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Mögliche Widerstände bei der Einführung eines modellbasierten Systems Engineering & entsprechende Lösungsansätze

Udo Lange
11. Aug. 2020
capgemini-invent

Welchen Widerständen müssen sich Entwicklungsorganisationen bei einer MBSE Transformation stellen? Und mit welchen Lösungsansätzen können sie diesen begegnen?

In unserem letzten Blog-Artikel haben wir erläutert, wie die Einführung eines modellbasierten Systems Engineering gestaltet werden kann. Trotz einer strukturierten Vorgehensweise haben Unternehmen jedoch Probleme, die geplanten Arbeitsweisen zu implementieren. Was macht es so schwierig, eine modellbasierte Arbeitsweise umzusetzen und welche Faktoren spielen dahingehend eine wichtige Rolle? In diesem Artikel wollen wir unseren Blick auf mögliche Widerstände richten sowie Empfehlungen geben, diesen Widerständen vorzubeugen und diesen bei Auftreten richtig zu entgegnen.

Bei jeder Transformation treten Widerstände auf, welche bei zu geringer Beachtung die Umsetzung der modellbasierten Arbeitsweise blockieren

Mindset

Die Zuweisung von neuen Rollen und die Einführung einer neuen Arbeitsweise bergen immer das Risiko, dass Mitarbeiter aus ihrer Komfortzone heraustreten müssen und sich in ihrer neuen Aufgabe nicht wohl fühlen. Der Wandel vom dokumentenbasierten Arbeiten zu einem modellbasierten Systems Engineering Ansatz automatisiert viele manuelle Prozesse und Aufgaben, legt neue Arbeitsweisen zugrunde, erschafft aber auch neue Rollen und Tätigkeiten. Die steigende Bedeutung von Simulationen beispielsweise schafft verstärkt Bedarfe in diesem Aufgabenbereich. Die Angst, diesen neuen Tätigkeiten nicht gewachsen zu sein, ist einer der größten Faktoren, welche zu Widerständen bei der Umsetzung der Transformation führen. Das Bild eines Mitarbeiters mit verschränkten Armen und leise murmelnd: „es hat doch bisher auch alles geklappt“ (alternativ: „das funktioniert in der Hardware nicht“) sind jedem bekannt, der eine größere Änderung in einem Unternehmen durchsetzen wollte. Bei dieser Art des Widerstandes ist das Management gefragt. Auch bei der Durchführung der Transformation an sich muss auf die Mitarbeiter Rücksicht genommen werden. Eine ad-hoc Einführung von neuen Arbeitsweisen ist aus unserer Sicht ein gänzlich falscher Ansatz. Die modellbasierte Arbeitsweise sollte deshalb erst mithilfe eines agilen Pilotprojekts in einer sicheren Umgebung verprobt werden, bevor sie großflächig im Unternehmen ausgerollt wird. Dadurch können Risiken frühzeitig identifiziert und Akzeptanz bei den Mitarbeitern geschaffen werden.

Leadership

Bei der Durchführung der Transformation ist insbesondere darauf zu achten, dass diese von den Führungskräften getrieben und gelebt wird. Hierbei ist die bereichsübergreifende Zusammenarbeit überaus bedeutend, um End-to-End Prozesse (von der Anforderungserhebung bis zur Validierung) über alle Unternehmensbereiche hinweg zu implementieren und nicht erneut in das Silodenken zu verfallen. Das Leadership muss in der Lage sein, die Notwendigkeit der Veränderung mit voller Überzeugung zu vermitteln und ein greifbares Zukunftsbild zu schaffen. Dazu ist es wichtig, dass sich alle Mitglieder des Führungsteams des Sinns und Zwecks der Transformation bewusst sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass jede Art von Veränderung Skepsis und Angst bei einigen Mitarbeitern erzeugt. Deshalb ist es für den Erfolg essenziell, dass Führungskräfte die positiven Ergebnisse der Veränderung in den Vordergrund stellen, die Mitarbeiter zur Beteiligung ermutigen und bei Entscheidungen mit einbeziehen.

