowie flottenweite Diagnose und Analyse über Cloud-Integration. Dieser Wandel bedeutet, dass SLM nicht mehr nur ein Anliegen der OEMs ist, sondern zu einer gemeinsamen Verantwortung der gesamten Lieferkette werden muss.

Software-Lifecycle Management und die neuen Methoden für die KI-First-Entwicklung

Um das Potential von KI in der Automobilsoftware voll auszuschöpfen, muss die Branche noch weiter über traditionelle Modelle (z.B. V-Model)und sogar Agile hinausgehen. Es entsteht eine hybride, KI-native Engineering-Methodik, welche Agile, DevOps, MLOps und Left-Shifted-KI-Validierung miteinander verbindet. Nachfolgend einige Beispiele, welche die Notwendigkeit eines SLM-basierten Ansatzes in der Fahrzeugentwicklung weiter verdeutlichen:

  • Left-Shifted AI Development: Anstatt auf die endgültige Hardware zu warten, werden KI-Modelle in virtualisierten Umgebungen früh im Lebenszyklus trainiert und validiert. Gen AI beschleunigt dies durch das Generieren virtueller Sensordaten, Verkehrsmuster und Umgebungsbedingungen, um Modelle schneller zu trainieren und effizient nutzbar zu machen.
  • MLOps für KI im Automobilbereich: So wie DevOps die Softwarebereitstellung automatisiert, automatisiert MLOps den Lebenszyklus von KI-Modellen durch:
    • Modelltraining und Versionierung
    • Kontinuierliche Integration von KI-Modellen
    • Automatisierte Validierung und Sicherheitszertifizierung
    • Over-the-Air-Bereitstellung (OTA) mit Rollback-Mechanismen
  • Human-in-the-Loop (HITL) KI-Validierung: KI-generiertem Code und KI-Modellen kann nicht blind vertraut werden. Menschliche Ingenieure müssen die KI-Ergebnisse validieren, interpretieren und verfeinern. So entsteht eine kollaborative Feedbackschleife: Die KI generiert, Ingenieure überprüfen und die KI lernt, was zu höherer Sicherheit und Zuverlässigkeit führt.

Die Herausforderung: Vertrauen, Sicherheit und Governance

Wenn KI-Code generiert und zentrale Fahrzeugfunktionen (z.B. ADAS/AD-Systeme) steuert, sind Vertrauen und Sicherheit essentiell.

  • Transparenz und Erklärbarkeit der KI: KI im Automobilbereich muss erklärbar sein – insbesondere bei sicherheitskritischen Entscheidungen.
  • Sicherheit und Integrität: KI-generierter Code darf nicht anfällig für Cyber-Angriffe sein. KI muss anhand ethisch einwandfreier, vielfältiger und repräsentativer Datensätze trainiert werden, um Diskriminierung oder Ausfälle in der Praxis zu vermeiden.
  • Harmonisierung von Vorschriften und Zertifizierungen: Regulierungsbehörden (z.B. NHTSA, Euro NCAP, UN R157) beginnen bereits, sich mit KI in Fahrzeugen zu befassen. SLM muss nun die Zertifizierung von KI-Modellen, Versionskontrolle und Audit-Trails umfassen.

Der Weg in die Zukunft

Mit der Entwicklung der Automobilindustrie zu einem globalen Mobilitätsökosystem wird der Wert von Software und Konnektivität den von Hardware übersteigen. Die Gewinner werden nicht die Unternehmen mit den besten Chips oder den leistungsstärksten Motoren sein, sondern diejenigen, die sichere, zuverlässige und kontinuierlich weiterentwickelte Software in großem Maßstab liefern können. Diese Fähigkeit beginnt mit einem effizienten SLM, nicht nur im Entwicklungslabor des OEM, sondern auf allen Ebenen der Lieferkette als Katalysator für diesen Wandel.

Bei künftigen Fahrzeugen wird Software durch kontinuierliches Lernen, Echtzeit-Updates und schnelle Iterationen das gesamte Nutzererlebnis bestimmen. Im Wettlauf um Innovationen ist der Software-Lebenszyklus nicht nur ein Prozess, sondern wird zu einem tatsächlichen, sich weiterentwickelnden, langfristigen Produkt und damit unverzichtbaren Mehrwert für Kunden.

Beispielsweise das V-Modell, technische Exzellenz, softwaredefinierte Fahrzeugarchitekturen, Cloud-native Methoden und Tools für die Automatisierung sowie KI bilden die Grundlage für die nächste Ära der softwaredefinierten Mobilität. Diese Mobilität basiert auf intelligenten, anpassungsfähigen und kontinuierlich lernenden Ökosystemen, die von KI angetrieben, durch SLM gesteuert und in Zusammenarbeit von Mensch und Maschine aufgebaut werden.

Vielen Dank an meinen Co-Autoren Christian Meffert.

September 9 – 12, 2025 | Wenn Sie mehr zum Thema erfahren möchten, besuchen Sie uns gerne auf der IAA Mobility 2025.

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Autor

Steffen Krause

Steffen Krause

Senior Director | Software Defined Vehicle | Capgemini Invent
Ich bin ein echter Generation-X-Nerd, ein digitaler Native durch und durch und absolut begeistert von allem, was mit Mobilität zu tun hat. Seit über 20 Jahren arbeite ich als Softwarearchitekt und Berater in verschiedenen Branchen und habe mich dabei immer mehr auf die Zukunft der Automobilindustrie spezialisiert. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft softwaregesteuert ist, und teile meine Leidenschaft gerne als Redner auf internen und externen Events.