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Wie Hyperscaler die Autobranche nach vorne bringen

Publish Date: 02/2021

BMW setzt bei der gemeinsam mit Microsoft initiierten Open Manufacturing Platform auf eine offene Kollaborationsplattform für die Fertigungsbranche, Volkswagen beim Gegenentwurf „Industrial Cloud“ mit Amazon AWS eher auf ein geschlossenes Modell für die Automobilindustrie. Beide haben das Ziel, Prozesse in der Fabrik mithilfe von Cloud-Architekturen zu optimieren.

Autohersteller kommen um eine große Herausforderung nicht herum: In ihren Fabriken wird eine Vielfalt von Maschinen eingesetzt, Daten entstehen in diversen Formaten und Programme arbeiten auf Basis unterschiedlicher Standards. „Das übergeordnete Ziel besteht darin, Daten in handfeste Informationen umzuwandeln“, so steht es in einem Whitepaper, das Vertreter der Open Manufacturing Platform (OMP) aus der Arbeitsgruppe IoT Connectivity gerade veröffentlicht haben. Nur so wird es möglich werden, die Geschäftsprozesse zu optimieren und effizienter zu machen, neue Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen und Daten mit Geschäftspartnern unkompliziert auszutauschen. Allerdings – und das kennt jeder, der in der Produktion arbeitet – müssen zunächst Rohdaten gesammelt, aus vielen Töpfen zusammengezogen und konsolidiert werden. Das sind Daten etwa von Maschinen, aus „Überwachungs-, Kontroll- und Datenerfassungssystemen“ (SCADA), aus Manufacturing Execution Systems (MES) oder ERP-Systemen. Um daraus geschäftsrelevante Informationen zu ziehen, müssen oft Silos aufgebrochen und ein gewisser Grad an Offenheit hergestellt werden.

Hyperscaler: Tausch von Freiheit gegen weltweite Skalierbarkeit

Mit der OMP geht Autohersteller BMW zusammen u.a. mit den Partnern Bosch und ZF diese Herausforderung mit Hyperscaler Microsoft Azure an. Volkswagen vertraut im Konzept der Industrial Cloud AWS. „Jede Plattform“, sagt Lukas Birn, globaler Leiter OMP aus dem Center of Excellence von Capgemini, „nimmt einem Unternehmen Freiheit, denn sie standardisiert. Dafür nimmt sie ihnen etwa über Managed Services auch Arbeit ab.“ Davon, die globale Lieferkette für etwa 140 Fabriken weltweit zu analysieren, verspricht sich etwa VW eine höhere Produktivität. „Software-Anwendungen zu bauen ist das eine, sie zu betreiben, weltweit auszurollen und zu skalieren etwas anderes“, sagt Birn. Hyperscaler sind gewissermaßen die „Gamechanger“, die VW wie BMW ein Stück weit vorgeben, mit welchen Standards sie arbeiten sollten, damit letztlich eine Skalierung in gewünschtem Maße möglich wird.

Bosch, ZF, Dürr: Warum Autozulieferer auf Public-Cloud-Plattformen setzen

Die OMP versteht sich allerdings eher als Kollaborationsplattform und treibt darüber konkrete Themen wie die Standardisierung ohne Festlegung auf einen einzigen Cloud-Partner – cloud-agnostisch – voran. Die Anwendbarkeit steht also im Vordergrund, während es bei der Industrial Cloud von VW um die Bereitstellung einer technischen Plattform geht, sowie darum, etwa Autozulieferern oder Partnern auf einem Marktplatz die Möglichkeit zu bieten, ihre Software anzubieten. Der Schwerpunkt liegt auf der gemeinsamen Entwicklung und nicht auf der Bereitstellung oder Vermarktung bereits fertiger Lösung durch die Mitglieder. 25 Mitglieder unterstützen bereits die OMP. VW und AWS, derzeit mit elf Partnern (darunter Autozulieferer Dürr und Mischkonzern ABB) unterwegs, wollen in der Industrial Cloud hingegen die „Hoheit“ behalten und Produktionsdaten von Zulieferern und Partnern integrieren. Eines der wichtigen Ziele besteht darin, Features nur einmal zu entwickeln und dann weltweit zur Verfügung zu stellen, etwa Funktionalitäten zur vorausschauenden Wartung oder zum Monitoring.

OMP: Referenzarchitektur als Blaupause für Werke schaffen

Bei der OMP ist eines von vornherein klar: Besonders Elemente werden gemeinsam vorangetrieben, die „nicht differenzierend“ sind, die aber jeder Partner gut gebrauchen kann. Dazu zählen Anbindungen an Maschinen und Anlagen oder die Semantik von Informationen und damit ein einheitliches Verständnis von Statusinformationen. Hier einen Standard zu definieren, wird zum Beispiel autonomen Transportsystemen in Fabriken zugutekommen. Denn wenn ein Fahrzeug einen Auftrag erhält, darf es keine Missverständnisse geben. Das Ziel der Austauschplattform OMP ist, mit vereinten Kräften und unterstützt durch Produktionsunternehmen eine Referenzarchitektur zu schaffen, die als Blaupause in Fabriken von Autoherstellern und Zulieferern eingesetzt werden kann, aber nicht muss. BMW beispielsweise wird voraussichtlich seine existierende IoT-Plattform nicht komplett auf Basis der Referenzarchitektur umbauen, kann aber innovative Komponenten verwenden. Vier Arbeitsgruppen sind bei der OMP aktuell bereits am Start.

Über EDGE-Computing zur „Echtechtzeit“

Und übrigens: Dass die OMP mit der Kooperation nun ausschließlich das Trendthema Public Cloud besetzt, ist nur die halbe Wahrheit. „Cloud Computing ist schon fast durch, in 2021 wird Edge Computing ein wichtiger Schwerpunkt“, sagt Lukas Birn von Capgemini. Denn nur durch die Verarbeitung der Maschinendaten in direkter Nähe zum Entstehungsort lassen sich Daten auch in „Echtechtzeit“, also innerhalb von wenigen Millisekunden, verarbeiten. Geschieht dies in einer Sekunde, ist das noch Quasi-Echtzeit. Aktuelle Cloud-Installationen können dies jedoch insbesondere in getakteten Bereichen nicht kontinuierlich absichern. Häufigste Anwendungen sind daher aktuell Themen rund um Manufacturing Intelligence, welche die unbegrenzten Ressourcen der Cloud besonders gut nutzen. Klar ist: Insbesondere innovative Themen lassen sich gemeinschaftlich besser lösen – ob in der Industrial Cloud oder der OMP, müssen Zulieferer letztlich selbst entscheiden.

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Lukas Birn

Vice President | Sustainability Lead bei Capgemini in Deutschland
Lukas Birn unterstützt mit seiner langjährigen Industrieerfahrung insbesondere Produktionsunternehmen bei ihrer Transformation zur Erreichung des 1,5°C Ziels. Als Sustainability Lead Germany koordiniert er alle Nachhaltigkeitsaktivitäten auf dem deutschen Markt und verantwortet das Climate Action Execution Portfolio Capgemini.