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Transformation auf dem Shopfloor:
Mithilfe von Digitalisierung zu Produktionsoptimierung, Kosteneffizienz und erfüllten Kundenanforderungen

Murat Usta
08.08.2024
capgemini-invent

Die anhaltende Inflation, hohe Energiepreise und Engpässe in der Lieferkette sorgen für einen hohen Kostendruck für produzierende Unternehmen. Das sorgt, zusammen mit der knappen Verfügbarkeit von Ressourcen, für einen geringen Handlungsspielraum, wichtige Transformationen auf dem Shopfloor voranzutreiben. Transformationen die notwendig sind, um die Produktion zu optimieren und wettbewerbsfähig produzieren zu können. Das stellt die Unternhemen vor die Herausforderung, ausreichend Ressourcen und Budget für die Transformation bereitzustellen, während die laufenden Betriebskosten gesenkt werden müssen. Dadurch müssen Transformationen auf dem Shopfloor effizient, praktikabel und schnell kostenwirksam sein.

Es gibt viele Unternehmen, die interessante, innovative Ansätze verfolgen, um die Produktion mit intelligenten Lösungen zu verbessern. Fehlende Kostenorientierung und unzureichende Planung und Steuerung sind dabei die Hauptprobleme. Bevor neue Technologien effektiv und flächendeckend implementiert werden können, müssen grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören klare Prozesse, einheitliche Datenstandards und -transparenz sowie die Digitalisierung der Prozesse und Zusammenarbeit selbst, um den Austausch über Excel-Listen, E-Mails und Dokumente zu reduzieren, die leider immernoch viel zu häufig verwendet werden.

Die Bedeutung und Potentiale einer digitalen, datengetriebenen Produktion werden weit unterschätzt. Bereits das „transparent-machen“ der Daten ist ein enormer Hebel, schnelle Kosten- und Effizienzpotentiale zu realisieren. Insbesondere im Qualitätsmanagement nehmen Daten und Datenanalyse eine immer größere Rolle ein. Sie ermöglichen, die faktische Auswertung von komplexen Abläufen und Zusammenhängen wie Engpässen, Fehlerquellen, Anomalien, Trends und vieles mehr über verschiedenste Ebenen hinweg sichtbar zu machen, um Fehler und Ineffizienzen frühzeitig abzustellen und damit Kosten zu senken.

Um eine datengetrieben Produktion zu verwirklichen, ist ein ganzheitlicher Ansatz unerlässlich. Es hat sich bei unseren Projekten gezeigt, das wir häufig bei den Grundlagen anfangen müssen, bevor wir die großen Themen und Technologien effektiv und zielgerichtet umsetzen können. Unser drei-stufiger Ansatz sorgt dabei für Transparenz und Struktur und ermöglicht eine effiziente, kostenoptimierte Transformation auf dem Shopfloor:

1. Unter dem Leitspruch „Getting the basics right“ geht es um Standardisierung und Vereinfachung

Ziel dieser ersten Stufe ist es, (a) die Grundlagen für die Digitalisierung zu legen und (b) erste Effizienz- und Kostengewinne zu realisieren. Durch Standardisierung von Abläufen, Prozessen und Schnittstellen werden Mehrarbeit, Kosten und Fehler reduziert. Durch Vereinfachung können Ausschuss, Durchlaufzeit und die Effizienz verbessert werden. Dazu werden die Prozesse standardisiert und optimiert, Schnittstellen definiert und das Zusammenarbeitsmodell und Verantwortlichkeiten geschärft. Ein einheitliches Datenmodell und klare Prozesse legen die Grundlage für eine flächendeckende Digitalisierung in der nachfolgenden Stufe 2.

