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Inklusivität und Diversität – Nice-to-have oder entscheidender Wettbewerbsvorteil für Unternehmen?

Christina Schehl
30. Aug. 2021
capgemini-invent

Inklusivität und Diversität im Technologiebereich sind unzureichend

Im Laufe der Pandemie sind Unternehmen zunehmend unter Druck geraten, Tech-Talente aus einem immer kleiner werdenden Kandidatenkreis zu rekrutieren. Dadurch ist die Berücksichtigung von guten Diversitäts- und Inklusivitätsspraktiken in den Hintergrund gerückt, wie auch die vorherrschenden Teamstrukturen im Tech-Bereich zeigen. Nur durchschnittlich jede fünfte Person in Tech-Teams ist weiblich und nur jede sechste gehört einer ethnischen Minderheit an. Durch unzureichend gelebte Gleichstellung und Inklusivität (Diversity Equity and Inclusion, DE&I) haben diese in der Konsequenz nur selten ein Gefühl der Zugehörigkeit zu ihrem Team und Unternehmen. Laut Studienergebnissen besteht diesbezüglich zwischen Vorgesetzten und ihren IT- und Tech-Teams eine deutliche Kluft in der Wahrnehmung. Tech-Führungskräfte nehmen weiterhin an, dass Fortschritte hinsichtlich Diversity im Unternehmen gemacht werden, wohingegen die Tech-Mitarbeiterinnen sowie die Tech-Mitarbeitenden aus ethnischen Minderheiten den Status Quo deutlich kritischer sehen.

Der Einfluss von Gleichstellung und Inklusivität auf den Unternehmenserfolg ist immens

DE&I beeinflussen die Bindung und das Engagement der Mitarbeitenden in der gesamten Organisation. So zeigt eine aktuelle Glassdoor-Studie, dass 83 % der Millennials engagierter bei der Arbeit sind, wenn sie glauben, dass ihr Unternehmen eine integrative Kultur fördert [1]. Ein nicht-integrativer Arbeitsplatz kann hingegen Produktivitätsverluste verursachen und laut Glassdoor zu erheblichen Unternehmensverlusten führten – in den USA von jährlich etwa 450 bis 550 Milliarden Dollar [2].

Auch bei der Mitarbeiterakquisition können Vielfalt und Integration Vorteile bringen und darüber entscheiden, ob potentielle Mitarbeitende für ein Unternehmen arbeiten möchten. So etwa würde jede*r dritte Arbeitssuchende sich nicht bei einem Unternehmen bewerben, in dem es an Vielfalt in der Organisation mangelt [3]. Unzureichende DE&I-Ansätze wirken sich auch auf die Mitarbeiterfluktuation aus, da mangelnde Diversität oder sogar eine gegenüber Minderheiten feindselige Unternehmenskultur ein ausschlaggebender Grund zur Kündigung sein kann [4].

DE&I-bezogene Effekte lassen sich auch auf der Einnahmenseite eines Unternehmens erzeugen. Mehr als jedes zweite Unternehmen mit inklusiver Kultur und Designpraxis verzeichnet mit der dadurch steigenden Kundenzufriedenheit ein Wachstum bei der Nachfrage und den Umsätzen. Studien zufolge haben Unternehmen mit einer hohen DE&I-Quote im Durchschnitt sowohl um 19 % höhere Innovationseinnahmen als auch um 9 % höhere Gewinnspannen [5].

Ein weiterer Vorteil von DE&I ist die dadurch steigende Kreativität und Innovationskraft innerhalb der Organisation. So zeigen Studien, dass integrative Unternehmen mit einer um 1,7-mal höheren Wahrscheinlichkeit in ihren jeweiligen Märkten Innovationsführer sind. Und Firmen mit inklusiven Technologie-Teams entwickeln mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit diskriminierungsfreie Produkte und Services [6]. Das lässt darauf schließen, dass ein Zusammenhang zwischen inklusiven Teams mit einer integrativen Kultur und einem inklusiven Produkt- und Serviceportfolio besteht. Denn ein vielfältiges, von Wertschätzung geprägtes Team bringt innovativere Ideen hervor, kann eine Aufgabe auf vielen Ebenen kritisch prüfen und Verbraucher*innen mit unterschiedlichem Hintergrund verstehen. Die Entwicklung von Produkten wird so auf eine größere Kundenbasis zugeschnitten. Das Risiko diskriminierender Technologien sinkt, da bereits in der Konzeptions- und Entwicklungsphase diverse Nutzergruppen beteiligt werden.

Und die Nachfrage nach inklusivem Produktdesign ist hoch: Mehr als 80 % der ethnischen Minderheiten angehörenden Verbraucher*innen wünschen sich digitale Technologien, die von einer Vielzahl von Nutzer*innen diskriminierungsfrei verwendet werden können. Dennoch haben 90 % der globalen Unternehmen Schwierigkeiten, DE&I innerhalb ihrer Design-Teams im Technologiebereich zu verwirklichen. Diskriminierende Algorithmen, benachteiligende maschinengestützte Logiken oder voreingenommene Begriffe sind keine Ausnahme; sie werden von Verbraucher*innen aktiv wahrgenommen und übertragen sich auf das Unternehmensimage.

