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Innovation

Digitaler Zwilling: „Da wird die Reise hingehen“

09/22

Je transparenter das Unternehmen, umso anpassungsfähiger und wendiger ist es.

Ein digitaler Zwilling von Produkten und Prozessen ist nur möglich, wenn die Daten gut sind und der gesamten Wertschöpfungskette zur Verfügung stehen. Eine neue Studie von Capgemini bestätigt: Viele Unternehmen setzen auf digitale Zwillinge, doch sind sie erst am Anfang.

Eine Stadt, die den Verkehr transparent macht und um 30 Prozent besser fließen lässt, eine Universität, die fast ein Drittel der Energie und knapp 10.000 Tonnen pro Jahr Kohlendioxid einspart, Fabriken, die ihre Prozesse digitalisieren, um schneller und sparsamer zu produzieren: Die Digitalisierung der physischen Welt ist ein wichtiger Grund dafür, effizienter, aber auch nachhaltiger zu werden.

Mit Hilfe von digitalen Zwillingen lassen sich Systeme simulieren, überwachen, analysieren und im letzten Schritt auch optimieren. Was nach einer großen Strategie klingt, kann klein beginnen. „Schon das Monitoring darüber, ob eine Produktionsanlage läuft und wie viel Strom sie verbraucht, ist ja sowas wie ein digitaler Zwilling“, erläutert Daniel Garschagen. Dieser „Mini-Zwilling“ liefert, was benötigt wird: eine Statusüberprüfung. Allerdings kann dieses digitale Abbild nahezu beliebig komplex werden. Während der Planung eines Fahrzeugs ließe sich beispielsweise schon simulieren, welchen Einfluss das Design eines Frontflügels auf den Luftwiderstand und damit auf dessen Energieverbrauch hat.

Um das schon zu Beginn der Wertschöpfungskette simulieren zu können, müssen Daten aller verbauten Teile des künftigen Produkts digital vorliegen. „Da wird die Reise hingehen“, ist sich der Verantwortliche für das Thema Nachhaltigkeit im Automotive-Sektor bei Capgemini Invent sicher, „solche Kalkulationen werden sich künftig immer frühzeitiger durchführen lassen.“ Auch dank digitaler Zwillinge.

Digitaler Zwilling hilft, nachhaltiger zu werden

Nach einer aktuellen branchenübergreifenden Studie von Capgemini liegen aus Perspektive der Unternehmen die wichtigsten Vorteile von digitalen Abbildern von Produkten und Prozessen darin, Produkte schneller an den Markt zu bringen (73 Prozent), Kosten zu sparen (79 Prozent) und die Technologie zu verbessern (77 Prozent). Nach dem konkreten Nutzen gefragt, gab allerdings die Mehrheit der Befragten ein anderes Thema an, die Nachhaltigkeit (16 Prozent), noch vor besserer Effizienz, zufriedeneren Kunden, mehr Verkäufen (15 Prozent) oder gar geringeren Kosten (13 Prozent).

„Nachhaltigkeit ist für die Unternehmen nicht nur etwas, wo sie durch Regulation zu gezwungen werden, sondern ein Bereich, in dem sie auch zunehmend Chancen sehen“, sagt Garschagen, der als Experte im Automobilbereich das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet. Geht es um die Produktion eines E-Autos, ist es etwa wichtig, den gesamten Lebenszyklus der Batterie mit einzubeziehen. Was ist sie noch wert? Wo kann sie eingesetzt werden, wenn sie im Fahrzeug nicht mehr verwendet werden kann? Will sich der Einkauf eines Unternehmens nachhaltig ausrichten, ist es erforderlich, Daten über die indirekten Emissionen aus der Wertschöpfungskette (“Scope 3-Emissionen nach dem Greenhouse Gas Protocol“) vorliegen zu haben. Nur so lässt sich etwa der individuelle CO2-Fußabdruck von Zulieferern miteinander vergleichen und damit die Treibhausgasbilanz verbessern.

