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Robuste Lieferketten: Der Einsatz eines Operations Research Modells stärkt die Resilienz und Effizienz der Transportlogistik

Mariano von Fürstenberg & Thomas Bortenschlager
3. Nov. 2022

Weltweit sind Supply Chains unter massivem Druck – es kommt zu Verzögerungen und Ausfällen von Lieferungen. Algorithmen des Operations Research erzeugen eine stärkere Resilienz und höhere Effizienz in der Transportlogistik.

Das neue Sofa: Kurze Lieferzeit ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal

Wer im Umzugsstress ein neues Sofa kauft, sehnt sich schon im Trubel nach dem zukünftigen Ruhepol. Es kann nicht schnell genug gehen – und der Kauf ist etwas Besonderes. Der Kunde wird mit hoher Wahrscheinlichkeit davon sprechen, was sich auch in reichweitenstarken Online-Rezensionen niederschlägt. Auf Störungen und Verzögerungen reagiert er sensibel, denn in der angespannten Situation wünscht er sich eine besonders positive Customer Experience.

Unternehmen sollten die erhöhte Aufmerksamkeit als Chance nutzen. Heutzutage ist das gewünschte Möbelstück allerdings oft nicht sofort verfügbar und monatelange Lieferzeiten keine Seltenheit. Die Transportplanung des Unternehmens kann die Supply Chain durch den Einsatz mathematischer Modelle optimieren und somit die Wartezeit für seinen Kunden reduzieren.

Wie kommt das Sofa ins Wohnzimmer?

Die Supply Chain besteht aus zahlreichen Akteuren wie Hersteller, Zulieferer, Verteilzentren und Stores. Die Transportplanung muss Transportträger wie Schiffe, Züge oder LKW sowie weitere Ressourcen wie Frachtführer und Verladerampen so koordinieren, dass die Ware zur jeweils geplanten Zeit be- und entladen werden kann. Es besteht eine zeitliche Abhängigkeit zwischen dem Versender und dem Empfänger: Um die Entladung zu terminieren, müssen der tatsächliche Beladezeitpunkt beim Versender sowie die Transportzeit bekannt sein. Nur so kann der LKW zuverlässig ohne langes Warten entladen werden.

Abbildung 1: Die Transportplanung sorgt für einen reibungslosen Ablauf der Warenlieferungen

Derzeit unterstützt meist ein Algorithmus die Transportplanung: Dieser schlägt unter Berücksichtigung der aktuell vorhandenen Buchungen einen Be- bzw. Entlade-Slot für die LKWs vor. Die geeigneten Slots werden im Anschluss verbucht und die Information wird an die beteiligten Einheiten weitergeleitet. Die Ware durchläuft die Lieferkette, bis Sie an das Möbelhaus bzw. in unser Wohnzimmer geliefert wird.

Transportplanung mit mathematischer Modellierung verkürzt die Wartezeit

Die Transportplanung stellt sich einer komplexen Aufgabe und verbucht auf Grundlage der vorhandenen Buchungen täglich eine Vielzahl von neu im System eingehenden Lieferbedarfe. Eine optimale Abstimmung der Transporte aufeinander ist damit jedoch nicht möglich. Wenn die Reihenfolge der im System erscheinenden Lieferbedarfe die Reihenfolge der Buchungen bestimmt, betrachtet das System jeweils nur den einzelnen Auftrag sowie die zu diesem Zeitpunkt noch freien Slots. Das Modell des Operations Research (OR) dagegen bietet die Möglichkeit, alle Transporte eines bestimmten Zeitraums (z. B. für eine Woche) gesammelt unter Berücksichtigung aller Restriktionen optimal zuzuordnen. Diese ganzheitliche Betrachtung und anschließende Zuordnung ermöglicht eine verdichtete Transportplanung und führt demzufolge zu kürzeren Lieferzeiten und optimiertem Ressourceneinsatz.

