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Process Mining: Wie Sie Potenziale aufdecken und Geschäftsprozesse optimieren

Capgemini
17. Jan. 2022

In dieser Blogreihe widmen sich unsere Experten dem Thema “Process Mining”. In den Blogbeiträgen geben sie uns Einblicke in die Erkenntnisse aus ihren Projekten und teilen hilfreiche Ressourcen.


Teil 4: Sechs Erfolgsfaktoren, mit denen Sie Ihrem Process-Mining-Projekt zum Erfolg verhelfen

Wozu Erfolgsfaktoren?

Für jedes Rezept gibt es Kniffe und Tricks, wie das Ergebnis am Ende noch besser wird als mit dem Kern-Rezept allein. Dies gilt auch für Process Mining. Um ein Process-Mining-Projekt erfolgreich durchzuführen, hilft es Best Practices zu folgen und so von den Erfahrungen bereits durchgeführter Projekte zu profitieren. Die sechs wichtigsten Faktoren stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

1. Projektziel auf die Unternehmensstrategie abstimmen

Ein Process-Mining-Projekt steht und fällt mit der dahinterstehenden Strategie, wozu ein klares Ziel und ein bestimmter Zweck gehören. Dazu muss der Fokus auf den wichtigsten Faktor in den Prozessen des Unternehmens gelegt werden – zum Beispiel auf die Kosten, Durchlaufzeit oder Flexibilität in den Prozessen. Damit wird dann nicht nur der bestmögliche Mehrwert für das Unternehmen generiert, sondern gleichzeitig ein messbares Ziel für das Projekt geschaffen. So lässt sich nach Abschluss des Projekts der Erfolg der getroffenen Maßnahmen klar beurteilen. Um dieses Ziel zu erreichen, kann Process Mining punktuell oder auch langfristig und unternehmensweit eingesetzt werden. Dies ist auch entscheidend, um die dafür am besten geeignete Process-Mining-­Software zu wählen.

2. Die richtige Prozessauswahl treffen

Die Auswahl des Prozesses, der mit Process Mining analysiert werden soll, hängt sowohl vom gewählten Fokus für das Projekt als auch von der Häufigkeit der Ausführung und den verfügbaren Ressourcen ab. Je öfter ein Prozess ausgeführt wird, desto mehr Daten stehen für die Analyse und Entscheidungsfindung zur Verfügung. Zusätzlich muss der Aufwand für die Analyse mit den vorhandenen Ressourcen übereinstimmen. Standardprozesse wie z. B. Purchase-to-Pay (P2P) sind in der Regel einfacher zu analysieren, während stark individualisierte Prozesse mehr Aufwand und ggf. spezifisches Fachwissen benötigen, um sie zu analysieren.

3. Zugriff auf die Daten bereitstellen

Um Verzögerungen im Projektverlauf zu vermeiden, muss der Zugriff auf die benötigten Daten rechtzeitig gegeben sein. Verzögerungen können zum Beispiel dadurch verursacht werden, dass die Daten in anderen Unternehmensbereichen liegen und der Zugriff erst beantragt werden muss. Gleichzeitig muss entschieden werden, ob die Daten als Extrakt bereitgestellt werden oder ob eine direkte Anbindung an die Systeme erfolgt. Des Weiteren muss beim Zugriff und der Extraktion darauf geachtet werden, dass datenschutzrechtliche Gesetze und Richtlinien eingehalten werden. Stehen die Daten bereit, ist außerdem die Datenqualität zu überprüfen und bei Problemen im Preprocessing der Daten zu verbessern. Da all dies Zeit kostet, ist es wichtig, den Zugriff schon sehr früh im Projekt anzusprechen, um ggf. ausreichend Puffer bis zum Beginn der Analyse zu haben.

4. Aussagekräftige Prozessmodelle generieren

Das Ergebnis der Analyse mit Process Mining sind meistens Prozessmodelle, die die Prozessschritte und Abläufe in den analysierten Daten darstellen. Damit bilden sie die Entscheidungsgrundlage für weitere Maßnahmen und müssen daher entsprechend aussagekräftig sein. Dazu sollten sie sowohl vom Abstraktionslevel her verständlich als auch hinsichtlich der Anzahl der dargestellten Informationen nützlich sein. Besonders im Fall von branchen- oder unternehmensspezifischen Prozessen ist für die Interpretation der Prozessmodelle Spezialwissen gefragt, weswegen es sinnvoll ist Experten des entsprechenden Bereichs einzubinden.

