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Klarheit über End-to-End Prozesse erleichtern die S/4HANA Transformation

Capgemini Invent
16. Jul. 2020
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Durch die Integration von Geschäftsprozessen in einem ERP System begann die Erfolgsstory von SAP vor einigen Jahrzehnten. Das Unternehmen zählt heute zu einem der führenden Softwareanbieter der Welt.

Die Klarheit über die bestehenden Geschäftsprozesse wird umso wichtiger im Hintergrund der digitalen Transformation. Für die betroffenen Unternehmen ist es daher umso wichtiger vermehrt in End-to-End (E2E) Prozessen zu denken und dabei nicht an den eigenen Unternehmensgrenzen Halt zu machen. Auch SAP hat verstanden das sein neuestes ERP System S/4HANA sich dieser veränderten Realität stellen muss. Es ist wichtig das ein Prozess im Zweifel über mehrere Systemgrenzen robust und fehlerfrei abläuft und dies für den Anwender am besten gar nicht erkennbar ist (Schlagwort User Experience). Zur Bereitstellung von E2E Prozessen mit eigenen Lösungen hat SAP die letzten 10 Jahren umfangreiche Akquisen (z.B. Ariba, Hybris, Callidus) durchgeführt.

Bei der Frage des Neudenkens oder der Neuausrichtung von E2E Prozessen sind zunächst die nachfolgenden Grundlagen zu erarbeiten.

1. Erstellung eines Prozesshauses

Der erste Schritt bei der Ausrichtung der E2E Prozesse ist die Definition eines unternehmensindividuellen Prozesshauses, welches regelmäßig an das dynamische Unternehmensumfeld anzupassen ist. Notwendige Prozessveränderungen können aufgrund von internen Faktoren (z.B. Verkauf einer Unternehmenssparte, Einführung eines Shared Service Centers, Veränderung des Operating Models) oder externen Faktoren wie die Akquisition eines anderen Unternehmens oder eine veränderte Rechtslage notwendig werden. Es hat sich im Business Process Management (BPM) bewährt ein Prozesshaus analog der Qualitätsmanagementnorm der Normenreihe EN ISO 9000 ff in die folgenden Ebenen aufzuteilen:

  • Managementprozesse
    • Prozesse zur Steuerung des Unternehmens
    • Legen Unternehmensziele fest und überwachen Zielerreichung
  • Operative Prozesse/Kernprozesse
    • Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens
    • Erzeugen sichtbaren, unmittelbaren Kundennutzen
  • Unterstützende Prozesse
    • Prozesse welche die Erfüllung der Kernprozesse unterstützen
    • Stellen betriebliche Ressourcen und verwalten diese

Da die Mehrheit der vorhandenen Geschäftsprozesse eines Unternehmens die Kernprozesse darstellt, empfiehlt es sich eine weitere Klassifizierung auf dieser Ebene vorzunehmen. Diese Unterteilung wird in der Regel abhängig vom Unternehmenstyp und der Geschäftstätigkeit vorgenommen. Durch die Ermittlung und Klassifizierung von Geschäftsprozessen wird ein wichtiges Ergebnis erzielt – die Prozesslandkarte – welche den zweiten Schritt bei der Ausrichtung der E2E Prozesse darstellt.

2. Ausgestaltung einer Prozesslandkarte

Eine Prozesslandkarte stellt die Konkretisierung eines Prozesshauses dar und beinhaltetet deren wertschöpfenden und unterstützenden Prozesse. Die identifizierten E2E Prozesse (Level 1) eines Prozesshauses werden dabei weiter in Teil- und Detailprozesse (Level 2 + 3) aufgesplittet und mit Hilfe von unterschiedlichen Visualisierungsmethoden dargestellt. Daraus resultierend ergeben sich unter anderem folgende E2E Prozesse:

  • Source-to-Pay
  • Order-to-Cash
  • Record-to-Report
  • Hire-to-Retire

Die höchste Kritikalität und zugleich Komplexität stellt in vielen Unternehmen der E2E Prozess Order-to-Cash (OtC) dar, welcher eine Zusammenarbeit der Bereiche Vertrieb, Logistik und Rechnungswesen erfordert. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell deutlich, dass wichtige Teile des Prozesses nicht berücksichtigt sind. Es fehlt einerseits die Integration von Kundengewinnungsprozessen und andererseits die Berücksichtigung der Individualisierung von Produkten. Neben dem Maschinen-/Anlagenbau ist zunehmend auch bei klassischen Massenmärkten wie der Bekleidungsindustrie ein Trend zu individuellen Kundenwünschen (Stichwort Lot Size 1) zu erkennen.

Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Kundengesichtspunkte wird der bisher gebräuchliche E2E Prozess Order-to-Cash gemäß dem zuvor erwähnten Input-to-Output Prinzip erweitert auf Lead-to-Cash (LtC). Das hat auch die SAP bei der Produktentwicklung ihrer neuen Lösungen SAP S/4HANA (On Premise/Cloud) und SAP C/4HANA (Cloud only) berücksichtigt und versucht dadurch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen ERP Anbietern zu erlangen.

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Abbildung 1: E2E Prozesskette Lead-to-Cash

Dabei bildet S/4HANA das intelligente und skalierbare ERP System (Digital Core) mit der Möglichkeit einer integrierten Nutzung von vorhandenen CRM Systemen (z. B. SAP CRM, Salesforce), SAP Add-ons (S/4HANA for Customer Management) sowie Cloud-basierten Lösungen (SAP C/4HANA). Der IT gestützte Lead-to-Cash Prozess bildet – wie in der Übersicht unschwer zu erkennen – eine sehr lange Wertschöpfungskette, die dem Anwender jedoch eine verbesserten User Experience offerieren soll. Eine Untergliederung des Lead-to-Cash Prozesses in seine originären E2E Prozesse ist daher sinnvoll und bildet gleichzeitig die Voraussetzung für den dritten Schritt der Ausrichtung der E2E Prozesse – die Aufteilung der Prozessverantwortlichkeit.

3. Festlegung der Prozessverantwortlichkeiten

Für die Betreuung eines ERP Systems wird der IT Support üblicherweise in den Strukturen 1st bis 3rd Level Support organisiert und das Bindeglied zwischen den Fachbereichen und den IT Verantwortlichen bildet in der Regel die Key User Organisation. Es empfiehlt sich, die Verankerung der Prozessziele in den Zielvereinbarungen der entsprechenden Mitarbeiter zu integrieren. Aber welche Rollen sollte eine unternehmensweite Prozessorganisation beinhalten? Die folgende Aufgabenteilung zwischen den genannten Rollen hat sich im Rahmen des Business Process Management (BPM) etabliert:

Prozessmanager

  • Unternehmensweite Koordination der Aktivitäten zur Verbesserung, Modellierung und Dokumentation von Prozessen
  • Vermittlung einer prozessorientierten Denkweise
  • Unternehmensweite Verantwortung für die Steuerung und Koordination von Verbesserungsmaßnahmen

Prozessverantwortliche

  • Verantwortung für klar abgegrenzten Bereich (Prozess oder Teilprozess)
  • Moderation und Coaching des Prozessbereiches
    • Prozesscontrolling, Koordination und Steuerung
    • Information für Prozessbeteiligte und Stakeholder

Prozesseigentümer (optional)

  • Verantwortung für Zielerreichung eines Prozesses
  • Festlegung der Prozessziele (und Abstimmung mit den Unternehmenszielen)
  • Delegation der Verantwortung für (Teil-)Prozesse an Prozessverantwortliche, welchen er fachlich vorgesetzt ist

Eine gut funktionierende BPM Struktur und Organisation leistet damit einen wichtigen Beitrag für eine reibungslose und erfolgreiche S/4HANA Transformation. Sie ist ein wichtiges Entscheidungskriterium welchen Transformationsansatz ein Unternehmen bei seiner Journey verwenden sollte. Aber welche weiteren Kriterien können bei der Entscheidung für die richtige Transformationsstrategie (brownfield versus greenfield) noch herangezogen werden? Die folgende Tabelle umfasst eine Übersicht von relevanten Kriterien, die bei der Entscheidung für eine Strategie herangezogen werden sollten:

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Abbildung 2: Brownfield vs. Greenfield Ansatz

Neben der Optimierung der Prozesse und der Ausrichtung des zukünftigen ERP Systems (Digital Core) stellt sich die Frage nach der effizienten Nutzung von Daten und dem Einsatz von intelligenten Technologien (z.B. Artificial Intelligence, Machine Learning). Hier hat SAP den Begriff des intelligenten Unternehmens (Intelligent Enterprise) geprägt, indem gewonnene Erkenntnisse in Handlungen umgesetzt werden und das unternehmensweit und in Echtzeit.

Fazit:

Bei einer S/4HANA Transformation ist es wichtig sich zunächst über die eigene Wertschöfungskette, den Reifegrad des BPM Modells, das verwendete Geschäftsmodell und die aktuelle Wettbewerbssituation im Klaren zu sein. Prozesslandkarten helfen alle notwendigen E2E Prozesse zu erfassen, welche bei der Transformation ein Zusammenspiel des zukünftigen Digital Core ERP mit einem anderen SAP System oder sogar einem Drittsystem erfordert und das mit einer verbesserten User Experience. Zu guter Letzt sollte das Potential intelligenter Technologien und die konsequente Nutzung der gewonnen Daten in Echtzeit betrachtet werden.

Vielen Dank an den Co-Autoren Frank Ehrich.

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