Einbindung der Mitarbeiter

Ein ebenso großer Risikofaktor für eine erfolgreiche Etablierung eines modellbasierten Systems Engineering Ansatzes ist die Einbindung der Mitarbeiter. Besonders wichtig hierbei ist es, das Commitment aller Beteiligten zur Transformation sicherzustellen. Dies erfordert eine umfassende Kommunikation von Führungskräften und Managern auf verschiedenen Wegen und Ebenen. Anstatt die Transformation als Meilenstein voranzutreiben, sollte die Organisation es den Beschäftigten ermöglichen, eigene Ideen einzubringen und die Gestaltung bzw. Einführung neuer Prozesse und Tools aktiv voranzutreiben. Es ist erforderlich, die Mitarbeiter auf allen Ebenen zu befähigen und sie zu ermutigen, ständig neue Ideen und Lösungen zu entwickeln, um die Arbeitsweise auch nach der Implementierung kontinuierlich zu verbessern. Im Zusammenhang mit der Einbindung der Mitarbeiter spielt auch die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Falsche oder gar keine Kommunikation führt zu Angst und Unmut. Das Integrieren und Bereitstellen von Softwareapplikationen und die Festlegung von Kommunikationsmethoden sind der Schlüssel, um diese Widerstände zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Die Verwendung von Applikationen wie beispielsweise Jira oder Confluence, machen die Arbeit transparenter und erlauben eine offenere Fehler- und Feedbackkultur, indem sie Tasks klar zuweisen sowie Informationen und Beschlüsse adressieren und allen zugänglich machen. Die Kommunikation von Success Stories trägt dazu bei, diejenigen zu überzeugen, die der Neuerung kritisch gegenüberstehen. Der Transformationsprozess kann nur erfolgreich sein, wenn alle Mitarbeiter die Veränderung annehmen und mittragen.

Einheitlicher Wissensstand

Wie sich in den vorherigen Abschnitten schon herausgestellt hat, ist eine erfolgreiche Transformation nur unter Mitwirkung aller Beteiligten erfolgreich. Dabei ist es wichtig, dass nicht nur Führungskräfte, sondern jeder im Unternehmen das gleiche Verständnis über die neue Arbeitsweise und die damit verbundenen Zuständigkeiten besitzt. Auch ein einheitlicher Wissensstand im Hinblick auf die einzuführenden Methodiken, Prozesse und Tools, insbesondere Modellierungsmethoden, -tools und -sprachen, ist für den einzelnen Mitarbeiter maßgeblich. Ist ein Teammitglied nicht ausreichend geschult oder besitzt ein falsches Verständnis bezüglich Methoden und Rollen, kann es schnell passieren, dass sich derjenige abgehängt oder nicht verstanden fühlt. Eine Abwehrhaltung im Sinne von Widerstand ist die Folge. Deshalb müssen alle Beteiligten und von der Veränderung betroffenen Personen bereits vorab in ausreichendem Maße qualifiziert werden. Darüber hinaus sollte ein ständiger Wissensaustausch über die Methodik innerhalb der Organisation geschehen.

Unser MBSE Framework (siehe Blog-Artikel Nr. 3) bildet den Rahmen für die ganzheitliche Einführung eines modellbasierten Systems Engineering. Die Maßnahmen, um die genannten Widerstände bei der Einführung zu vermeiden, haben wir auf Basis unserer Erfahrungen in folgenden Critical Success Factors zusammengefasst.

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Abbildung 1: Critical Success Factors für eine erfolgreiche MBSE Transformation

Dies war der vorerst letzte Artikel unserer Blog-Reihe „MBSE auf dem Weg zur Schlüsseltechnologie für die agile Produktentwicklung der Zukunft“. In diesem Beitrag haben wir abschließend aufgezeigt, wieso Sie den Organizational Change Aspekt bei einer MBSE Transformation nicht vernachlässigen sollten. Um mehr darüber zu erfahren, wie Sie Widerstände bei der Einführung eines modellbasierten Systems Engineering vermeiden können und worauf es im Detail bei den einzelnen Faktoren ankommt, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Vielen Dank an die Co-Autoren Verena Gertz, Sebastian Stieber und Yannick Scheler.


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Autor

Udo Lange

Expertise: Digital Engineering and Asset Management, High Tech Solutions, Industrie 4.0, Intelligent Industry, Product Lifecycle Management
Mit 5 Jahren Industrie- und 20 Jahren Beratungserfahrung berate ich Kunden in der Automobilindustrie, Aerospace, Transportation sowie dem Maschinen- und Anlagenbau bei der Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher Strategien zur Nutzung Digitaler Technologien und Prozesse im Bereich Engineering und Product Lifecycle Management.