Zum Inhalt gehen
Auto_Supplier HUB_Web page Banner_2800px X 1800px_Without Text_Larissa Schediwy (1)

Automotive im Wandel: Fabrik-Börsenchart 2024

03/24

Geopolitische Risiken, hohe Energiekosten und der Technologiewandel hin zu elektrischen Antrieben fordern die Automobilbranche, besonders Automobilzulieferer. Um trotzdem konkurrenzfähig zu bleiben, müssen neue Geschäftsmodelle her und die Kosten runter. Ein „Börsenchart“ für die Produktionskosten hilft, schnell zu agieren.

Die Wunden sind noch frisch: Das Corona-Virus hat Lieferketten gekappt, günstige Transportwege unmöglich gemacht, Fertigungen und Lieferungen innerhalb des Produktionsnetzwerks zum Stillstand gebracht. Inzwischen sind einige andere Unwägbarkeiten hinzugekommen. Doch einige Firmen haben schnell reagiert, mit neuen Ideen. Wenn heute Spezialisten nicht mal schnell zu einem Werk reisen können, um Produktionsmaschinen zu warten oder zu reparieren oder Auditoren nicht vor Ort sein können, hilft das sogenannte Metaverse aus. Mitarbeiter werden im Werk mit digitalen Brillen ausgestattet, in die Zusatzinformationen digital hineingespielt werden oder eine direkte Verbindung zu nötigen Spezialisten hergestellt wird. Dieser Mix aus sichtbarer Realität und ergänzter digitaler Welt – neudeutsch Metaverse – behebt den Engpass per Fernwartung vor Ort. Voraussetzung: Die digitalen Datenbrillen haben Zugriff auf ein Adressbuch mit internationalen Spezialisten, welche einzeln oder gemeinsam in einer Web-Konferenz weiterhelfen, und auf Unterlagen aus Ordnern, in denen sich beispielsweise CAD-Konstruktionszeichnungen oder Arbeitsanweisungen der Maschinen befinden. Über eine Zusatzsoftware werden diese Informationen exportiert und über eine „Viewer-App“ in der Brille oder aber als Hologramme in 3D auf dem Bildschirm dargestellt. Zusatzinfos werden etwa als Arbeitsschrittfolge eingespielt, die Expertenmeinungen je nach benötigtem Fachgebiet via Datenbrille vom Kollegen im Werk eingeholt. So wird die Aufgabe schnell gelöst, ohne dass jemand dafür extra anreisen muss.

Vier Herausforderungen: Flexible Produktion, Datendurchgängigkeit, Künstliche Intelligenz für Kostentransparenz in der Fertigung, solide Business Cases

Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie flexibel und innovativ die Automobilindustrie sein kann, wenn es nötig ist. Trotzdem gibt es ein paar Dinge zu beachten, damit Unternehmen trotz der derzeitigen geopolitischen und marktspezifischen Randbedingungen klarkommen:

1. Die Produktion flexibilisieren

Wie die Idee der Fernwartung im Metaverse gezeigt hat, kann die Arbeitsweise offener und die Produktion flexibler werden, wenn neue und digitale Ansätze genutzt werden. Datenbrillen wie auch Maschinen als digitale Zwillinge in 3D und virtuelle Prototypen ermöglichen, Lösungen im Voraus zu simulieren und letztlich effizienter im Werk umzusetzen. Die Investitionen für die Implementierung entsprechender bereits im Standard verfügbarer Lösungen rechnen sich für ein Unternehmen schnell.

Auch stark im Kommen ist die Produktionsplanung mit automatisierter „APS- Software“ (Advanced Planning and Scheduling). Sie ermöglicht, anstehende Fertigungsaufträge in detaillierte Fertigungsschritte je Arbeitsplatz bzw. Maschine und passenden Mitarbeiter vollständig automatisiert zu planen und ohne manuellen Aufwand umzusteuern, falls nötig. Sprich: Der passende Mitarbeiter, das benötigte Rohmaterial und die einsatzfähige Maschine finden zum richtigen Zeitpunkt zusammen, egal wie komplex die Fabrik aufgebaut ist. Herkömmliche Produktionsplanungssoftware macht lediglich Vorschläge. Das erfordert zeitaufwändige manuelle Eingaben und Entscheidungen.

In der Transformation sind allerdings neue Geschäftsmodelle gefragt und damit höchstmögliche Flexibilität in der Produktion. Gehen Teile für einen Verbrennungsmotoraus dem Programm, wird beispielsweise ein Aluminiumkolben für den Motor nicht mehr gefragt sein. Diese Fertigungskompetenz kann jedoch auch in anderen Branchen nützlich sein – in der Herstellung ganz anderer Produkte. Mehr Produktvielfallt und noch kleinere Stückzahlen weichen oft Massenbestellungen, können jedoch wie oben beschrieben mit einer flexibleren Produktion kompensiert werden.

