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Wasserstoff-Transformation Teil 1 – Welche Sektoren von intelligenter Produktion profitieren

Andreas Kötter
28. Jul. 2023
capgemini-engineering

Wasserstoff ist ein Schlüsselfaktor für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und die Energiewende. Für Brennstoffzellen, Elektrolyseure oder den Wasserstofftransport benötigen wir künftig intelligente Lösungen wie digitale Zwillinge. Im ersten Teil unserer Blogserie zeigen wir zunächst, welche Sektoren von Wasserstoff profitieren.

Wo Elektrifizierung nicht in Frage kommt, gilt Wasserstoff als alternativer Energieträger, der zudem Wachstum und Arbeitsplätze verspricht. Für die deutsche wie auch die globale Klimapolitik sind Investitionen hier alternativlos.

Die Nachfrage nach Wasserstoff ist dementsprechend in den vergangenen drei Jahren um 10% gestiegen. Zahlreiche Länder sowie auch die EU haben zum Teil milliardenschwere Wasserstoffstrategien ins Leben gerufen.

Deutschland beispielsweise hat seine nationale Wasserstoffstrategie im Jahr 2020 verabschiedet. Das Ziel sind bis zu 5 GW an grüner Wasserstoffproduktion bis 2030. Diese Zielvorgabe wurde kürzlich in der aktualisierten Nationalen Wasserstoffstrategie 2023 auf 10 GW erhöht. Der gesamte Wasserstoffbedarf im Jahr 2030 wird auf 95 – 130 TWh geschätzt.

Stahlindustrie: CO2-Einsparpotenziale durch Direktreduktion

Einer der Großverbraucher ist die Stahlindustrie. Sie hat sich als einer der ersten Sektoren durch ihren beschleunigten Transformationspfad hin zur Direktreduktion (DRI) auf Basis von Wasserstoff frühzeitig positioniert.

Im Jahr 2020 emittierte die deutsche Stahlindustrie über 48 Mio. t CO2e (s. dazu auch Abb. 1). Um diese einzusparen und die Produktion vollständig auf Wasserstoff umzustellen, sind mindestens 2 Mio. t Wasserstoff pro Jahr bis 2050 nötig. Dabei veranschlagen die deutschen Stahlhersteller mindestens 15 Mrd. EUR als Investitionskosten bis 2045, um die Produktionsanlagen dafür aufzubauen.

Abb. 1: Treibhausgasemissionen (THG) in Deutschland 2017 gesamt und nach Industrien. Quelle: Eigene Darstellung gemäß Emissionsdaten des UBA, des Wuppertal Instituts sowie der Verbände VDZ und WV Stahl.

Die bisherige auf Kohlenstoff basierende Stahlproduktion in einem Hochofen wird abgelöst durch die Direktreduktion. Dabei werden Eisenerze von den Prozessgasen H2 und CO bei ca. 1000°C in einem Ofen durchströmt. Die im Eisenerz enthaltenen Eisenoxide (also Sauerstoffverbindungen) werden dadurch in Form von H2O und CO2 entfernt und es entsteht ein Eisenschwamm, welcher anschließend zu Stahl legiert wird.

DRI-Anlagen können auch mit Erdgas betrieben werden. Das eröffnet CO2-Einsparpotentiale von über 50% gegenüber einem konventionellen Hochofen und ermöglicht je nach Verfügbarkeit des grünen Wasserstoffs eine stufenweise Reduktion der CO2-Emissionen und Umstellung auf Wasserstoff. Allerdings zeigt eine Studie des Capgemini Research Instituts, dass derzeit noch die Wasserstoffinfrastruktur fehlt, um den Verbrauch bei einem Umbau hin zur Direktreduktion zu decken. (Mehr dazu in Teil 3 dieser Blogserie).

Wasserstofftransport mit Ammoniak

Zusätzlich haben neueste Untersuchungen der Max-Planck-Gesellschaft gezeigt, dass auch Ammoniak zur Direktreduktion geeignet ist. Das könnte den Transformationspfad der Stahlindustrie enorm beschleunigen. Ammoniak gilt als vielversprechendste Transportform für Wasserstoff und ist um vieles einfacher handhabbar als flüssiger Wasserstoff (mehr dazu im Blog Teil 2).

Der Prozess hat auch noch weitere Vorteile, z. B. die Ausbildung einer Schutzschicht um das reine Eisen. Damit kann diese direkte Verbindung von Ammoniakproduktion und Stahlherstellung für einen disruptiven Technologiewandel sorgen.

Abb. 2: Eisenherstellung mit grünem Ammoniak. Quelle: Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Yan Ma et al., 2023

Chemieindustrie – Wasserstoff als Rohstoff

Die Chemieindustrie braucht ca. 1,1 Mio. t Wasserstoff pro Jahr, wobei der Großteil auf die Produktion der Grundchemikalien Ammoniak (ca. 460.000 t) und Methanol (ca. 200.000 t) entfällt. Die derzeitigen Investitionskosten liegen für eine Tonne grünen Ammoniak mit 1800€ pro Tonne um einen Faktor 2,7 höher als mit einer konventionellen Anlage. Ähnlich verhält es sich bei der Herstellung von grünem Methanol mit Investitionskosten von ca. 1700€/t. Das liegt vor allem an den hohen Investitionskosten für Elektrolyseure. Mit einer Kostenparität verglichen mit konventionellen Anlagen ist voraussichtlich erst 2040 zu rechnen.

Automobil-, Flug- und Bahnsektor, Schifffahrt sowie Gebäudesektor: Der Energiewandler der Zukunft heißt Brennstoffzelle

Um Energie in Form von Strom aus Wasserstoff zu gewinnen, wird der Energiewandler Brennstoffzelle verwendet. Dabei wird formal der Prozess der Elektrolyse umgekehrt und aus Wasserstoff und Sauerstoff entsteht Wasser, Strom und Wärmeenergie. Der Wirkungsgrad liegt je nach Art der Brennstoffzelle zwischen 50-70%.

Am weitesten verbreitet ist die sog. Protonenaustauschermembran-Brennstoffzelle (Proton-exchange membrane fuel cell, PEMFC). Aufgrund ihrer enormen Flexibilität, der niedrigen Betriebstemperatur zwischen 60-80°C und der Möglichkeit einer hohen Leistungsdynamik findet sie vor allem in Bereichen wie Mobilität und in der Notstromversorgung Anwendung.

PEMFC finden beispielsweise bereits in einigen Fahrzeugen Anwendung (Besuchen Sie uns gerne auf der IAA). Weitere Einsatzmöglichkeiten von Brennstoffzellen-Stacks bieten sich u. a. im Flug- und Bahnsektor sowie in Kraftwerken, in der Schifffahrt oder im Gebäudesektor.

Neben der Frage, welche Industrien die Wasserstoff-Transformation vollziehen müssen, stellt sich natürlich die Frage, welche Kapazitäten und Infrastruktur für Erzeugung sowie Transport von Wasserstoff notwendig sind. Darauf wird Teil 2 dieser Blogserie eingehen.

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Autor

Andreas Kötter

Head of Research and Innovation, Capgemini Engineering Deutschland
Andreas Kötter arbeitet seit 14 Jahren für Capgemini. Er verfügt über langjährige Expertise in den Bereichen Prototypen- und Demonstratorenentwicklung sowie Innovationsmanagement. Mit mehr als 12 Jahren Erfahrung in der Koordination verschiedener Forschungs- und Innovationsprojekte, die von der Europäischen Kommission und der deutschen Regierung finanziert wurden, leitet er heute das Capgemini Center of Excellence für Forschung und Innovation.

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