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Lasst den Kunden König sein! Ein Plädoyer für Self-Checkout Technologien in Deutschland

Capgemini Invent
11. Mai 2020
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Self-Checkout Technologien stellen Händler vor neue Herausforderungen, die eine flächendeckende Einführung erschweren. Die gute Nachricht ist: es gibt einfache Lösungen – und der Zeitpunkt ist perfekt.

Die momentane Krise stellt aktuell viele unserer Gewohnheiten auf den Kopf: Arbeiten von zu Hause wird zur Selbstverständlichkeit, lange Spaziergänge erhalten eine ganz neue Wertschätzung und der sonst alltägliche Gang zum Supermarkt wird zum Erlebnis. Bei letzterem haben sich bereits eine ganze Reihe von Neuerungen ergeben, die von der Vielzahl der Kunden gerne angenommen wird: Schlange stehen vor dem Geschäft? Wenn’s hilft! Bargeldlos bezahlen? Selbstverständlich! In dieses Bild passt auch eine aktuelle Kundenbefragung, die eine steigende Beliebtheit von Selbstbedienungskassen, den sogenannten Self-Checkout Technologien, in Deutschland zeigt.1

Nachdem wir in den bisherigen Blogartikeln die verfügbaren Technologien sowie deren bisherigen Erfolg in Deutschland betrachtet haben, möchten wir nun die Herausforderungen von Self-Checkout Technologien näher beleuchten und Ansatzpunkte zur erfolgreichen Umsetzung aufzeigen.

Vorbehalte gegenüber der Technologie

In Deutschland herrscht noch immer ein generelles Misstrauen gegenüber dem Einsatz neuer Technologien im Einzelhandel. Kunden fürchten, Arbeitsplätze könnten durch die Nutzung neuer Technologien bedroht sein und boykottieren diese daher zum Teil bewusst. Zusätzlich werden aus Gründen technologischer Vereinfachung die gleichen komplexen Kassiervorgänge, die sonst das geschulte Kassenpersonal vornimmt, auf den Kunden übertragen. Dies führt nachvollziehbarer Weise zu Frustration bei den Kunden, die eine intuitive Handhabung von Smartphone Apps gewohnt sind.

Daher sollten Händler vielmehr veranschaulichen, dass die Technologien einen positiven Effekt auf das Einkaufserlebnis haben, da das bisherige Kassenpersonal sich nun stärker um die Qualität und das Erlebnis auf der Einkaufsfläche kümmern kann.

Eine simple Übertragung des kompletten Abrechnungs- und Scanvorgangs auf den Kunden, wie er heute von geschulten Mitarbeitern durchgeführt wird, ist hier fehl am Platz. Stattdessen nimmt eine einfache und intuitive Benutzeroberfläche der Selbstbedienungskassen den Kunden schnell die Angst vor Fehlern. Detaillierte Nutzertests während der Entwicklung des Self-Checkout Systems stellen eine entsprechende Benutzerfreundlichkeit sicher.

Sicherheit und Komplexität

Während die Vorbehalte gegenüber der Technologie eher auf Kundenseite zu finden sind, sind die Händler vor allem skeptisch was den Sicherheitsaspekt von Self-Checkout Systemen angeht. Nicht-scannen von Produkten, Manipulation durch falsche Etikettierung und offen gestaltete Ein- und Ausgänge laden vermehrt zu Diebstählen ein. Darüber hinaus verkomplizieren Sonderfälle wie Rabattaktionen oder Artikel mit Altersbeschränkung, wie Alkohol oder Zigaretten, den Self-Checkout Prozess und lassen die Herausforderungen für Händler größer erscheinen, als sie tatsächlich sind.

Christoph Schönfelder, Co-Founder der Scan&Go App Koala, bestätigt dies in unserem Interview: „Wir erhalten sehr viele Anfragen von Händlern aus allen Branchen, deren Top-Management sich grundsätzlich begeistert von Self-Checkout Technologien zeigt. Auf konkreter Arbeitsebene verlieren viele jedoch den Mut angesichts der gefühlt hohen Komplexität einer perfekten, vollumfänglichen Lösung.“ Hier zeigt sich: oft ist es nicht ratsam, direkt nach der perfekten, vollumfänglichen Lösung zu streben. Vielmehr sollte mit Hilfe eines MVPs (Minimum Viable Product) und dessen konstanter Weiterentwicklung eine nachhaltig robuste, intuitive und kundenzentrierte Lösung entwickelt werden.

Einfache und pragmatische Lösungen liegen auch für Sicherheitsbedenken auf der Hand: das eingesparte Kassenpersonal kann zur Verifizierung des Alters, zur dezidierten Kontrolle von Einkäufen oder auch als Wachpersonal eingesetzt werden und einen korrekten Ablauf sicherstellen. Startups wie „Rapitag“ bieten darüber hinaus weitere Lösungen für erhöhte Sicherheit, beispielsweise in Form von Security Tags.

