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Die ‚Minimal Virtual Organisation‘ – eine positive Entwicklung aus der aktuellen Krise

Capgemini Invent
22. Apr. 2020
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Die Not der maximal virtuellen Zusammenarbeit als Chance für die Digitalisierung nutzen

Für die meisten Organisationen waren die letzten Wochen alles andere als Business as usual. Notfallpläne für die aktuelle Krise haben Unternehmen gezwungen, plötzlich ihre Zusammenarbeit maximal digital auszuführen. Dieser ungeplante Stresstest hat erheblichen Druck auf bestehende Prozesse, Governance-Mechanismen, Führungsmodelle und Formate der Zusammenarbeit erzeugt.

Teams oder ganze Geschäftseinheiten, die ohne ordnungsgemäße Planung in einen Arbeitsmodus „von zu Hause aus“ übergegangen sind, können schnell zu Verwirrung, mangelndem Informationsaustausch und Motivation führen, was sich erheblich auf die Arbeitsproduktivität auswirken kann.

Auf organisatorischer Ebene kann ein externer Schock wie der, den wir aktuell erleben, sowohl eine Bedrohung als auch Befreiung nach sich ziehen. Die meisten Führungskräfte, mit denen wir interagieren, sind sich voll und ganz bewusst, dass sie einen Öltanker steuern und nicht ein Schnellboot, das sich rasch an die neuen Umstände anpasst. Die Realität sieht so aus, dass Veränderungen ohne einen Schock dieses Ausmaßes, der das gemeinsame Gefühl erzeugt, dass alle alten Regeln gebrochen werden können, schwer zu meistern sind. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen, um Platz für Neues zu schaffen und von den finanziellen, als auch persönlichen Vorteilen der digitalen Zusammenarbeit zu profitieren.

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Abbildung 1: Vorteile von Home Office, Quelle: Bloom, Nicholas A. „Why Working from Home Is a ‚Future-Looking Technology.’“ Stanford Graduate School of Business. Accessed April 17, 2020. https://www.gsb.stanford.edu/insights/why-working-home-future-looking-technology.

Das Mögliche neu erfinden

Wir sehen bereits einen Wandel in der Art und Weise, wie Menschen arbeiten, interagieren, Entscheidungen treffen und führen, während sie von zu Hause aus arbeiten. Während wir diese Veränderungen beobachten, wissen wir noch nicht, ob die Art und Weise, wie wir heute in einer virtuellen Umgebung Technologien einsetzen, Ideen austauschen und Projekte realisieren, bereits das Beste ist, was wir tun können. Wahrscheinlich ist die Phase, in der wir uns derzeit befinden, gerade gut genug, und es gibt noch Raum für weitere Verbesserungen, um Organisationen widerstandsfähiger, effizienter, anpassungsfähiger und schneller zu machen, damit sie besser und schneller auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren können und, warum nicht, damit das Arbeiten auch mehr Spaß macht.

Unserer Meinung nach sollten Unternehmen diese Gelegenheit nutzen, um ihren Wandel hin zu einer virtuellen, anpassungsfähigen Organisation zu beschleunigen. Dabei schauen wir holistisch auf 8 Dimension des Operating Models, wobei wir uns auf folgende 5 Dimensionen fokussieren; Struktur, Prozesse, Governance, Zusammenarbeit (Teil der Dimension Kultur) und Infrastruktur (Teil der Dimension Arbeitsumfeld).

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Abbildung 2: Organizational Dexterity

Von der aktuellen Zusammenarbeit hin zur virtuellen Organisation

Auch wenn es für technologieorientierte Unternehmen einfacher sein mag, sich auf Kollaborationstools zu konzentrieren, indem sie Video-Sharing, Konferenzwerkzeuge, Formate für die Zusammenarbeit und Schulungen für alle einrichten, um sie optimal nutzen zu können, sind wir der Meinung, dass die Entwicklung zu einer virtuellen Organisation die gleichzeitige Aktivierung der fünf Dimensionen „Struktur, Prozesse, Governance, Zusammenarbeit und Infrastruktur“ ist.

Struktur – Die Organisationsstruktur zu ändern, nur weil große Teile des Unternehmens nicht physisch zusammenarbeiten (können), erscheint als ein ungeeigneter Schritt. Allerdings machen die Krise und virtuelles Arbeiten etwas mit der Struktur. Sie tritt auch in traditionellen Unternehmen noch weiter in den Hintergrund, als sie das ohnehin in adaptiven und agilen Unternehmen tut. Der Fokus liegt auf der Ablauforganisation, dem effektiven Zusammenbringen der richtigen Menschen. Dennoch ist gerade in Zeiten wie diesen, aber auch in der weitestgehend virtuellen Arbeit, ein Gefühl von Zugehörigkeit, Stabilität und Sinn notwendig. Auch wenn die Organisationsstruktur also immer weiter in den Hintergrund tritt, hat sie auch weiterhin eine wertvolle Funktion. Diese Fokussierung der Funktion einer Organisationsstruktur sollten Unternehmen für sich aus den Erfahrungen der Krise definieren und in die Normalität übersetzen.

