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Großer Erfolg trotz kleiner Schritte? – Die stufenweise Umsetzung digitaler Zwillinge für EVUs

Svenja Dreger
15. Dez. 2021
capgemini-invent

Um dem zu begegnen haben wir ein Anwendungsfall-basiertes Stufenmodell entwickelt. Ausgehend von verschiedenen Reifegraden dient es der stufenweisen Realisierung eines DT-Zielbildes.

Es trägt somit zur perspektivischen Nutzung der Vorteile (u.a.: Effizienzsteigerung, Kosten- und Fehlerreduktion) und Optimierung von Werten bei. Entsprechend freuen wir uns, Ihnen in diesem Blogartikel das Stufenmodell vorstellen zu dürfen.

Bei der praxisnahen Umsetzung digitaler Zwillinge sind, neben technischen und organisatorischen Aspekten, konkrete und greifbare Zielbilder entscheidend.

Unser vergangener Blogartikel hat gezeigt, dass 90 % aller EVUs unter einem DT überwiegend die „virtuelle Darstellung eines physischen Objekts entlang des gesamten Asset-Lebenszyklus zur Simulation, Vorhersage und Optimierung von Leistungsmerkmalen“ verstehen. Mit diesem Verständnis entsteht in der Praxis allerdings eine zentrale Implementierungshürde.

Der DT wird umgangssprachlich oftmals mit der „eierlegenden Wollmilchsau“ verwechselt, was zur Folge hat, dass konkrete Anwendungsfälle für EVUs nicht greifbar werden. Hiermit einher gehen Vorstellungen von kostspieligen und herausfordernden Transformationsprojekten, die erst nach jahrelanger Umsetzung potentielle Mehrwerte versprechen. Es resultiert der Bedarf an vielerlei manuellen Erläuterungen durch Experten, um entsprechende Entwicklungspfade sowie einen greifbaren unternehmerischen Mehrwert aufzuzeigen. Hinzu kommen, die ebenfalls im vergangenen Blogartikel beschriebenen fehlenden DT-Kenntnisse von Mitarbeitenden bei sämtlichen EVUs als zentraler Grund für nicht vorhandene DT-Initiativen. Diese erschweren die Konzeptionalisierung sowie die Identifikation konkreter unternehmerischer Vorteile von DTs.

Sind konkrete Anwendungsfälle identifiziert sowie ein Vorgehen konzipiert, stehen EVUs bei der Umsetzung von DTs vor weiteren Herausforderungen – gerade mit Blick auf rechtliche Rahmenbedingungen, Interoperabilität der DTs mit anderen Systemen sowie der Sicherheit und Nutzung (Erhebung, Übermittlung, Verarbeitung) von Daten.

Ein stufenweises Vorgehen ermöglicht greifbare Erfolge bei der Konzeptionalisierung und Umsetzung digitaler Zwillinge.

Um ein mögliches Zielbild aufzuzeigen sowie die Lücke zwischen Soll- und Ist-Zustand bestimmen zu können, haben wir das 5-Stufenmodell entwickelt. Da das Verständnis des DTs bei unterschiedlichen Anwendungsfeldern oftmals variieren kann, haben wir uns in diesem Blogartikel auf das digitale Asset Management von EVUs fokussiert. Es repräsentiert laut unserer Digital Twin Study zu 91 % das primäre Anwendungsfeld von DTs bei EVUs.

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Abbildung 1: Digital Twin 5-Stufenmodell für das erfolgreiche Digital Asset Management bei EVUs

Als Zielbild des DTs haben wir den so genannten „Simulation Twin“ definiert. Hierbei handelt es sich um ein vollständiges digitales Abbild des realen Assets, das basierend auf Sensorik den aktuellen Zustand des Assets kennt und basierend auf historischen Daten Simulationen durchführt. Diese Simulationen stellen eine fundierte, datengestützte Entscheidungsgrundlage dar. Konkrete Anwendungsfälle des „Simulation Twin“ können Predictive Maintenance oder die simulationsgestützte Netzplanung sein.