„Digitale Zwillinge sind weit mehr als ein Marketingtrend, den man mitmacht oder nicht“, sagt Garschagen. Die Studie von Capgemini gibt ihm Recht: Denn bereits mehr als die Hälfte der Unternehmen sehen als einen der Haupttreiber für den Einsatz von digitalen Zwillingen eine Verbesserung der Nachhaltigkeit (57 Prozent) und sind überzeugt, dass digitale Zwillinge dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen (51 Prozent). Etwa jedes dritte Unternehmen sammelt bereits Erfahrungen mit digitalen Zwillingen (34 Prozent)

Catena-X: Gesamte Wertschöpfungskette im Auge haben

„Der Einstieg in das Thema geht nicht von heute auf morgen“, meint Daniel Garschagen, der jahrelang Automobilunternehmen in der digitalen Transformation unterstützt hat. Unternehmen können sich über Proof of Concepts an das Thema annähern, „Quick-Wins einfangen und die Aktivitäten dann einnorden“, wie Garschagen sagt, also eine unternehmensweite Vision schaffen. Nur so lässt sich verhindern, dass einzelne Abteilungen ihre eigenen Lösungen entwickeln, die nicht einem gemeinsamen Ziel dienen. Wichtige Voraussetzung für Datentransparenz ist eine gute Datenqualität und -konformität. Das ist gerade in der Autoindustrie eine besondere Herausforderung, da viele unterschiedliche Zulieferer und Partner an der Fertigstellung von Fahrzeugen beteiligt sind. Das ist auch einer der Gründe, weswegen etwa die Initiative Catena-X auf den Weg gebracht wurde.

Das Ziel von mehr als hundert Mitgliedsunternehmen besteht unter anderem darin, Standards zu etablieren, um letztlich über die gesamte Wertschöpfungskette Transparenz zu schaffen – und zwar über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs hinweg. Nachhaltigkeit, Rückverfolgbarkeit und Kreislaufwirtschaft sind drei der wichtigsten Ziele der Organisation. Große Unternehmen wie BMW, Daimer und SAP gehören neben Capgemini zu den Mitgliedern, doch sind es gerade auch die Mittelständler, die von Catena-X profitieren können.

„Zwar sind Mittelständler oft zu klein, um sich eine eigene Abteilung für das Thema Nachhaltigkeit leisten zu können“, weiß der Capgemini-Experte Garschagen, „doch kann man davon ausgehen, dass die OEMs und Tier-1-Supplier wissen, dass die ganze Idee nur dann funktioniert, wenn sie die kleineren Unternehmen mitnehmen.“ Bestes Beispiel dafür ist die EU-Taxonomie, die ab 2023 EU-weit verbindliche Standards für Nachhaltigkeit festlegt. Große Unternehmen sind nur dann auskunftsfähig gegenüber der EU, wenn die gesamte Wertschöpfungskette abgedeckt ist. 

Digitale Reife: Dreiviertel der Unternehmen haben Nachholbedarf

Tatsächlich gehört nur jedes zehnte Unternehmen (13 Prozent) derzeit zu den so genannten Vorreitern, die die wichtigsten Kriterien erfüllen, um digitale Zwillinge auf den Weg zu bringen. Sie sind gut vernetzt mit anderen Unternehmen, kooperieren über Plattformen und haben Konsens über die Vision ihrer Daten- und Zwillingsstrategie. Die meisten (77 Prozent) haben hier teilweise noch erheblichen Nachholbedarf. Für Daniel Garschagen von Capgemini ist das nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Unternehmen nachziehen werden: Denn wie immer bestimmt zuletzt der Kunde, welche Produkte in der Zukunft gekauft werden. Garschagen: „Die junge Generation möchte künftig – bevor sie sich für ein Auto entscheidet – sehr genau wissen, welche Auswirkungen das Produkt auf die Umwelt hat. Ist diese Transparenz nicht da, wird es nicht gekauft.“

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Daniel Garschagen

Expertise: Innovation, Digitale Geschäftsmodelle, Startup Collaboration, Sustainability, Automotive
Daniel ist Leiter des Applied Innovation Exchange in München und verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Startups in Deutschland. In diesen Rollen hilft Daniel seinen Kunden durch Innovation erfolgreich in die Zukunft zu kommen – sei es durch den Einsatz disruptiver Technologien oder neuer Geschäftsmodelle. Zudem ist Daniel verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit im Automobilsektor und somit daran beteiligt, die Branche zu transformieren und den Weg hin zu einer nachhaltigen Mobilität zu gestalten.

Anke Rieche

Global Automotive Program Lead
Anke ist eine Business Development Expertin mit 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Software, Infrastruktur und Beratung. Als hochmotivierte Teamplayerin mit ausgeprägter Kundenorientierung hat sie sich einen Namen für die Entwicklung und Umsetzung von Markteinführungskonzepten gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit den SAP-Plattformen S/4 HANA und Intelligent Enterprise, vor allem im Automobilmarkt. Anke ist davon überzeugt, dass Automobilzulieferer und OEMs durch den Einsatz der Automotive Cloud-Lösungen von SAP, einschließlich der gemeinsamen Entwicklungen von SAP und Capgemini und der Co-Innovation mit Pilotkunden, neue Dimensionen der Agilität und Geschwindigkeit erreichen können.