5. Umsetzen der Erkenntnisse

Process Mining selbst erzeugt noch keine Kostenersparnis oder Verkürzung der Durchlaufzeit. Dies bewirken erst die Maßnahmen, die auf Basis der Analyse mit Process Mining durchgeführt werden. Daher ist sowohl die Kompetenz gefordert, aus den Ergebnissen gewinnbringende Maßnahmen abzuleiten, als auch ein Prozess, der regelt, bei wem die Verantwortung für das Anstoßen und Umsetzen der Maßnahmen liegt. Zur Umsetzung können Toolkits wie zum Beispiel das ESOAR-Framework von Capgemini eingesetzt werden. So lässt sich durch Process Mining auch ein finanzieller und operativer Mehrwert erzeugen.

6. Wissen und Kompetenzen bündeln

Für ein Process-Mining-Projekt werden neben dem Wissen zu Process Mining weitere Kenntnisse benötigt: zu den ausgewählten Prozessen, den IT-Systemen, die die entsprechenden Daten generieren, sowie zur Unternehmensstrategie. Process-Mining-Team, IT- und die Fach-Abteilung, die die Prozesse verantwortet, brauchen daher ein Set-up, in dem sie eng zusammenarbeiten können. Bei einem längerfristigen Einsatz bietet sich der Aufbau eines Centers of Excellence an, welches die bereits vorhandenen Kompetenzen bündelt. Dadurch kann es sowohl als Single Point of Contact agieren als auch Trainings zur Vermittlung der benötigten Fähigkeiten bereitstellen.

Checkliste für den Erfolg Ihres Process-Mining-Projekts

Um alle Faktoren für ein erfolgreiches Process-Mining-Projekt im Blick zu behalten, haben wir eine Checkliste entwickelt, die alle genannten sowie weiterführende Erfolgsfaktoren enthält. Mit Hilfe eines Fragebogens können diese vor Projektbeginn geprüft werden, um den Erfolg des Process-Mining-Projekts sicherzustellen. Anhand unserer Erfahrungen aus laufenden Process-Mining-Projekten entwickeln wir diese Checkliste kontinuierlich weiter. Haben Sie an alle Erfolgsfaktoren gedacht? Sprechen Sie uns an – wir freuen uns auf den Austausch und unterstützen Sie gern dabei, Ihr Process-Mining-Projekt zum Erfolg zu bringen.


Teil 3: Praxisbeispiele für maßgeschneidertes Process Mining mit Mehrwert

Mit Hilfe von Process Mining durchleuchten immer mehr Unternehmen jeder Branche ihre Prozesse auf Optimierungspotenziale hin. Egal ob Supportprozesse beispielsweise in der Finanzorganisation oder maßgeschneiderte Kernprozesse: Die Process-Mining-Technologie deckt branchenagnostisch Ineffizienzen durch eine 100%ige Prozesstransparenz auf und dient somit als Faktenbasis für datengetriebene Entscheidungsfindung. Der schnell wachsende Funktionsumfang der Process Mining Tools erschließt dabei kontinuierlich weitere wertvolle Use Cases.

Wie Abbildung 1 illustriert, lassen sich Mehrwert stiftende Process Mining Use Cases in jedem Wirtschaftssektor in beliebigen Prozessen finden.

Anhand von drei Beispielen zeigen wir, wie Process Mining Tools Prozesse nicht nur transparent machen und ein umfassendes Monitoring ermöglichen, sondern auch die operativen Geschäftsabläufe beschleunigen.

Use Case 1: Claims Prozess – Erhöhung der Kundenzufriedenheit

Ein Versicherungsunternehmen möchte den Schadenregulierungsprozess standardisieren, um ihn effizienter zu gestalten – mit weniger manueller Arbeit und kürzeren Antwortzeiten. Trotz früherer Automatisierungsinitiativen ist der Prozess durch eine große Varianz der Pfade und durch Engpässe bei der Bearbeitung und Auszahlung geprägt, deren Ursachen unbekannt sind.

Die Entwicklung einer holistischen Process-Mining-Lösung ermöglicht es, die Daten aus den Versicherungs- und CRM-Systemen zu extrahieren und Bearbeitungsschritte, Antwortzeiten sowie Kundenkontakte aller Versicherungsfälle darzustellen. Das Team kann dabei auch die bestehenden Automatisierungslösungen durch Process Mining analysieren und auswerten.