2. Datendurchgängigkeit schaffen – offene Schnittstellen nutzen

Wenn automatisierte APS-Software und neue digitale Ansätze eingesetzt werden, helfen sie nur dann wirkungsvoll, wenn auch der Zugriff auf die Datenbanken und Datenfluss schnell funktionieren. Datendurchgängigkeit bedeutet, dass Informationen bzw. Daten im gesamten Lebenszyklus eines Produktes von dessen Entwicklung über die Herstellung bis hin zu Verkauf, Abrechnung und Auslieferung vorliegen. Sie sind also nicht nur auf einzelnen Softwareprogrammen oder Ordnern verfügbar, sondern können von allen eingesetzten Softwaresystemen direkt genutzt werden. Wenn also im Lagerhaus ein Produkt ankommt, ist klar, in welchem Werk es hergestellt wurde, wer es bestellt hat und wo es hinsoll, da die einzelnen Softwaresysteme für Lagerhaltung, Produktionsablauf, Maschinenwartung, Personal, Qualität, Logistik und Vertrieb direkt miteinander verbunden sind. Moderne Plattformlösungen arbeiten dafür mit offenen Schnittstellen, die jede spezielle Software-Applikation etwa für Verwaltung, Finanzen, Personal, Beschaffung, Fertigung, Intralogistik, Qualität und das Lagermanagement miteinander kompatibel verbinden.

3. Künstliche Intelligenz (KI) für Kostentransparenz in der Produktion

Der Energieverbrauch von Produktionsmaschinen lässt sich mit Sensorik lückenlos überwachen. Um Energie zu sparen, sollte klar sein, wann sie benötigt wird oder auf Bereitschaft sein sollte. Eine transparente Übersicht, wieviel Strom im Jahr als Grund- und Spitzenlast benötigt wurden, ermöglicht es, mit dem Energieanbieter besser zu verhandeln oder Maschinen mit hohem Verbrauch zu ersetzen. Wann Maschinen betriebsbereit gehalten werden oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab: Etwa von der Auftragslage, davon, ob Rohteile rechtzeitig geliefert werden oder benötigte Fachkräfte in der Produktion verfügbar sind. Digitale Transparenz über den gesamten Prozess ermöglicht eine exakte Vorhersage, auf deren Basis entschieden werden kann, ob eine Maschine zwischenzeitlich ausgestellt werden sollte, etwa, weil ein LKW mit der Lieferung im Stau steht. Weltweite Fertigungskapazitäten sowie Transportwege in die Planung mit einzubeziehen, ist für intelligente Software, Stichwort KI, heute keine große Kunst mehr. Selbst wenn internationale Kapazitäten mit einbezogen werden. Sie ist in nahezu Echtzeit in der Lage, über den gesamten Wertstrom hinweg umzuplanen, um den energetisch günstigsten Prozessablauf zu finden. KI schafft so ein „Börsenchart“ für Produktionskosten und damit einen Blick auf das Wesentliche. Das ist besonders aufgrund der hohen Energiepreise in Deutschland wohl eine der wichtigsten Herausforderungen in 2024.

4. Solide Business Cases

Während Unternehmen bei explodierenden Herstellungskosten mithilfe von nahezu Echtzeitdaten schnell reagieren können, geht es bei Entscheidungen für neue Softwaretechnologien und dessen Implementierung darum, einen soliden Business Case mit konkreten Anforderungen zu rechnen. Business Cases und Return-on-Invest (RoI)-Rechnungen sind wesentlich, um sich für das wirtschaftlichste neue Softwaresystem entscheiden zu können. Wenn die Ist- Situation und die gewünschte Soll-Erwartung klar formuliert sind, können Werkzeuge wie „Power BI-Tools“ für eine Voraussicht und Simulation von verschiedenen Varianten sorgen – etwa die geeigneten Produktionswerke und Transportwege für die kostengünstigste Fertigung von Produkten ermittelt werden. Besonders bei komplexen Softwaresystemen wie einem Manufacturing Execution System (MES) zur Fertigungssteuerung können so der richtige Softwareanbieter und die benötigten Funktionsmodule ausgewählt werden. Das schafft Klarheit und sichert den konkreten Business Case. In einem Beispiel aus dem vergangenen Jahr hat sich gezeigt, dass sich die initialen Projekt- und laufende Wartungskosten für die Implementierung eines neuen MES-Systems bereits nach 3 Jahren amortisierten.

Durch Transparenz Kosten senken und nachhaltiger werden

Die aktuelle Marktsituation ist herausfordernd.Doch gibt es konkrete Möglichkeiten und Lösungen, darauf zu reagieren und mithilfe von flexibleren Lieferketten, soliden Business Cases und intelligenten Systemen komplexe Informationen und Daten in nutzbare Aussagen umzumünzen. Dass sich durch diese größere Transparenz letztlich auch nachhaltiger wirtschaften lässt, erschließt sich fast von selbst. Denn effizientere Prozesse sorgen nicht nur für geringere Kosten, sondern erfordern auch weniger Ressourcen.

Kontaktieren Sie unsere Experten

André Tubbesing

Principal Business Analyst in Deutschland
André Tubbesing ist Berater für „Digital Manufacturing“ und der Digitalen Transformation in Produktionswerken. Damit befähigt er Unternehmen in verschiedenen Industrie- Branchen zB. der Automobilindustrie, Prozesse und IT-Architekturen auf den neusten Stand zu bringen.

Anke Rieche

Global Automotive Program Lead
Anke ist eine Business Development Expertin mit 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Software, Infrastruktur und Beratung. Als hochmotivierte Teamplayerin mit ausgeprägter Kundenorientierung hat sie sich einen Namen für die Entwicklung und Umsetzung von Markteinführungskonzepten gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit den SAP-Plattformen S/4 HANA und Intelligent Enterprise, vor allem im Automobilmarkt. Anke ist davon überzeugt, dass Automobilzulieferer und OEMs durch den Einsatz der Automotive Cloud-Lösungen von SAP, einschließlich der gemeinsamen Entwicklungen von SAP und Capgemini und der Co-Innovation mit Pilotkunden, neue Dimensionen der Agilität und Geschwindigkeit erreichen können.