Das geliebte Bargeld

Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Kaum ein westlicher Markt verfügt über eine derart hohe Bargeldaffinität wie Deutschland. Daher entscheiden sich Händler meistens für Self-Checkout Terminals mit Bargeldbezahlfunktion. Die Bargeldfunktion macht die Self-Checkout-Kassen jedoch erheblich teurer in der Anschaffung und führt zu höheren Betriebskosten.

Die aktuelle Krise könnte diesbezüglich einen Wendepunkt darstellen, den es zu nutzen gilt, denn zur Verringerung des Ansteckungsrisikos etabliert sich aktuell vermehrt bargeldloses Bezahlen. Self-Checkout Technologien können hier als vorbeugende Maßnahmen dienen, um das interaktionsbedingte Infektionsrisiko zwischen Personen zu minimieren – daher sollten Händler nun mutig sein und handeln!

Wichtig ist dabei: Self-Checkout Terminals oder eine Scan&Go Lösung bedeuten keine Abschaffung der klassischen Kassen, sondern eine gewinnbringende Ergänzung. Daher dürfen diese auch ohne Bargeldfunktion auskommen.

Die Zukunft beginnt jetzt

Wie bei jeder Einführung einer neuen Technologie gibt es Herausforderungen. Doch deutsche Händler müssen mutiger werden, denn für alle vorangestellten Herausforderungen gibt es auch naheliegende Lösungen, die mit der richtigen Kombination aus durchdachtem Konzept und Entschlossenheit in der Umsetzung schnell zum Erfolg führen. Befeuert durch die aktuell stark erhöhte Akzeptanz neuer Bezahlmethoden und der Nutzung stationärer Self-Checkout Systeme, ist nun der perfekte Zeitpunkt für eine Ausweitung der Self-Checkout Angebote.

Auch für Experten wie Christoph Schönfelder sind Self-Checkout Technologien in Zukunft ein „wichtiges Element, um den Kassenbereich zu entzerren und die dortigen Barrieren zu reduzieren.“ Die so eingesparte Zeit erhöhe die Einkaufsqualität für Kunden enorm.

Sebastian Mancke, Gründer der Self-Checkout-Plattform snabble, ist es darüber hinaus wichtig, die Technologie selbst nicht als alleinige Lösung zu sehen. Vielmehr gilt es auf die Bedürfnisse von Kunden und Mitarbeitern einzugehen und eine umfassende Lösung unter Berücksichtigung der Marktprozesse zu bieten. So wird die snabble-App zum Beispiel mit einem eigenen Self-Checkout-Kiosk ergänzt, um Kunden verschiedene Möglichkeiten des Checkouts zu bieten. Beide Systeme können dabei miteinander interagieren. Auch an die Händler hat man bei snabble gedacht und bietet ein Live-Monitoring mit Re-Scanning, das eine optimale Sicherheit bietet. Damit hat man zum Beispiel IKEA Deutschland überzeugen können.

Das so geschaffene ganzheitliche Customer Experience Konzept deckt die verschiedenen Bedürfnisse der Kundengruppen ab: ein Rentner mit viel Zeit wertschätzt womöglich den persönlichen Austausch mit dem Kassierer, während die gestresste Geschäftsfrau ihre Mittagspause sicherlich lieber anders verbringt, als an einer langen Kassenschlange anzustehen.

Langfristig gesehen sollten Lösungen immer flächendeckend für zumindest eine gesamte Handelskette gelten. Dafür muss jedoch nicht von Anfang an eine vollständig ausgereifte, gleichzeitig ausgerollte Lösung parat stehen. Vielmehr ist eine schrittweise Aufschaltung von Funktionalitäten und die stetige Verbesserung der Lösung empfohlen.

Der Optimalfall besteht für Sebastian Mancke aus einer Kollaboration verschiedener Händler, die sich auf die gleiche Mobile-Self-Checkout-Plattform, ähnlich wie bei dem Multipartner Loyalty Programm Payback, einigen. Nur auf diese Weise würde den Kunden das Herunterladen und Erlernen verschiedener Anbieter erspart bleiben und nur so sind relevante Nutzungsquoten erreichbar.

Wer jetzt überzeugende Standards setzt, legt die Spielregeln fest und wird in Zukunft in wesentlich größerem Ausmaß profitieren, als es aktuell bereits absehbar ist.

Vielen Dank an die Co-AutorInnen Linda Heilen und Simon-Peter Kasamas

[1] POSpulse GmbH (2020), Dossier: Kassenpräferenzen in der Corona-Krise

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