Anhand der erstellten Dashboards ist es möglich die Reaktionszeiten für eingehende Schadensfallmeldungen in (Fast-)Echtzeit nach Eingangskanal und Schadenstyp zu erfassen und sie mit den Zielen der Service Level Agreements (SLAs) zu vergleichen. Anhand einer umfassenden Prozessdarstellung lassen sich die Ursachen von Prozessengpässen aufdecken. Die effizientesten Verfahren identifizieren wir im Benchmarking und heben sie zur Standardisierung als Best Practices hervor. Dadurch können etwa die Auslastung des Callcenters sowie die Kundenzufriedenheit erhöht werden.

In einem konkreten Fall konnte eine Prozessstandardisierung die Nachbearbeitungskosten deutlich reduzieren und die Antwortzeiten um über 50 % verkürzen.

Use Case 2: Transit-Warehousing-Prozess – Logistikoptimierung

Ein multinationaler Einrichtungskonzern hat die Absicht den Transit-Warehousing-Prozess eines Distributionszentrums mit Hilfe von Process Mining zu beschleunigen. Die bestehende IT-Systemlandschaft kann den Prozess nicht Ende-zu-Ende abbilden und auf Ursachen von Verzögerungen hin analysieren.

Mit Hilfe von Process Mining erstellen wir sowohl ein Datenmodell, welches mehrere IT-Systeme miteinander verbindet, als auch Dashboards auf Basis der zugrunde liegenden Daten. Die auf das Unternehmen zugeschnittene Process-Mining-Lösung gewährt einen vollständigen Überblick über den Prozess. Somit können tiefgreifende Einblicke in die definierten prozessrelevanten KPIs, wie die Auslastung des Distributionszentrums pro Wochentag und der Durchlaufzeit einer Palette, gewonnen und diese weiterführend quantifiziert werden.

Im konkreten Kundenprojekt bestehen jährlich finanzielle Einsparpotenziale in Millionenhöhe – etwa durch weniger manuelle Bewegungen jeder Palette im Distributionszentrum sowie einer Anpassung des Be- und Entladeprozesses der Lastwagen.

Use Case 3: Rechnungseingangsprozess – Erhöhung der Automatisierungsrate

Ein global agierendes Einzelhandelsunternehmen möchte eingehende Rechnungen in seinem Shared Service Center mit geringerem Aufwand prüfen und bearbeiten können. Ein automatisierter Prozess war bereits im ERP-System integriert, um dies zu vereinfachen. Mit solch einem System müssen lediglich die fehlerhaften Rechnungen betrachtet werden. Dennoch wurden weitere erhebliche Optimierungspotentiale erkannt.

Mit Process Mining finden wir die Hauptursachen der Rechnungsabweichungen: fehlerhafte Stammdaten und Abweichungen in den Rechnungen bestimmter Lieferanten. Mitarbeitende des Shared Service Centers können diese Lieferanten nun proaktiv ansprechen und fehlerhafte Rechnungen korrekt nachverrechnen.

Einige Vendoren von Process Mining Software ermöglichen darüber hinaus eine operative Nutzung durch (Fast-)Echtzeitdaten und einen Eingriff in die Daten: Jede erkannte Abweichung wird dem Mitarbeitenden direkt angezeigt. Dieser kann sie nach Datum oder Grad der Abweichung priorisieren lassen und abarbeiten. Zudem können Regeln festgelegt werden, nach denen die Software diese Rechnungen automatisiert bearbeitet. Für bestimmte Abweichungen ist es ebenfalls möglich die verantwortliche Person automatisiert per E-Mail zu benachrichtigen.

Die drei beschriebenen Use Cases zeigen, wie flexibel und gewinnbringend sich Process-Mining-Lösungen für unterschiedliche Prozesse und Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftssektoren aufsetzen lassen. Unabhängig von der Systemkonstellation werden Prozesse in (Fast-)Echtzeit transparent dargestellt.

So können Unternehmen Entscheidungen datengetrieben fällen und ihre operativen Geschäftsprozesse beschleunigen.

Vielen Dank an die Co-Autoren Elsa Duberg, Christopher Tzakov und Jan-Owe Linden.


Autor: Andreas Neumann
Business Analyst im Bereich CPRDT

Teil 2: Fünf Schritte – Die Vorgehensweise im Process Mining

Process Mining bringt als datengetriebene Prozessanalyse die Methoden Business Process Management (BPM) und Data Mining zusammen, indem es sich auf die Daten stützt, die durch die Ausführung des Prozesses entstanden sind.[1] Wer die Vorteile des Process Mining ausschöpfen will, braucht Methodik. Um sie zu entwickeln, orientieren wir uns an einer bestehenden Prozessverbesserungsmethode und ergänzen diese um die datenspezifische Komponente des Process Mining.