Prozesse – Sie dominieren in modernen Organisationen bereits jetzt die Aufbauorganisation. In einer Zeit, in der der weitaus größte Teil der Mitarbeiter*innen physisch isoliert arbeiten, wird die Eigenschaft, effiziente Prozesse zu haben, die den roten Faden und Orientierung für die tägliche Arbeit geben und die eine Erfolgsmessung ermöglichen, essentiell. Dabei kommt es auf etwas an, das mit der Einführung von agilen Methoden gerne auch vernachlässigt wurde, die intuitive, nachvollziehbare und ausreichend detaillierte Beschreibung der Arbeitsabläufe. Für ein dauerhaft erfolgreiches virtuelles Zusammenarbeiten ist es essentiel, dass jeder sich über seinen Anteil an der Wertschöpfung bewusst ist, dass die einzelnen Prozessbestandteile nahtlos ineinander greifen und dass Transparenz darüber besteht, ob und in welcher Form alle relevanten Leistungen einer Organisation in erwarterer Qualität ausgeführt werden können.

Governance – Das Treffen von Entscheidungen und die Steuerung des Unternehmens sind ohnehin zu jeder Zeit erfolgskritisch. In der aktuellen Situation verstärkt sich diese Kritikalität nochmals immens. Richtig gelebt, bietet das virtuelle Arbeiten allerdings viel Potential, Entscheidungen besser und in kürzeren Zyklen zu treffen und Steuerungsimpulse zu setzen. COVID-19 Task Forces zeigen, wie effektiv und einfach Experten für Entscheidungen virtuell zusammenkommen können und dass Reaktionen auf äußere Einflüsse schnell in Entscheidungen münden. Die Kommunikation der Entscheidungen und der Steuerungsimpulse ist bei Nutzung der entsprechenden Kollaborationsplattformen und Werkzeuge in Sekunden an weite Teile des Unternehmens möglich.

Zusammenarbeit – Die Einrichtung der richtigen Instrumente für die Zusammenarbeit ist ein erster Schritt, aber er wird bei weitem nicht genügen, um alle gewinnbringenden Vorteile zu erfassen. Die Führungskräfte werden ihre Art und Weise der Interaktion mit ihren Teams anpassen müssen. Klare Richtlinien für die virtuelle Zusammenarbeit werden die richtigen Formate für virtuelle oder hybride Tagungen mit ernannten Moderatoren, Trainern und Champions festlegen. Eine Kultur des Experimentierens und ständigen Lernens ist der Kern des Erfolgs.

Infrastruktur – Die richtige IT-Infrastruktur muss flexibel, sicher und für alle Mitarbeiter, einschließlich externer Auftragnehmer, leicht zu verwenden sein. Alle Mitarbeiter müssen Zugang zu entfernten Back-Office-Tools haben, die Daten müssen in der Cloud liegen und dennoch auf jedem Gerät zugänglich sein, und es muss genügend Breitband von unterwegs oder über ein VPN von zu Hause aus zur Verfügung stehen.

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Abbildung 3: Virtual Operating Model

Entwerfen und starten Sie jetzt Ihre minimale virtuelle Organisation

Wir glauben, dass die aktuelle Krise eine bis dato einmalige Gelegenheit bietet, kritisch über die Fähigkeit des Unternehmens nachzudenken, sich in einen digitalen Arbeitsplatz zu verwandeln, der in der Lage ist, eine Vielzahl von Vorteilen zu nutzen, von der Anziehungskraft auf Talente über die Produktivität bis hin zur Widerstandsfähigkeit im Falle externer Schocks. Unterstützt werden muss die Ausgestaltung der Dimensionen dabei durch ein geeignetes Programm-und Veränderungsmanagement.

Während die meisten Organisationen den Wandel hin zu einer virtuellen Organisation bereits eingeleitet haben, stehen wir erst am Anfang eines Trends, der sich auch nach dieser Krise fortsetzen wird. Spitzenreiter werden den Kern einer virtuellen Organisation schaffen, eine virtuelle Mindestorganisation (MVO), indem sie klein anfangen und die gesamte Organisation iterativ umgestalten.

Vielen Dank an die Co-Autoren Max Baldelli, Markus Cramer & Carolina Spiess.


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