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Data & AI im Lean and Green Manufacturing

Dr. Christopher Schmidt
15.10.2025
capgemini-invent

Wer Lean beherrscht, hat Effizienz gemeistert. Wer Green integriert, gestaltet die Zukunft. Green Manufacturing ist die logische Weiterentwicklung von Lean Manufacturing, denn es ist datengetrieben, zukunftsorientiert und ökologisch-wirtschaftlich sinnvoll.

Die Prinzipien des Lean Manufacturing haben sich über Jahrzehnte hinweg als solides Fundament für effiziente Produktionssysteme etabliert. Doch die Anforderungen an industrielle Wertschöpfungssysteme verändern sich grundlegend. Es benötigt ein System, welches in der Lage ist, den gesellschaftlich-wirtschaftlichen und regulatorischen Bedarf in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit zu erfüllen und weiterhin neue Effizienzsteigerungen zu erzielen.

Hier kommt Green Manufacturing zum Einsatz. Es setzt da an, wo das Potential von Lean Manufacturing weitestgehend ausgeschöpft ist. Durch den Fokus auf Energie- und Ressourceneffizienz in der Produktion werden vor allem Resilienz- und Kosteneffizienzpotentiale realisiert. Darüber hinaus bietet Green Manufacturing die Grundlage für eine datengetriebene Zukunft.

Der Business Impact von Green Manufacturing und Data & AI

Wie sich diese Entwicklung vom reinen Lean Manufacturing hin zum Green Manufacturing entwickelt und welchen Einfluss Data & AI in diesem Transformationsprozess spielen, wird in der nachstehenden Abbildung 1 deutlich.

Abbildung 1: Der Einfluss von Green Manufacturing und Data & AI auf die Weiterentwicklung des Lean Manufacturing

Die erste Kurve, „Lean Business Impact“ zeigt, dass die Unternehmen in der Vergangenheit durch Lean Manufacturing bereits einen hohen Business Impact erzielen konnten. Nach einer starken Wachstumsphase in der Vergangenheit, flacht die Kurve jedoch mittlerweile ab. Das liegt daran, dass viele Unternehmen Lean Manufacturing bereits erfolgreich implementiert haben und die damit verbundenen Optimierungspotenziale weitgehend ausgeschöpft sind.

Die zweite Kurve visualisiert den „Green Business Impact“, und setzt am stagnierenden Lean Manufacturing an. Green Manufacturing baut auf Lean-Prinzipien auf und kombiniert diese mit Themen rund um Dekarbonisierung, Energie- und Ressourceneffizienz. Aktuell besteht noch viel Entwicklungspotenzial im Green Manufacturing, weshalb ein großer Einfluss auf den Unternehmenserfolg erzielt werden kann. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel Energiemanagementsysteme oder ein Controlling der Ressourcenverbräuche und Emissionen.

Neben dem ökologischen Wandel steht insbesondere auch der technologische Wandel, der aktuell stark durch Data & AI geprägt ist, im Vordergrund der industriellen Fertigung. Bereits heute wird neue Wertschöpfung aus Daten mittels AI in verschiedensten Geschäftsprozessen generiert. Anwendungen wie Advanced Analytics, GenAI oder auch Agentic AI bieten den Unternehmen durch ihre umfangreichen Einsatzbereiche einen starken Hebel in verschiedensten Geschäftsbereichen. Die Kurve „Data & AI Business Impact“ in Abbildung 1 zeigt auf, dass AI & Analytics eine wertvolle Erweiterung des Green Manufacturing bildet. Ein Capgemini Invent interner Report zeigt, dass durch den Einsatz von Data & AI eine Kosteneinsparung von bis zu 30 % erzielt und der ROI mit einem Faktor von 1,7x geboostet werden kann. Der durch den technologischen Fortschritt erzielte „Data & AI Impact Boost“ zahlt nicht nur durch finanzielle Optimierung auf den Business Impact ein, sondern es entstehen auch neue Anwendungsbereiche bezüglich Green Manufacturing Use Cases.