Der DMAIC-Zyklus und seine Phasen im Process Mining

Die Idee datengetriebener Prozessverbesserung ist nicht ganz neu: Die klassische Methode des DMAIC-Zyklus´, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Phasen Define, Measure, Analyze, Improve und Control zusammensetzt, beinhaltet bereits eine Datenanalyse, die aber nicht näher spezifiziert ist. Dennoch können wir die Schritte dieser Methode auch für Process Mining aufgreifen und anpassen.

Der DMAIC-Zyklus geht jede Prozessverbesserung in fünf Phasen an:

  1. Define
  2. Measure
  3. Analyze
  4. Improve
  5. Control

Wer ihm folgt, definiert zuerst das Problem (Define) und erhebt notwendige Daten (Measure). Im Anschluss daran analysiert er die Daten (Analyze) und implementiert auf den Erkenntnissen dieser Analyse Verbesserungsmaßnahmen (Improve). Wichtig ist, deren Auswirkungen auf den Prozess zu überwachen (Control). Im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung durchläuft der Prozess diese methodischen Phasen iterativ. So kann sich der jeweilige Prozess bestmöglich an neue Anforderungen anpassen. Wie kann nun der DMAIC Zyklus auf Process Mining angewandt werden und wie sind die einzelnen Schritte konkret auszugestalten? Antwort darauf liefert Abbildung 1, die den an Process Mining angepassten DMAIC-Zyklus zeigt:

DMAIC-Zyklus
Abbildung 1 DMAIC Zyklus in Process Mining Projekten

Phase 1: Define

Ob ein Prozess in einem Process-Mining-Projekt analysiert wird, entscheidet sich an verschiedenen Faktoren: etwa daran, wie groß das mögliche Verbesserungspotential sein dürfte, an der strategischen Bedeutung des Prozesses oder ob gerade eine Software eingeführt wird und von dem bestehenden Prozess Anforderungen dafür abgeleitet werden können.

Zuerst ist möglichst detailliert festzuhalten, welche Fragestellungen mithilfe der Prozessdaten beantwortet werden sollen, denn so lässt sich die Menge der benötigten Daten eingrenzen. Für die Beantwortung der Fragen sind nicht nur die reinen Prozessinformationen relevant, sondern auch Metadaten über das Objekt, das den Prozess durchläuft. In einem Purchase-to-Pay-Prozess, in dem Bestellpositionen durch den Prozess verfolgt werden, sind zum Beispiel die Informationen über den Lieferanten und das bestellte Material wichtig, um Zusammenhänge aufzudecken.

Ist der Daten-Scope eingegrenzt, müssen die benötigten Daten lokalisiert werden. Dieser Schritt ist für die Definition der Schnittstelle zwischen Quellsystem und Process Mining Tool notwendig. Process Mining Tools bieten meist out of the Box Verbindungen zu gängigen Datenbanken oder APIs, um den Datenaustausch zu ermöglichen. Falls noch kein Prozessmodell verfügbar ist, sollte in dieser Phase eines erstellt werden, um später Abweichungen zwischen dem erwarteten und dem realen Prozess zu ermitteln.

Phase 2: Measure

In diesem Schritt werden die benötigten Daten aus den Quellsystemen in das Process Mining Tool geladen und zu einem Event Log aufbereitet. Das Team definiert die Prozesskennzahlen sowie weitere Informationen, die relevant für die Prozessanalyse sind, und erstellt Dashboards. Sie decken den Informationsbedarf für die folgende Prozessanalyse.

Phase 3: Analyze

Die Analyse des realen Prozessablaufs anhand der KPIs und des Prozessgraphen kann verschiedenen Ansätzen folgen: Beim explorativen Vorgehen prüft das Team den Prozessgraphen auf Auffälligkeiten und Kennzahlen, die grundsätzlich für Prozesse gelten. Dazu gehören unter anderem die Durchlaufzeiten, die Anzahl der Prozessvarianten, die Automatisierungsrate oder mehrfache Ausführungen einzelner Aktivitäten. Dieses explorative Vorgehen gehört zum Teilgebiet Process Discovery, das wir im vorherigen Beitrag beschrieben haben. Das bestätigende Vorgehen dagegen, empfiehlt sich vor allem für Prozessexperten. Sie überprüfen dabei Hypothesen, die sie im Vorfeld aufgestellt haben.