OR verwendet mathematische Optimierungsmodelle: Hierbei wird eine Zielfunktion sowie die zu berücksichtigenden Restriktionen modelliert und optimal gelöst. In unserem Anwendungsfall ordnet OR jeweils bei Sender und Empfänger Warenlieferungen (Nachfrage) den zur Verfügung stehenden Zeit-Slots von Verladerampen (Angebot) zu. Die Zielfunktion optimiert die Auslastung dieser Rampen. Sie berücksichtigt dabei die Verladezeiten der Einheiten, die Abhängigkeit zwischen Be- und Entladung sowie der Transportzeit und die Verfügbarkeit von Verladerampen. Unternehmen können so die Transporte proaktiv planen und die verfügbaren Zeit-Slots optimal nutzen.

Abbildung 2: Die mathematische Modellierung verteilt die Warenlieferungen gleichmäßig

Die gesamtheitliche Betrachtung der Transportplanung ermöglicht einen Überblick über die effizienteste Zuordnung von Warenlieferungen und Transport-Ressourcen. Die proaktive Planung verhindert unglückliche Buchungen. Transportplaner können sich mit dieser neuen Methode auf die Kontrolle und präventive Maßnahmen gegen potenzielle Störungen fokussieren, statt sich hauptsächlich auf die Buchung von Warenlieferungen zu konzentrieren.

Zusätzlich kann das Modell individuell auf die Gegebenheiten vor Ort, also bei den Zulieferern, Distribution Centern oder Stores, angepasst werden. Die Lieferungen können entsprechend der Bedürfnisse gleichmäßig über den Tag bzw. die Woche verteilt werden. Bei der Auslastung der Ressourcen lassen sich Puffer einplanen und Störungen darüber abfedern, sodass die Transporte nach Plan abgewickelt werden. Das gesamte Transportsystem gewinnt an Effizienz und die Lieferzeit verkürzt sich, da im selben Zeitraum mehr Aufträge geliefert werden können.

Neben der mathematischen Optimierung begründen auch Fortschritte in der Sensoren-Technik sowie bei IOT und KI-Algorithmen einen starken Trend zur dynamischen, gesamtheitlichen Slot-Buchung. Sie ermöglicht kurzfristige Maßnahmen, um in einem zeitlich kritischen Umfeld schnell reagieren zu können. Die mathematische Modellierung des OR legt dafür eine wichtige Grundlage.

Zufriedene Kunden bringen Wettbewerbsvorteile

Der Kunde kann sich über eine kurze, verlässliche Lieferzeit freuen. Er wechselt früher von der provisorischen Bierbank auf sein bequemes Sofa, erholt sich schneller vom Umzugsstress und empfiehlt seinen Händler mit der guten Customer Experience weiter – das Unternehmen gewinnt einen Wettbewerbsvorteil.

Wie ist der Stand in Ihrem Unternehmen? Welche Methoden nutzen Sie, um die Potentiale der Lieferkette für Effizienzsteigerungen auszuschöpfen? Neben der beschriebene Modellierungsmethode gibt es weitere Ansätze, um die gesamte Supply Chain zuverlässiger zu gestalten. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen über diese Optimierungspotentiale.

Autoren

Thomas Bortenschlager

Consultant, Schwerpunkt Supply Chain Transformation – Automotive
Thomas Bortenschlager ist Senior Consultant bei Capgemini Invent und setzt einen besonderen Beratungsschwerpunkt im Supply Chain Management – Automotive. Dabei entwickelt er Supply Chain Strategien, wobei die Anwendung und Umsetzung von Zukunftsthemen wie Digital Twin, Operations Research, Artificial Intelligence oder GenAI in seinem Interssensgebiet liegen.

Mariano v. Fürstenberg

Masterand Business Technology Solutions
Mariano v. Fürstenberg ist Masterand bei Capgemini und beschäftigt sich in seiner Masterarbeit mit der Optimierung eines Teilbereichs der Transportlogistik. Zu seinen Interessensgebieten zählen Anwendungsfälle des Operations Research und die Erkenntnisgewinnung aus Daten.

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