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IT-Architektur: Ein Weichensteller für Innovationen

Dr. Eldar Sultanow
02. Dez. 2020

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was die Unternehmensarchitektur Ihnen über die Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens verrät?

Nein? Dann sind Sie damit in guter Gesellschaft. Denn bisher wurde der Beitrag, den EAM (Enterprise Architecture Management) hier leisten kann, kaum beachtet.

Bis dato standen im Architekturkontext oft eher Fragen rund um die Prinzipien, Methoden und Werkzeuge für eine zielorientierte Ausgestaltung und Veränderung der IT-Landschaft im Vordergrund. In der Praxis verschiedener Architekturprojekte, etwa in den Branchen Transport, Handel und öffentliche Verwaltung, haben meine Kollegen und ich jedoch festgestellt, dass auch die Innovationsfähigkeit von der architektonischen Verfasstheit des Unternehmens abhängt.

Die folgende Grafik zeigt Bereiche in der Unternehmensarchitektur, deren Rädchen Sie drehen können, um die Innovationskraft positiv zu beeinflussen.

Schrauben drehen für mehr innovative Ideen

Schauen wir mal genauer hin: Zu der Unternehmensarchitektur zählen Prozesse auf strategischer und operativer Ebene, Systemlandschaften, serviceorientierte Architekturen und genauso auch IT-Infrastrukturen, wie die Cloud oder Big-Data-Architekturen. Je nachdem wie diese Bausteine verfasst sind, können sie dem Unternehmen im Ganzen helfen sich innovativ zu entwickeln. Zum Tragen kommen da unter anderem die Strukturen der Wissensabsorption, also der Know-how-Aufbau des eigenen Personals, M&A-Strategien oder Instrumentarien zur Förderung der Mitarbeiterkreativität. Mit diesen Säulen lässt sich vieles steuern. Justieren sie beispielsweise das Netzwerk zu Kunden und Partnern, können Unternehmen die dortigen hausgemachten Probleme direkt erleben und innovative Lösungsstrategien entwickeln, die auch anderen helfen. Oder auch die Personalstruktur lässt meist Freiräume, um neue Ideen besser keimen zu lassen, zum Beispiel mit einem halbfreien Freitag für Dinge, die Spaß machen und gleichzeitig kreatives Denken fördern. Google hat da einiges vorgemacht. Auch die physikalische Struktur sagt viel über die Innovationsfähigkeit aus – gibt es ThinkTanks, Forschungslabore, Innovations- und Entwicklungszentren, und befinden sich diese in Gebieten mit hoher Wissenschaftsdichte? Versuchen Sie mal an einer dieser Schrauben zu drehen, wenn Sie das Gefühl haben Ihr kreativer Output hat noch Luft nach oben.

Raus aus dem Elfenbeinturm

In Organisationen mit großen IT-Landschaften steuern in der Regel zentrale Organe die Evolution der IT-Landschaft. Sie machen auch Vorgaben für konkrete Systeme. Diese Organe können Innovation fördern, indem sie aktuelle Regeln und Richtlinien anpassen oder gar die Entwicklungskultur im Unternehmen beeinflussen. Dabei sollten sie nah an der IT-Entwicklung bleiben und nicht oben im Elfenbeinturm sitzen, um Lösungen fern von jedweder Praxis und Pragmatik zu entwickeln. Auf der anderen Seite müssen die Architekten weit genug weg sein, um den Beteiligten ausreichend Spielraum zu lassen. An vielen Stellen entsteht Innovation ohne Auftrag. So auch bei Bottom-Up-Innovationen, die Teil der Softwareentwicklung sind. Zum Beispiel haben wir bei einem Kunden im Public-Sektor das Testsystem auf eine Embedded-In-Memory Datenbank umgestellt und die Laufzeit drastisch verkürzt. Das hat den Weg freigemacht für viele weitere nutzenstiftende Projekte mit kreativen Lösungsansätzen.

Das zentral geführte EAM sollte sich genau zwischen diesen beiden Polen bewegen, um Innovationen auf den Weg zu bringen. Also genau zwischen zwei Stühlen sitzen, zwischen der tatsächlichen praxisnahen Entwicklung und der abstrakten architekturstrategischen Ebene, der Elfenbeinturmspitze.

Mit der Evolution des Unternehmens gehen

Normalerweise versucht EAM das Unternehmen als eine Landkarte inklusive Wegweiser für die Anwendungslandschaft abzubilden. Dabei existieren unterschiedlich tiefe Betrachtungsebenen, mit diversen Kategorien und Strukturen, um jeden Architekturpunkt innerhalb der Karte eindeutig zuordnen zu können. Diese Strukturen werden oft anfangs initial erarbeitet und festgelegt und ändern sich dann leider nicht mehr mit der weiteren Evolution. Dies garantiert zwar einen stabilen Rahmen für das EAM. Aber Innovation lässt sich selten in fixe Strukturen pressen. Das EAM sollte Erweiterungen vorsehen, mit denen Innovation an vielen Stellen fruchten kann. Und es sollte zudem weder auf rein fachliche noch rein technische Aspekte beschränkt sein.

In meinem Beitrag habe ich ein paar Stellschrauben gezeigt, die aber nur die Spitze des Eisbergs bilden. Die Möglichkeiten gehen noch viel weiter. Welche haben Sie schon erkannt, und letztlich auch gedreht?

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Autor

Dr. Eldar Sultanow

Enterprise Architecture
Dr. Eldar Sultanow ist Software-Architekt. Er hat langjährige Praxiserfahrung in der Softwareindustrie, insbesondere in den Bereichen JEE, Electronic/Mobile Commerce, Track-&-Trace und Auto-ID im Pharmabereich. In einem zwischenstaatlichen Projekt hat er eine Plattform mit konzipiert, an der internationale Finanzinstitute angeschlossen sind. Aktuell ist Eldar Sultanow als technischer Chefdesigner in einem der größten öffentlichen IT-Verfahren aktiv, das hunderttausende Transaktionen pro Tag mit einem Jahresvolumen von über 25 Milliarden EUR vollzieht.