Im Bereich der Finanzdienstleistungen beispielsweise glaubt durchschnittlich die Hälfte der Angehörigen ethnischer Minderheiten, dass ihnen online ein niedrigerer Kredit bei bestimmten Bankprodukten angeboten wurde – gegenüber nur 28 % bei Personen ohne einen solchen Hintergrund. Im Bereich der Gesundheitsversorgung glauben 43 % der Frauen und der Personen aus ethnischen Minoritätsgruppen, dass sie auf medizinische Versorgungsangebote in erstklassigen Einrichtungen oder solche, die über sehr spezialisierte Leistungen verfügen, nicht aufmerksam gemacht wurden.

Um eine wirksame Strategie für Gleichstellung und inklusives Design zu entwickeln, müssen Organisationen sich auf vier Bereiche konzentrieren

Der Druck auf globale Unternehmen, DE&I für alle Mitarbeitenden wahrnehmbar zu verwirklichen, wächst. Dazu müssen Unternehmen eine effektive Inklusivitätsstrategie entwickeln, die über Aufklärung und Sensibilisierung auf den höchsten Führungsebenen hinausgeht. Verschiedene Prozesse, Leitlinien und Wertesysteme zur Förderung von Inklusivität sind erforderlich, zu denen auch Richtlinien in Bezug auf Diversität und gegen Belästigung sowie ein klarer Inklusivitätssauftrag für Technologie-Teams zählen.

Führungskräfte müssen in diesem Bereich sicherstellen, dass Frauen sowie Mitarbeitende aus ethnischen Minderheiten Chancengleichheit bei Karriereentwicklung, Aufstieg und Einfluss auf die Produktentwicklung erhalten. Zugleich müssen sie die technischen und datenbezogenen Grundlagen zur Messung, Überprüfung und Verbesserung der Inklusivitätsergebnisse schaffen. Fairness gilt es auch im Falle von algorithmischen Verzerrungen in KI-Systemen sicherzustellen. Und schließlich sollten Unternehmen unterschiedliche Nutzer*innen in den Mittelpunkt ihrer Prozesse für Design, Entwicklung und Einführung von Technologien stellen.

Für weitere Ergebnisse unserer Untersuchungen zum Thema Diversity und Gleichstellung lesen Sie auch unsere Studie The Key to designing Inclusive Tech: Creating diverse and inclusive Tech Teams.

Vielen Dank an die Co-Autorin Laura Dahlhaus.


Hinweis

Capgemini definiert Diversität als das Vorhandensein von Unterschiedlichkeiten in einer bestimmten Umgebung bzw. Situation. Im Kontext eines Tech-Teams oder des Arbeitsplatzes bezieht sich dies im Allgemeinen auf die Präsenz von Personen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund, etwa aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, ethnischen Zugehörigkeit (inklusive Religion, Nationalität usw.), ihres sozioökonomischen Status, ihrer sexuellen Orientierung, körperlichen bzw. geistigen Voraussetzungen oder ihres Lernstils.

Die Definition von Capgemini für eine inklusive Kultur umfasst gleiche Chancen, sich in der Organisation weiterzuentwickeln. Dazu gehören Trainings und Bewusstseinsbildung für integrative Führung, wirksame Beschwerdeprozesse bei genderbezogener, rassistischer und ethnischer Diskriminierung, die Möglichkeit, persönliche Erfahrungen mit Führungskräften und Gleichrangigen zu teilen, sowie ein Gefühl der Inklusivität, Zugehörigkeit und des Respekts seitens der Führungskräfte und Teams.

Inklusive Designpraktiken definiert Capgemini als Aufmerksamkeit und Setzen eines hohen Stellenwerts für inklusives Design innerhalb der Organisation und während der gesamten Produktentwicklung. Dies schärft den Blick dafür, ob digitale Produkte sowie der Designprozess inklusiv sind. Darüber hinaus bedingt es den Grad der Einbeziehung von Endanwender*innen bzw. Konsument*innen in den digitalen Design- und Entwicklungsprozess sowie ein hohes Niveau von Tests und Kontrollmechanismen zur Minimierung ethnischer und geschlechtsbezogener Ausgrenzungen.

[1] Glassdoor, “Diversity & Inclusion Workplace Survey,” September 2020.

[2] Intuit, “5 Surprising Benefits of Fostering Diversity and Inclusion in the Workplace,” May 2019.

[3] Glassdoor, “Diversity & Inclusion Workplace Survey,” September 2020.

[4] Computer weekly, “All to gain: Unlocking the potential of a diverse and inclusive workforce,” May 2020.

[5] HBR, “How and Where Diversity Drives Financial Performance,” January 2018.

[6] Talentlyft, “Top 10 Benefits of Diversity in the Workplace,” December 2018.

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Autorin

Christina Schehl

Executive Vice President | Head of frog, part of Capgemini Invent Germany
frog als weltweit führende Kreativberatung und Teil von Capgemini Invent begleitet Unternehmen dabei, neue Geschäftsmodelle zu erschließen, nachhaltiges Wachstum zu generieren und kundenzentrierte Erlebnisse zu gestalten. Mit mehr als 275 Expertinnen und Experten in den Bereichen Strategie, Design, Daten sowie Technologie bilden Christina und ihr Team die Strategie- und Innovationseinheit von Capgemini Invent in Deutschland. Seit fast 15 Jahren berät Christina Kunden aus verschiedenen Industrien zu Transformationsstrategien im Bereich Customer Experience.