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Governance Taxonomy der EU – Teil 2

Marco Meyer
15. Feb. 2023
capgemini-invent

Welchen Impact haben die regulatorischen Empfehlungen der PSF auf die Diversität des Vorstands & Aufsichtsrats sowie auf die Gender Pay Gap?

Im ersten Teil unserer Blogserie lag der Fokus auf dem ersten Oberziel des Final Report on Social Taxonomy der „EU Platform of Sustainable Finance“ (PSF) hinsichtlich der Corporate Governance, nämlich der Stärkung der Nachhaltigkeitsaspekte der traditionellen Governance. Die in diesem Rahmen relevanten regulatorischen Empfehlungen (1. nachhaltigkeitsbezogene Vorstandskompetenzen & 2. Transparenz und Anreize für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen) werden u.a. mittels einer ethisch orientierten Unternehmenskultur sowie durch die Verknüpfung einer transparenten Kompetenzmatrix basierend auf quantitativen sowie qualitativen ESG KPIs mit der Managementvergütung nachhaltig ermöglicht.

Welche weiteren regulatorischen Empfehlungen schlägt die PSF vor?

Die zweite Zielsetzung der PSF, welche sich auf die nachhaltige Stärkung von Corporate-Governance-Aspekten konzentriert, umfasst die regulatorische Empfehlung „Diversität des Vorstands & Aufsichtsrats“ und das damit im direkten Zusammenhang stehende geschlechtsspezifische Lohngefälle („Gender Pay Gap“).

Wie ist der aktuelle Stand der Geschlechtervielfalt und der Gender Pay Gap in der deutschen Finanzindustrie?

In den letzten Jahren wurden seitens des Gesetzgebers durch das Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) Maßnahmen verabschiedet, welche eine erhöhte Repräsentanz von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten fördern und im Aktiengesetz (AktG) verankert sind. Demnach müssen Vorstände von börsennotierten Gesellschaften, die gleichzeitig auch der Mitbestimmung unterliegen, mindestens eine Frau und ein Mann angehören (§ 76 Abs. 3a AktG). Aufsichtsräte solcher Gesellschaften müssen sich jeweils zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und Männern zusammensetzen (§ 92 Abs. 2 AktG). In jedem Fall müssen Aufsichtsräte von Gesellschaften, welche börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat und Vorstand festlegen (§ 111 Abs. 5 AktG).

Eine eigenständig durchgeführte empirische Analyse deutscher und europäischer Banken zeigt jedoch, dass die Frauenanteile bei deutschen Banken trotz dieser Regularien noch nicht auf einem Niveau mit europäischen Banken sind. Geschäftsführungsorgane deutscher Banken haben mit ca. 17% einen deutlich geringeren Frauenanteil als europäische Banken, bei denen mit durchschnittlich 39% mehr als ein Drittel der Führungsgremien mit Frauen besetzt sind.

Die Ungleichheit der Aufstiegschancen, die zu dieser Kluft bei der Vertretung von Frauen in Führungspositionen führt, hat eine Vielzahl kultureller und struktureller Ursachen, die jedoch in jedem Fall zu einem drastischen Unterschied in der Vergütung zwischen den Geschlechtern führen. Die sog. unbereinigte Gender Pay Gap über alle Branchen liegt in der EU im Durchschnitt bei 13%. Deutschland liegt mit 18% sogar weit über dem EU-Durchschnitt. (2) In der Finanzbranche ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle besonders hoch. Dieser liegt in der deutschen Finanzbranche bei 27% (3), wobei Asset Management und Investment Banking das größte Gefälle aufweisen.

Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene versuchen Gesetzgeber dieses Lohngefälle abzubauen. In Deutschland setzt die Institutsvergütungsverordnung (IVV) die Rahmenbedingungen der Vergütung in der Finanzbranche. Die aktuelle Fassung der IVV von 2021 besagt, “dass eine angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts ausschließen muss (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV)”. Leider bleibt die IVV konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Anforderung schuldig. Dies wird allerdings auf europäischer Ebene vorangetrieben. Im Dezember 2022 verständigte sich die EU mit den Mitgliedsstaaten auf die folgenden konkreten Anweisungen zur Minimierung der Gender Pay Gap, welche in der „EU Pay Transparency Directive“ (4) festgehalten sind:

  1. Arbeitsuchende müssen vor dem Vorstellungsgespräch über die Spanne des Einstiegsgehalt informiert werden.
  2. Auskunftsrecht für Arbeitnehmer über durchschnittliche Gehälter (geschlechter- und gruppenspezifisch).
  3. Arbeitgeber müssen Informationen über das geschlechtsspezifische Lohngefälle berichten.
  4. Gemeinsame Entgeltbewertung mit den Arbeitnehmern, falls das Lohngefälle nicht objektiv geschlechtsneutral gerechtfertigt werden kann.
  5. Beweislast liegt aufseiten des Arbeitgebers, wenn er seinen Transparenzpflichten nicht nachkommt.
  6. Mitgliedstaaten können Geldstrafen bei Verstößen verhängen.
  7. Arbeitnehmer haben das Recht auf Entschädigung bei geschlechtsspezifischer Diskriminierung.
  8. Vor Gericht können Arbeitnehmer durch Arbeitnehmervertreter oder Gleichbehandlungsstellen vertreten werden.

Diese Maßnahmen müssen in den nächsten drei Jahren von den Mitgliedsstaaten in die nationale Gesetzgebung übernommen werden.