Beispiel:

Ein Beispiel aus der Qualitätsüberwachung verdeutlicht diesen Ansatz: Es gilt, erforderliche Daten und Informationen, Schnittstellen, Datenquellen, Reaktionspläne sowie Eingriffsgrenzen etc. zu definieren. Darüber hinaus müssen schlanke Prozesse sowie Prüfkriterien, -prozeduren und -intervalle festgelegt werden, die werks- und linienübergreifend standardisiert erfasst und dokumentiert werden. Die Prüfergebnisse werden regelmäßig ausgewertet und berichtet.

2. Mit „Drive digital synergy and efficiency” folgt der Fokus auf Integration und Transparenz

Nachdem die Grundlagen gelegt wurden, besteht der nächste Schritt darin, Prozesse und Abläufe flächendeckend zu digitalisieren und in die bestehenden Schnittstellen zu integrieren. Schnittstellen sind hierbei in verschiedenen Dimensionen zu betrachten: Zum einen vertikal, also die Schnittstellen der Systeme (z.B. die Anbindung von Sensorik, Maschinen und Systemen), und zum anderen horizontal entlang der Wertschöpfungskette (z.B. Logistik, Produktionsplanung, Instandhaltung). Diese Integration ermöglicht eine gesteigerte Transparenz in der Produktion und fördert durch Analysen die Identifikation von Optimierungspotenzialen, wie beispielsweise die Reduktion der Durchlaufzeit, Materialeinsparungen, Leistungsoptimierung von Maschinen und verkürzte Reaktionszeiten bei Unterbrechungen.

Beispiel:

Beim Beispiel der Qualitätsüberwachung bleibend, bedeutet das, dass die Informationen digital verwaltet, gesteuert und erfasst werden. Neben den manuellen Prüfungen werden zudem Informationen von Sensoren, Kameras und Maschinen mit aufgenommen und bei der Überwachung berücksichtigt. Dabei werden bereits umfangreiche und automatisierte Analysen durchgeführt welche in Dashboards abgerufen werden können.

3. Unter „Forstering full potential at scale” verstehen wir die Nutzung von Intelligenz und Automatisierung

Mit der Nutzung von Intelligenz und Automatisierung lässt sich ein Quantensprung hinsichtlich Effizienz und Optimierung in der Produktion realisieren. Je besser die Vorarbeit der beiden vorherigen Stufen geleistet wurde, um so mehr und einfacher profitiert man nun bei der Einführung innovativer Lösungen und Technologien. Intelligente Lösungen wie KI bieten neue, schnellere und bessere Möglichkeiten im Bereich Analyse und Automatisierung, aber auch im Bereich Zusammenarbeit und Fokussierung von Mitarbeitern auf wertschöpfende Tätigkeiten.

Beispiel:

Bezogen auf die Qualitätskontrolle bedeutet das: eine automatisierte und KI-gestützte Durchführung der Prüfungen, eine erweiterte Datenanalytik für tiefere Einblicke in die Fertigungsprozesse und damit eine proaktive Qualitätskontrolle. Durch die vernetzten Sensoren, Maschinen und Systeme können Daten in Echtzeit erfasst werden, um schnell und intelligent zu reagieren und Fehler bereits vor der Entstehung vorzubeugen. Der Reaktionsplan erfolgt ebenfalls automatisch und bedarf nur in Ausnahmefällen eines Eingriffs von außen.

Bei unseren Kunden sind die unterschiedlichen Transformationsstufen in den Produktionsbereichen oft nicht klar voneinander abgrenzbar. Dies liegt daran, dass neue Technologien, wie visuelle Kameras oder Sensorik, zwar implementiert wurden, deren Potenziale jedoch nicht effizient genutzt werden können, da es an einer Standardisierung der Prozesse und Verantwortlichkeiten mangelt. Folglich sind auch die Transformationsstufen nicht scharf zu trennen und können sich in verschiedenen Aspekten unterschiedlich schnell entwickeln. Daher ist es entscheidend, dass die Aktivitäten abgestimmt und in der richtigen Sequenz erfolgen, um Voraussetzungen und Abhängigkeiten zu berücksichtigen und Transformationsaktivitäten ganzheitlich und effizient zu steuern.