Die AI Synergien des Lean and Green Manufacturing

Eine wichtige Frage ist, in welchen Bereichen Synergien zwischen den in Abbildung 1 dargestellten Business Impact-Kurven bestehen und wie Unternehmen diese für sich nutzen können. Diese Frage lässt sich mittels der Green Manufacturing Heat Map (Abbildung 2) beantworten. Hier ist farblich hervorgehoben, welche Bereiche des Lean- und Green Manufacturing verstärkt aufeinander aufbauen und an welcher Stelle Data & AI den größten Hebeleffekt hat. Je dunkler die Bereiche der Heat Map sind, desto größer ist der Hebeleffekt aufgrund von geteilten Grundlagen und der Relevanz der jeweiligen Kategorie für eine Data & AI Transformation. In der Matrix wurden folgende Kategorien aus dem Lean Manufacturing und Green Manufacturing verglichen:

  • Data Types: Berücksichtigung gleicher Zeitorientierung und Granularität der zu erhebenden Daten
  • Infrastructure: Identische IT/OT Infrastruktur (Sensoren und Messdatenerfassung)
  • Impact (KPIs): Messung gemeinsamer und verbundener Leistungskennzahlen
  • Resources:  Finanzielle Mittel für gemeinsam genutzte Investitionen in IT/OT
  • Knowledge: Entwicklung von Wissen zur kontinuierlichen Verbesserung
Abbildung 2: Green Manufacturing Heat Map zur Visualisierung von potenziellen Hebeleffekten durch Data & AI auf Lean- und Green Manufacturing

Beim Vergleich der beiden Fertigungsprinzipien wird klar, dass der Ansatz des Green Manufacturing das Lean Manufacturing bereits in vielen Bereichen beinhaltet. Wie stark diese Synergien in den jeweiligen Unternehmen ausgeprägt sind und wie groß deren Hebeleffekte sind, muss jedoch individuell durch eine professionelle Analyse ausgewertet werden. Nur mittels eines ausführlichen Assessments können explizite Maßnahmen in den jeweiligen Bereichen abgeleitet werden.

Generell sind drei wichtige Schlüsselkategorien hervorzuheben: Ressourcen, Infrastruktur und Daten. Bei den Ressourcen handelt es sich vor allem um finanzielle Mittel, die aufgebracht werden müssen, um die gewünschte Entwicklung zu erzielen. Gezielte Investitionen in die Ressourcen für eine Data & AI Transformation im Green Manufacturing sind die Grundlage für die notwendige Infrastruktur, um Data & AI getriebene Produktionsansätze einzuführen. Bei der Betrachtung der Infrastruktur wird schnell ersichtlich, dass die jeweiligen Infrastrukturen aufeinander aufbauen. Ein großer Teil der im Lean Manufacturing verwendeten OT-Infrastruktur muss bei der Transformation ins Green Manufacturing mittels Sensorik und der nötigen IT- Infrastruktur weiterentwickelt werden. Mittels dieser Weiterentwicklung werden die benötigten Daten wie zum Beispiel Energieverbrauchsdaten oder Maschinendaten erhoben. Das Ziel ist es, Daten mit der passenden Semantik und Granularität zu erheben, die als Input für AI-Anwendungen in der Produktion benötigt werden.

Value Creation durch Data & AI

Data & AI ermöglicht es Unternehmen sich weg von reaktiven Ansätzen und hin zu prädiktiven Ansätzen zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist Predictive Maintenance. Hier wird mittels vorhandener Maschinendaten und AI ermittelt, wann der optimale Zeitpunkt zur Wartung ansteht. Durch diesen prädiktiven Ansatz können, wie bereits durch Capgemini Invent umgesetzte Projekte zeigen, Maschinenausfälle um 30-50% reduziert und die Maschinenlebensdauer um 20-40% erhöht werden. Diese Anwendung zahlt nicht nur in die Kostenreduktion, sondern vor allem auch in Green KPIs ein. Je weniger Materialauschuss entsteht und je höher der Nutzungsgrad der Maschinen ist, desto kleiner wird der ökologische Fußabdruck.

