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Inventive FRC – Compliance: Neuer Rekord bei Geldwäsche – Kann RPA Abhilfe schaffen?

Ulrich Windheuser
09. Sep. 2020
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Capgemini Invent adressiert die CxO Daten-Strategie und unterstützt seine Kunden bei der datengetriebenen Wertschöpfung.

Mit Inventive Finance, Risk & Compliance (Inventive FRC) meistern wir die Herausforderungen der Finanz-, Risiko- und Compliance-Funktion im Finanz-Sektor. Dieser Blog-Artikel fokussiert auf Compliance.

Neuer Rekord bei Geldwäsche-Verdachtsfällen im Finanzsektor – Ist der Kampf gegen kriminelle Banden schon verloren?

Der jüngste Bericht der Financial Intelligence Unit (FIU) verdeutlicht den starken Anstieg von verdächtigen Transaktionen im Geldwäscheumfeld. Im Vergleich zu 2018 erhöhte sich die Anzahl im Jahr 2019 um fast 50% auf ca. 114.000 Verdachtsfälle mit insgesamt über 355.000 verdächtigen Transaktionen, von denen ca. 98% auf den Finanzsektor entfallen (FIU-Jahresbericht 2019).

Bei der Kontrolle und Bearbeitung von verdächtigen Transaktionen hinken die Banken den Kriminellen noch immer hinterher. Die häufig veralteten und starren IT-Architekturen, gepaart mit hohen manuellen Aufwänden, führen zu einer ineffizienten Bearbeitung von Verdachtsfällen und zu einem enormen Kostendruck auf Seiten der Banken. Zudem betrachten Finanzinstitute das Thema der Verdachtsfälle häufig nicht holistisch. Effizienzsteigerungen und Einsparungen haben meist nur punktuelle Wirkung, beispielsweise durch die Optimierung von Regeln, um die Anzahl falscher Verdachtsfälle (False-Positives) zu reduzieren. Darüber hinaus fokussieren sich Banken meist nur auf die Vereinfachung und Vereinheitlichung bestehender Prozessschritte.

Auf Grund der steigenden Anzahl an verdächtigen Transaktionen sowie dem hohen Aufkommen an False-Positives, welche ca. 90% der überwachten Transaktionen ausmachen, sollte das Ziel vor allem darin bestehen, den Automatisierungsgrad der manuellen Tätigkeiten zu steigern. Speziell die aktuellen technologischen Möglichkeiten, die sich durch eine effiziente Datenanalyse und der automatisierten Bereitstellung von Transaktionsinformationen ergeben, gilt es in der Fallbearbeitung von Geldwäsche zu nutzen.

Roboter unterstützen bei der automatisierten Zusammenstellung von Transaktionsinformationen – Der Mensch behält die Entscheidungsgewalt

Im Industriedurchschnitt wird davon ausgegangen, dass AML-Analysten nur ca. 10% ihrer Zeit für die Analyse von Verdachtsfällen verwenden. Fast 75% der Bearbeitungszeit pro Fall verwenden die Analysten für die Aggregation von Kundeninformationen. Weitere 15% werden für die Organisation und strukturierte Eingabe der Daten genutzt. Daher lässt sich zusammenfassend sagen, dass ca. 90% der verfügbaren Arbeitszeit von AML-Analysten auf manuelle Tätigkeiten entfallen, die repetitiv und nicht effizient sind.

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Quelle: Booz; Allen; Hamilton (April 2016)

Robotic Process Automation (RPA) bietet eine effiziente Lösung, um das Automatisierungspotential in der Verdachtsfallbearbeitung nutzbar zu machen. Dabei lassen sich Roboter so programmieren, dass sie einfache, repetitive Routineaufgaben übernehmen und dabei auf unterschiedliche Source- und Anwendungssysteme Zugriff haben. Durch die hohe Konsistenz und Genauigkeit bei der regelbasierten Aggregation von Transaktionsinformationen durch den Roboter kann sich der AML-Analyst auf kritische und dringliche Aufgaben fokussieren. Hierdurch hat der Analyst mehr Zeit für die Investigation und die abschließende Bewertung der verfügbaren Transaktionsinformationen.

Durch die Unterstützung mittels RPA lassen sich zudem Prozessschritte vereinheitlichen. Während der Roboter die Informationen, die für die Analyse des Verdachtsfalls A nötig sind, aus den verschiedenen Systemen aggregiert sowie im Workflowtool in einem Kundendashboard adäquat aufbereitet, kann der AML-Analyst parallel die Bewertung des Verdachtsfalls B durchführen. Außerdem können Roboter ihre Tätigkeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit ausführen.

Im Rahmen einer Ausweitung des Automatisierungspotentials in der Verdachtsfallbearbeitung können Roboter bereits heute auch für die folgenden Tätigkeiten genutzt werden:

  • Cross-checks mit internen und externen Datenbanken
  • Validierung von Kunden- und Stammdateninformationen
  • Regelbasierte Bearbeitung von Level-One Verdachtsmeldungen
  • Erstellung von KPI Dashboards und Management Reports
  • Erstellung von Suspicious Activity Reports (SAR)

Banken reallokieren Ressourcen in der Verdachtsfallbearbeitung, indem sie repetitive Aufgaben an Roboter übertragen

Die Erfahrung zeigt, dass die Einführung von RPA keine Patentlösung ist, um das Problem von manuellen Tätigkeiten im AML-Prozess zu lösen. Bei der RPA-Implementierung lohnt es sich daher, einen stufenweisen Ansatz zu wählen (Pilot). Dieser Pilot gewährleistet zum einen die Akzeptanz in der Organisation und zum anderen lassen sich so schnelle, sichtbare Erfolge günstig erreichen.

Der internationale Bank-Transformation, -Technologie und -Geldwäsche-Experte Ulrich Windheuser fasst den Wertbeitrag wie folgt zusammen: Der Finanzsektor befindet sich an einem Wendepunkt. Viele Banken überdenken nicht nur ihre Kostenstrukturen und Herangehensweise im AML-Bereich, sondern realisieren immer mehr das Potential von technologischen Innovationen zur Automatisierung. Für Banken ist der Zeitpunkt ideal, sich von manuellen, nicht effizienten Prozessschritten zu verabschieden und den Fokus auf die intelligente Auswertung der verfügbaren Daten zu legen.

Vielen Dank an den Co-Autor Fabian Weidner.

Dieser Blog erscheint im Rahmen unserer Blogreihe “Inventive FRC – Compliance”. In den weiteren Artikeln beschäftigen wir uns mit folgenden Aspekten:

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Autor

Ulrich Windheuser

Vice President | Head of Enterprise, Data & Analytics, Capgemini Invent
Ulrich Windheuser hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in Banking. Funktional haben ihn stets die Herausforderungen der Finance/Risk-Integration getrieben, insbesondere forderten ihn das Schaffen einer einheitlichen Datenplattform mit hoher Datenqualität heraus. Auf dieser Basis freut er sich auf die neuen, darüber hinausgehenden Herausforderungen, um Banken zu mehr datengetriebenen Geschäftsmodellen zu verhelfen. Aktuell leitet er in Deutschland die Capability Unit Enterprise, Data & Analytics. Er hat an der Mercator Universität Duisburg Mathematik studiert und an der Universität Kaiserslautern in Technomathematik promoviert.

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