Neben den drei Stufen der technologischen Transformation gewinnt die kulturelle Transformation in der Produktion und insbesondere im Qualitätsmanagement zunehmend an Bedeutung. Unsere Erfahrung zeigt, dass Qualitätsmanagement im Produktionsumfeld nicht nur eine digitale Lösung oder eine Abteilung betrifft, sondern eine Frage der Unternehmenskultur ist. Qualität muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette “gedacht und gelebt” werden. Diese Transformation erstreckt sich über alle drei Stufen der technologischen Transformation und hat erhebliche Auswirkungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Es erfordert die Einbindung und Mitnahme der Mitarbeiter, die zukünftig mit den digitalen Lösungen arbeiten müssen. Nur wenn sie diese annehmen und verstehen, kann die Transformation erfolgreich sein. Die kulturelle Transformation zielt darauf ab, ein Umdenken bei den Mitarbeitern zu bewirken und Qualität nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance zur Verbesserung der eigenen Leistung und damit der Unternehmensleistung zu sehen.

Um trotz der wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Herausforderungen weiterhin die Digitalisierung der Produktion vorantreiben zu können, fokussieren wir uns mit unseren Kunden zunächst auf Projekte mit einem klaren Business Case und einem kurzen Return-on-Investment (ROI). Unsere Strategie beinhaltet die schnelle Implementierung von MVPs (Minimum Viable Products) in mehreren Werken. Dies ermöglicht uns, (a) schnell funktionierende Lösungen in verschiedenen Umgebungen zu etablieren und (b) direkte Kosteneinsparungen zu erzielen. Durch die parallele Umsetzung in mehreren Standorten wird ausreichend Kapital freigesetzt, um weitere Projekte zu refinanzieren.

Diese Refinanzierungsstrategie ist entscheidend, um kurzfristig erste Erfolge in der Digitalisierung zu realisieren und mittel- und langfristig größere Investitionen zu ermöglichen (siehe Abbildung 1). Durch diesen Ansatz kann die Digitalisierung kontinuierlich finanziert und vorangetrieben werden. Zudem bietet er die Möglichkeit, Mitarbeiter sukzessive an die Transformation heranzuführen und durch erste Erfolge zu motivieren.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Refinanzierungsplans

Um die Transformation erfolgreich und schnell wirksam zu gestalten, muss sie den spezifischen Bedingungen und Reifegraden der jeweiligen Produktion angepasst werden. Eine abgestimmte und verständliche Vision, ergänzt durch eine Roadmap, bildet den Ausgangspunkt. Diese Roadmap sollte eine ausgewogene Mischung aus kleinen, schnellen Projekten zum Start und zur Refinanzierung sowie größeren Projekten für umfassende Veränderungen in der mittelfristigen Planung enthalten. Die Roadmap muss eine klare Sequenz aufweisen und alle relevanten Aspekte berücksichtigen: Abhängigkeiten, Ressourcenplanung (intern, extern und IT) sowie Budgetplanung (Business Case und jährlicher Benefit). Zudem ist ein klares Commitment aller Beteiligten unerlässlich – von der Führungsebene bis hin zum Shopfloor – um eine durchgehende Verbindlichkeit sicherzustellen.

Unser Experte

Murat Usta

Director | Intelligent Industry, Capgemini Invent Germany
Seit über 10 Jahren beschäftige ich mich mit der Digitalen Transformation meiner Kunden in den Sektoren Manufacturing, High-tech sowie Luft-und Raumfahrt. Dabei verantworte ich die Themengebiete Smart Quality und After Sales Services. Beide Themen haben eins gemeinsam: Datenbasiert und intelligent gesteuert verhelfen sie zu schlankeren Prozessen und einer höheren Qualität. In dem Zusammenhang unterstütze ich meine Kunden bei der Sicherung und Ausweitung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt.

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