Das entwickelte 5-Stufenmodell zeigt verschiedene Reifegrade gemessen an der Technologie eines DTs je Stufe auf. Die verschiedenen Stufen sind hierbei durch konkrete Anwendungsfälle charakterisiert. Somit liegt der Fokus auf schrittweisen technologischen Weiterentwicklungen, die direkt einen konkreten Nutzen im Unternehmen stiften können – nicht erst nach einer langjährigen Transformation. Hierbei kann das 5-Stufenmodell für EVUs schrittweise vom „No Twin“ zum Zielbild eines „Simulation Twin“ führen. Die individuelle Stufe muss nicht dem des skizzierten Zielbildes entsprechen, da die Implementierung kein Selbstzweck ist. Sie ist durch jedes Unternehmen selbst zu bestimmen und orientiert sich an der Wertstiftung für das jeweilige Unternehmen.

Abhängig vom DT-Reifegrad jedes Unternehmens kann die Umsetzung des DTs von der entsprechenden individuellen Reifegradstufe starten. Ist es beispielsweise für das digitale Asset Management eines EVUs hinreichend, die Fähigkeit einer Asset-Fernwartung zu besitzen, so genügt ein Augmented Reality Twin (Stufe 4) für den operativen Betrieb aus. Ergibt die Reifegradanalyse hierbei, dass sich das betrachtete Unternehmen bereits auf Stufe 2 befindet, kann von dort die angestrebte Stufe sowie der damit verbundene Implementierungsplan abgeleitet werden. Nach unserer Meinung offenbart das 5-Stufenmodell somit ein praxisnahes Werkzeug für EVUs, welches durch sein agiles Vorgehen eine iterative und inkrementelle Realisierung von DTs und ihren Vorteilen ermöglicht.

Neben einem konkreten Zielbild sind die Verfügbarkeit und Qualität von Assetdaten sowie ein digitales Mindset der Mitarbeitenden essentiell für die Umsetzung digitaler Zwillinge und den Erfolg von EVUs.

Durch die praxisnahe Definition innerhallb des Stufenmodells kann für jede Stufe ein konkreter betrieblicher Mehrwert identifiziert werden.

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Abbildung 2: Drei Haupterfolgsfaktoren für die vollumfänglliche Einführung eines digitalen Zwillings

Um erfolgreiche Rahmenbedingungen für die Erreichung dieser Stufen zu schaffen, ist die Ableitung entsprechender Strategien und Aktivitäten für die Bereiche Zielbild, Data und Change Management sinnvoll:

  • Data Management
    • Erweiterung unternehmerischer Asset Data & Governance
    • Sicherstellung von Kontinuität im Einsatz
    • Korrekte Informationen in entsprechender Qualität
  • Target Defintion
    • Konkrete, praxisnahe Use Cases in jeder Stufe
    • Frühzeitige Mehrwert-Generierung & Weiterentwicklung der Fähigkeiten
    • Selbstidentifikation der Mitarbeitenden mit dem System
  • Change Management
    • Fokus auf die Verankerung eines digitalen Mindsets
    • Befähigung der Mitarbeitenden & aktives Change Management
    • Integration von Werten wie Innovation & Selbstverpflichtung

Qualitativ hochwertige und verfügbare Daten gepaart mit digitalem Mitarbeitenden-Know-How bilden die Grundlage für die zielgerichtete Realisierung der einzelnen Stufen. Sie sind zudem unabdingbare Erfolgsfaktoren für die betriebliche Weiterentwicklung von EVUs über die Grenzen des definierten DT-Zielbildes hinweg.

Was sich hinter den einzelnen Stufen verbirgt, wie diese technologisch aufeinander aufbauen und welche Mehrwerte zu erwarten sind, stellen wir in unserem nächsten Blogartikel vor.

Vielen Dank an die Co-Autoren Carsten Dietrich, Nils Prädel und Roman Grassmann.

Alle Blogposts der Reihe “Digital Twins für Energie- und Versorgungsunternehmen”

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Autorin

Svenja Dreger

Director | Energy & Utilities, Capgemini Invent Germany
Seit 2016 berate ich als Teil des Teams Energy Transition & Utilities Kunden in den miteinander eng verzahnten Themengebieten Asset Management, Workforce Management und Financial Planning. Die Prozessoptimierung und die Digitalisierung dieser Bereiche – von der Konzeption bis zur operativen Umsetzung und dem damit verbundenen Wandel – gehören zu meinen Kernthemen