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OT und IT: (K)Eine Parallelwelten auf dem Shopfloor

Mirachandra Klostermann
03.07.2025
capgemini-invent

Operational Technology Service Management (OTSM) überträgt etablierte IT-Service-Prinzipien wie Incident-, Change- und Monitoring-Prozesse auf die Shopfloor-Umgebung. Das Ergebnis: schnellere Fehlerbehebung, höhere Transparenz, gesteigerte Sicherheit – und ein Verständnis von IT und OT als gleichberechtigte Partner. 

In vielen Industrieunternehmen existieren IT und OT oft noch als organisatorische und kulturelle Parallelwelt, in denen sich Webstandards, Produktionshardware und -schnittstellen wie Feuer und Wasser verhalten. Die OT (operative Technologie) als Wertschöpfung des Unternehmens, hat sich im Shopfloor als eigenständiges Systemuniversum, mit eigenem Personal, Anforderungen und oft proprietären Infrastrukturen entwickelt, während die Aufgabe der IT darin liegen sollte diese Wertschöpfung als Servicedienstleister zu begleiten, zu optimieren und zu vereinfachen.  

Allerdings zeigt die Praxis, dass Produktionssysteme häufig neben den Prozessen der zentralen IT laufen und es im Störfall an klaren Zuständigkeiten, strukturierten Abläufen und Transparenz fehlt. Die Folgen sind spürbar: durch ineffiziente Prozesse findet kein Datenaustausch zwischen Steuerungssystemen und Produktionsebenen statt, organisatorische und kontextuelle Silos erschweren die Zusammenarbeit. 

Warum OTSM mehr ist als „ITSM für die Produktion“

Operational Technology Service Management (OTSM) setzt genau hier an. Der Ansatz überträgt bewährte Prinzipien des IT Service Managements (ITSM) in die Welt der OT, passt sie aber den besonderen Gegebenheiten in der Produktion an. 

Worum geht es konkret?  

OTSM etabliert strukturierte Prozesse für den Betrieb, die Überwachung und die Veränderung von OT-Systemen, ähnlich wie im IT Service Management (ITSM), aber mit klarer Rücksicht auf Verfügbarkeitsanforderungen (Produktionsstillstand ist keine Option), Echtzeitanforderungen (z.B. bei Maschinensteuerungen), Sicherheitsaspekten, heterogenen Systemen und langen Lebenszyklen. 

Zentrale Elemente von OTSM sind zum einen das IT-gestützte Incident Management, das sich durch eine strukturierte (automatisierte) Störungsaufnahme, Eskalation und Priorisierung auszeichnet; das Problem Management für die Ursachenanalyse und nachhaltige Behebung wiederkehrender Fehler; Change Management für geplante, kontrollierte Änderungen an OT-Systemen sowie das Monitoring & Reporting für eine kontinuierliche Überwachung und letztendlich eine KPI-basierte Bewertung der OT-Landschaft. 

Zum anderen wird ein OT-System zur Kommunikation und standardisierten Anbindung zwischen dem Maschinenpark und Incident Management benötigt. Diese Vernetzung bindet die maschinentypischen Datenströme in IT-normierte, webfähige Formate ein und kann erste Filterungen und Analysen übernehmen. 

Das Ziel: Die OT-Umgebung wird nicht länger gesondert behandelt, sondern als servicefähiger, messbarer und sicher betreibbarer Teil der Unternehmensinfrastruktur. 

Vier zentrale Mehrwerte durch OTSM 

1. Fehler schneller erkennen und beheben 

Mit einem automatisierten Störungsmanagement lassen sich Fehlermeldungen strukturiert erfassen, klassifizieren und priorisieren. In Kombination mit smarter Root-Cause-Analyse reduziert sich die mittlere Störungsdauer signifikant und Wiederholungsfehler lassen sich systematisch vermeiden. Im, Klartext heißt das, die oft kryptischen Fehlermeldungen auf den Maschinenbedienelementen tauchen direkt und klar lesbar in zentralen IT-Systemen auf. 

2. Visibilität erhöhen 

OTSM schafft zentrale Transparenz über den Zustand der Produktionssysteme. Mit Dashboards, KPIs und Monitoring-Tools, die OT-Verfügbarkeit, Ausfälle, Interaktionen und Abhängigkeiten sichtbar machen. So können sowohl OT-Teams als auch IT und Management datenbasiert handeln. Die nun an einer zentralen Stelle klar lesbaren Fehler lassen erste Muster erkennen und Fehlerbehebungen idealerweise konsolidiert angehen. 

3. Sicherheit stärken 

Durch kontrollierte Change-Prozesse, Patch-Management und strukturierte Zugriffskontrollen lassen sich auch in heterogenen OT-Umgebungen Sicherheitslücken schließen. OTSM ist damit ein Schlüsselbaustein für industrielle Cybersicherheit, ohne dabei den Betrieb zu gefährden. Leider wird dieser Bereich oft unterschätzt, sind doch gerade in der Produktion die Anlagensteuerungen oft deutlich älter und daher offener für Angriffe.  

4. IT als echter OT-Partner 

OTSM definiert gemeinsame Prozesse und Rollen zwischen IT und OT. Statt Silodenken gibt es klar definierte Übergabepunkte, abgestimmte Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Ziel: eine sichere, stabile und leistungsfähige Produktion.  

Von der stabilen Produktion zur autonomen Dark Factory 

Die Einführung von OTSM ist nicht nur ein operatives Effizienzprogramm, sondern auch ein strategischer Meilenstein auf dem Weg zur Dark Factory und Factory-as-a-Service. 

Denn: Autonome Fabriken setzen voraus, dass Infrastruktur, Systeme und Services in der Produktion planbar, überwachbar und automatisierbar betrieben werden können. Genau das schafft OTSM durch: 

  • Hohe Kostentransparenz  
  • Klar definierte Serviceprozesse als Grundlage für Automatisierung 
  • Messbare Zustände als Datenbasis für KI, im speziellen prädiktive, aber auch präskriptive Modelle 
  • Integrierte Zuständigkeiten als Voraussetzung für eine horizontale Skalierung 

Wer OTSM heute einführt, schafft die Basis für ein Betriebsmodell, das auch bei höherem Automatisierungsgrad noch steuerbar und sicher bleibt. 

Der wichtigste Schritt: IT und OT als gleichberechtigte Partner verstehen und gemeinsam an einem Modell arbeiten, das nicht nur heute funktioniert, sondern auch morgen skalierbar bleibt. 

Unsere Expertin

Mirachandra Klostermann

Manager | Smart Plant Germany, Capgemini Invent
Mirachandra Klostermann ist Expertin im Bereich Smart Factory, Industrial IoT & Industrial AI und Digital Product Passports (DPP) mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von IT/OT-Strategien und -Projekten.

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