Fabriken werden nicht nur grüner und wirtschaftlicher von technologischen Entwicklungen, sondern vor allem auch durch Systeme, die gezielt auf Green KPIs einzahlen. Exemplarisch zu nennen ist hier das Energy Load and Storage Management System. Dieses ermöglicht die intelligente Steuerung von Energieflüssen und Energiespeicherkapazitäten innerhalb der Produktion. Es verbindet Echtzeitdaten aus Maschinen, Infrastruktur und Energiespeichern mit AI-gestützten Prognosemodellen, um kostenrelevante Lastspitzen zu vermeiden, Energie effizient zu verteilen und Speichersysteme optimal zu nutzen. Durch die Integration in bestehende Produktionssysteme wird nicht nur die Energieeffizienz gesteigert, was einen großen Einfluss auf die gesamte Nachhaltigkeit des Unternehmens darstellt, sondern auch eine erhebliche Kosteneffizienz erzielt. Diese Vorteile werden durch mehrere ineinandergreifende Mechanismen erzielt. Zum einen werden Leistungszahlungen für Energieleistungspeaks vermieden, indem das System Lastspitzen frühzeitig erkennt und durch gezielte Lastverlagerung ausgleicht. Zum anderen wird der Maschinenbetrieb optimiert, da der Energieverbrauch und die Produktionsleistung dynamisch aufeinander abgestimmt werden können. Das reduziert Leerlaufzeiten und erhöht die Auslastung. Darüber hinaus ermöglicht die intelligente Nutzung von Speichersystemen eine strategische Energiebeschaffung, etwa durch den gezielten Einkauf von Energie zu günstigeren Energiepreisen oder die Einspeisung überschüssiger Energie.

Zukunft gestalten mit Agentic AI

Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass die technologische Evolution der Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der nächste Schritt in der Umsetzung von neuen technologischen Möglichkeiten ist Agentic AI. Zukünftig übernehmen diese autonomen Agenten die aktive Steuerung. Sie erkennen zum Beispiel frühzeitig drohende Energiepeaks, analysieren externe Einflussfaktoren wie Strompreise oder Wetterdaten und leiten automatisch Maßnahmen wie zum Beispiel die Umverteilung von Lasten, das gezielte Aktivieren von Speichersystemen oder die Anpassung von Produktionsparametern ein. So wird nicht nur die Produktion stabiler und kosteneffizienter, sondern auch die Nachhaltigkeit aktiv und dynamisch gesteuert. Agentic AI macht aus einem datengetriebenen System ein proaktives Netzwerk, das kontinuierlich durch Nachhaltigkeit Geschäftsprozesse optimiert und damit den Weg in eine autonome, wirtschaftlich nachhaltige Fertigung ebnet.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aktiv zu werden. Bestehende Systeme müssen analysiert und Synergien genutzt werden, um die Fertigung schlank, grün, digital und zukunftssicher zu gestalten. Wer heute handelt, sichert sich nicht nur direkten positiven Business Impact, sondern übernimmt ökologische Verantwortung und sichert so die langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Vielen Dank an meinen Co-Autoren Frederic Dötig!


Unsere Experten

Dr. Christopher Schmidt

Dr. Christopher Schmidt

Senior Manager | Smart Plant Strategy, Transformation & Green Manufacturing Germany, Capgemini Invent
Seit über 10 Jahren begleitet Dr. Christopher Schmidt Kunden aus verschiedensten Branchen bei der Transformation und Optimierung ihrer Produktion. Hierbei steht der ganzheitliche Ansatz im Fokus, der nicht nur die Fertigungsprozesse selbst sondern die Fabrik als dynamisches Gesamtsystem berücksichtigt und Potentiale aus einer engen Abstimmung zwischen Produktentwicklung und Produktion hebt.

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