Warum ist die Durchsetzung der Geschlechtervielfalt und Abschaffung der Gender Pay Gap wichtig?

Die Frauenquoten in Vorstand und Aufsichtsrat der deutschen Banken weichen stark voneinander ab. Führen die genannten gesetzlichen Anforderungen bei betroffenen Banken zur angestrebten Diversität in Führungsgremien, so gibt es jedoch bei Banken, die diesen Anforderungen nicht unterliegen, auch Vorstände ohne Frauenanteil. Dies hat zwar keine unmittelbaren monetären oder regulatorischen Auswirkungen für die jeweiligen Banken, kann unter anderem jedoch das ESG Rating, Performance- und Risikogrößen beeinflussen.

Vorhandene Gender Diversity in Führungsgremien nimmt einen direkten Einfluss auf das ESG Rating: Sowohl die Existenz beider Geschlechter als auch die Einhaltung von Geschlechterquoten von 30% übt in der Governance-Dimension einen positiven Effekt auf das ESG Rating aus. (5) Vor dem Hintergrund der immer weiter an Bedeutung gewinnenden ESG-Ratings werden “diverse” Führungsgremien somit zu einem festen Bestandteil eines guten ESG Ratings – und damit auch zu einem Pflichtkriterium für Banken.

Gender Diversity hat nicht nur Einfluss auf das ESG-Rating, sondern nimmt auch Einfluss auf die Performance von Banken. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Gender Diversity, ab einem gewissen Maß, einen positiven Einfluss auf die Performance von Banken hat. (6) Die Performance der Banken wurde in den Studien an Performancekennzahlen wie dem Return on Average Assets (ROAA), Return on Average Equity (ROAE) und der durchschnittlichen Aktienrendite gemessen. (7) Einige Studien analysieren konkret den Effekt von Gender Diversity auf die Nachhaltigkeitsperformance von Banken und stellen fest, dass Gender Diversity in Führungspositionen in Banken ein wichtiger Treiber für die ökologische Nachhaltigkeit in Banken ist. (8)

Des Weiteren finden andere Studien heraus, dass Gender Diversity das Risiko der Banken reduziert, da eine steigende Gender Diversity in Banken mit einer Reduktion in der Volatilität der Aktienmarktvolatilität einhergeht und damit Schwankungen in der Umternehmensleistung reduziert. (9) Dies wird unter anderem damit begründet, dass weibliche Führungskräfte risikoaverser sind und deswegen weniger riskante Entscheidungen für die Bank treffen. (10)

Vor allem aber wird in der künftigen Social Taxonomy die Bedeutung von Geschlechtervielfalt und Lohngleichheit besonders hervorgehoben. Indem diese Faktoren in die Bewertung des “Social Impact” eines Unternehmens einbezogen werden, erkennt die Taxonomie ihren Wert für die Schaffung einer gerechten und fairen Gesellschaft an. Unternehmen, die Geschlechtervielfalt und Lohngleichheit zu ihren Prioritäten zählen, profitieren von einer besseren öffentlichen Wahrnehmung, der Unterstützung durch Investoren und besseren Geschäftsergebnissen. Die Förderung der Geschlechtervielfalt und der gleichen Entlohnung ist somit nicht nur eine soziale Verantwortung, sondern auch ein sinnvoller unternehmerischer Schritt, der für alle Beteiligten zum Erfolg führen kann.

Wie kann ein Unternehmen eine Vorreiterrolle in Bezug auf Geschlechtervielfalt und Lohngleichheit einnehmen?

Die folgende Abbildung zeigt vier Dimensionen mitsamt Handlungsempfehlungen, die zusammen das umfassende Bild der Geschlechtergerechtigkeit im Arbeitsumfeld abbilden:

Vielen Dank an die Co-Autor*innen Kerem Cigerli, Anna Zerback & Florian Simon.

Quellen:

  1. European Commission (2022). The gender pay gap situation in the EU.
  2. Statistisches Bundesamt (2022). Gender Pay Gap.
  3. Willis Towers Watson (2022). Gender Pay Gap und Fair Pay in der Finanzbranche.
  4. European Commission (2022). Commission welcomes the political agreement on new EU rules for pay transparency.
  5. MSCI ESG Research LLC (2022). MSCI ESG Ratings Methodology: Board Key Issue.
  6. Pathan and Faff (2013). Does board structure in banks really affect their performance?
  7. Owen and Temesvary (2018). The performance effects of gender diversity on bank boards.
  8. Birindelli, Iannuzzi und Savioli (2019). The impact of women leaders on environmental performance: Evidence on gender diversity in banks; Post, Rahman and Rubow (2011). Green Governance: Boards of Directors’ Composition and Environmental Corporate Social Responsibility.
  9. Menicucci und Paolucci (2022). Gender diversity and bank risk-taking: an empirical investigation in Italy.
  10. Lenard, Yu, York und Wu (2014). Impact of gender diversity on firm risk.

Autor

Marco Meyer

Director | Head of Sustainability @Banking, Capgemini Invent Germany
Marco Meyer ist ein erfahrener Director mit mehr als 7 Jahren Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche und hat verschiedene (globale) Projekte in den Bereichen Risk, Regulatory und Data geleitet. Er leitet das Thema Nachhaltigkeit für die Finanzbranche. Seine Themenschwerpunkte sind die nachhaltige Transformation der Finanzbranche, die Konzeption und Umsetzung von ESG-Datenflüssen zur Verwendung in Kreditinstituten, die Zusammenarbeit mit Regulatoren sowie die globale Implementierung von E2E-Prozessen.

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