Im Hinblick auf die Prozessverbesserung ist es in diesem Schritt vor allem wichtig, die Ursachen für abweichende Prozessabläufe und KPIs zu identifizieren. Nur so kann das Team zielgerichtete Verbesserungsmaßnahmen definieren. Expertenwissen über den Prozess ist dazu unerlässlich. In diese Phase fällt auch das Teilgebiet Conformance Checking, mit dessen Hilfe das Team die Unterschiede zwischen realem Prozess und Prozessmodell aufdecken kann.

Phase 4: Improve

Schließlich geht es darum, die erkannten Möglichkeiten zu Prozessverbesserungen umzusetzen. In dieser Phase wird das Process Enhancement durchgeführt. Das kann eine Verbesserung des Prozessmodells sein, des Ablaufs (z. B. durch Automatisierung, Standardisierung oder Schulungen) oder die automatische Steuerung des Prozesses durch definierte Eingriffe und Handlungsempfehlungen im laufenden Prozess. Vor allem den letzten Punkt unterstützt Process Mining optimal: Anhand der Prozessdaten lässt sich der weitere Verlauf eines Prozesses vorhersagen und es können basierend darauf Handlungsempfehlungen an den Bearbeiter geschickt werden. Ein einfaches Beispiel dafür ist eine Benachrichtigung an einen Sachbearbeiter, bis wann er Rechnungen freigegeben haben muss, um kein Skonto zu verlieren.

Phase 5: Control

Im fünften Schritt geht es darum, den Erfolg der Verbesserungsmaßnahmen zu überprüfen und zu diesem Zweck ein kontinuierliches Prozessmonitoring einzurichten. Die wichtigsten Punkte sind dabei, die automatische Datenversorgung des Process Mining Tools sicherzustellen sowie Verantwortlichkeiten für das Monitoring und automatisierte Prozesseingriffe zu definieren. Da sich der Prozess durch die Verbesserungsmaßnahmen verändern kann, sind für ein funktionierendes Monitoring gegebenenfalls zusätzliche Daten über den Prozess notwendig. In diesem Fall beginnt das Team erneut mit Phase 1 – Define, um die passenden Daten zu lokalisieren.

[1] Van der Alst (2016) Process Mining – Data Science in Action


Teil 1: Process Mining – was steckt hinter dem Megatrend?

Wie in Parks gibt es auch in Unternehmen offizielle Wege – manchmal etwas geschwungen, aber gut gepflastert – und Trampelpfade. Sie führen oft schneller von A nach B, vielleicht aber auch quer durchs Tulpenbeet. Ähnlich können die offiziellen und die tatsächlich gelebten Prozesse in Unternehmen ungeahnte positive wie negative Auswirkungen auf Effizienz und Qualität haben oder Risiken bergen. Process Mining ermöglicht Prozessabläufe detailgenau zu erfassen und Prozesse zu optimieren.

Im Unternehmensalltag verselbständigen sich Prozesse schnell und es ist schwer, den Überblick zu behalten: Je komplexer sie werden, desto mehr Aufwand und Kosten kann ihre Erhebung und Analyse verursachen. Und die Menge der zu verarbeitenden Informationen in Unternehmen wächst kontinuierlich, ihre IT-Landschaft ebenfalls – wodurch Prozessdaten oft fragmentiert auf unterschiedlichen Systemen vorzufinden sind. An dieser Stelle setzt Process Mining an. Mit dieser Methode können die tatsächlichen Prozesse durch das Extrahieren von Wissen aus Daten abgebildet, analysiert und Optimierungspotenziale aufgezeigt werden.

Die drei Teilgebiete des Process Mining

Jeder Prozess eignet sich für Process Mining, solange er digital erfasst ist und die relevanten Prozessdaten in verfügbaren IT-Systemen gespeichert sind. Sinnvolle Einsatzgebiete von Process Mining, auf die wir in dieser Blogreihe eingehen werden, sind beispielsweise Claims-, Transit Warehousing- oder Rechnungseingangsprozesse.

Im Process Mining werden – wie in Abbildung 1 dargestellt – die benötigten Daten aus unterschiedlichen IT-Systemen in das Process Mining Tool übertragen, transformiert und Ereignisprotokolle (Event-Logs) erstellt. Ein Ereignisprotokoll muss neben einer CaseID, anhand der ein Fall eindeutig identifiziert werden kann, einen Zeitstempel und eine Aktivitätsbezeichnung enthalten. Anschließend können die Daten in einem Prozessmodell visualisiert werden, das den realen Prozess widerspiegelt.

Prozessvisualisierung
Abbildung 1: Funktionsweise von Process Mining

Die Prozessvisualisierung gehört zum ersten Teilgebiet von Process Mining. Insgesamt gibt es drei Teilgebiete, die aufeinander aufbauen: Process Discovery (Erkundung), Conformance Checking (Konformitätsanalyse) und Enhancement (Verbesserung). Bei der Konformitätsanalyse wird der Soll-Prozess mit dem in der Process Discovery erstellten Ist-Prozess verglichen. Dabei kann überprüft werden, inwiefern die Realität mit dem Modell übereinstimmt. In der Verbesserung geht es darum, das bestehende Prozessmodell anhand von Informationen über den tatsächlichen Prozess zu erweitern und zu optimieren. [1]

Process Discovery: Pfade kartieren

Process Discovery zeigt sämtliche Varianten des Ist-Prozesses in einem Prozessgraphen auf. Er bietet folgende Informationen:

  • wie viele Varianten des Prozesses es gibt
  • wie häufig eine Prozessvariante durchlaufen wird
  • wie lange die Durchlaufzeiten sind
  • welche Aktivitäten in einer Variante durchlaufen werden und
  • in welcher Reihenfolge die Aktivitäten durchlaufen werden.

Ein Prozessgraph ist vollständig und objektiv: Er deckt alle Prozessvarianten auf und ermöglicht so umfassende Transparenz hinsichtlich des Prozesses. Zudem basiert der Prozessgraph auf der Gesamtheit aller zum Prozess verfügbaren Daten, was die Objektivität des Modells gewährleistet.

Mit einem Prozessgraphen können des Weiteren Engpässe innerhalb eines Prozesses identifiziert werden – etwa anhand von Anzeichen wie Wiederholungen und Nacharbeitungen oder wenn ein Prozessschritt länger als der Durchschnitt dauert. Engpässe bedeuten immer eine Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen wie Energie; mit Process Mining können sie analysiert und anschließend vermieden werden. Die Analyse von Engpässen hilft dabei, die Ursache der Engpässe zu finden und zu eliminieren sowie die entscheidenden Elemente gut funktionierender Prozesse zu identifizieren und in den Soll-Prozess aufzunehmen.

Conformance Checking: Pfade vergleichen

Die genaue Kenntnis des Ist-Prozesses ermöglicht es, ihn im Conformance Checking mit dem Soll-Prozess zu vergleichen. So lässt sich herausfinden, wo Abweichungen auftreten: ob etwa Prozessschritte übersprungen, nicht vorgesehene Aktivitäten durchgeführt oder geplante in einer geänderten Reihenfolge durchlaufen werden. Es ist wichtig, Abweichungen zu kennen, da sie sich auf die Effizienz und Qualität auswirken sowie häufig ein anderes Risikomanagement erfordern würden.

Enhancement: den besten Pfad finden

Im Enhancement optimieren wir den analysierten Prozess. Eine kontinuierliche Prozessoptimierung wird dadurch unterstützt, dass Erkenntnisse dank des Process Minings schnell und einfach gewonnen werden können und Veränderungen sowie Trends frühzeitig erkennbar sind.

Die entdeckten Optimierungspotenziale können verschieden groß sein, sich widersprechen und sie sind evtl. unterschiedlich schnell oder nicht zeitgleich realisierbar. Daher ist es sinnvoll, sie zu priorisieren und eine Optimierungsstrategie zu entwickeln. Während ihrer Umsetzung sollte anhand von KPIs beobachtet werden, wie sich die Optimierungsmaßnahmen auf die Prozesse auswirken. So kann der Erfolg gemessen und die Strategie kontinuierlich an neue äußere Bedingungen angepasst werden.

Durch Process Mining können Prozesse innerhalb von Unternehmen datengetrieben und objektiv analysiert sowie optimiert werden. Fragen Sie sich nun, wie Process Mining methodisch funktioniert, welche Faktoren den Erfolg von Process Mining Projekten beeinflussen oder was Anwendungsfälle von Process Mining sind? Dann bleiben Sie dran für die nächsten Beiträge auf diesem Themen-Hub zu Process Mining.

[1] van der Aalst W et al. (2012) Process Mining Manifesto. In: Daniel F, Barkaoui K, Dustdar S (eds) Business Process Management Workshops, vol 99. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, p 169–194

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