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Agile Befähigung – Was „Servant Leadership“ konkret bedeutet…

Daniela Helmer
25. Jan. 2021
capgemini-invent

Im ersten Beitrag unserer Blogserie „Agile Befähigung“ haben wir uns mit den typischen Herausforderungen einer agilen Transformation und der Kernfrage, warum das Mindset einer Führungskraft der Schlüssel zum Erfolg ist, beschäftigt. In diesem Blogbeitrag wollen wir erklären, wie „Servant Leadership“ als Mindset und Führungsstil Führungskräften dabei helfen kann, eine agile Transformation erfolgreich voranzutreiben.

Bei der Transition von einer klassischen zu einer agilen Arbeitsweise stellen die meisten Mitarbeiter bereits in ihren ersten agilen Schulungen fest, dass sich ihre eigene Rolle, die der Führungskräfte sowie ihre Zusammenarbeit verändern muss.

Agiles Arbeiten bedarf mehr Eigenverantwortung aller Mitarbeiter, mehr Entscheidungsfreiheit, aber damit einhergehend auch einen anderen Führungsstil.

Daraus entsteht bei vielen Mitarbeitern eine neue Erwartungshaltung an ihre Führungskräfte, die das Aus- und Vorleben eines agilen Führungsstils umfasst und dabei die wesentlichen Eigenschaften des „Servant Leaders“ abdecken.(Lesen die die Erfolgsgeschichte des Transformationsprojekts bei E.ON hier).

Eigenschaften eines Sercant Leaders_Capgemini Invent
Abb. 1: Eigenschaften eines Servant Leaders

Worin unterscheiden sich traditionelle Führung und Servant Leadership

Der Ausdruck „Servant Leadership“ wurde von Robert K. Greenleaf in The Servant as Leader geprägt –  in einem Essay, den er 1970 erstmals veröffentlichte. Fälschlicherweise wurde er gerade im deutschsprachigen Raum häufig mit einem schwachen Führungsbild eines unterwürfigen Dienens verwechselt.

Laut Greenleaf konzentriert sich ein Servant Leader in erster Linie auf das Wachstum und Wohlergehen der Menschen und den Gemeinschaften, zu denen sie gehören. Während die traditionelle Führung im Allgemeinen die Ausübung von Macht durch einen Manager an der „Spitze der Pyramide“ beinhaltet, teilt ein Servant Leader seine Macht, stellt die Bedürfnisse der anderen an erster Stelle und hilft seinen Mitarbeitern, sich zu entwickeln und Ergebnisse zu realisieren.

Die Rolle eines Servant Leaders besteht darin, das zu fördern, was bereits an Potential in einem Mitarbeiter steckt. Folglich ergibt sich im Vergleich zur traditionellen Führung eine „umgekehrte Pyramide“.

Die umgekehrte Pyramide_Capgemini Invent
Abb. 2: Die umgekehrte Pyramide

Im Idealzustand strebt ein Servant Leader jeden Tag danach, die bestmögliche Führungskraft zu sein und verfügt über ein dienstleistungsorientiertes Mindset.

Traditionelle Führung versus Servant Leadership_Capgemini Invent
Abb. 3: Traditionelle Führung versus Servant Leadership

Warum die grundlegenden Eigenschaften eines Servant Leaders so wichtig sind

Servant Leadership ist kein neuer Führungsstil – es gibt ihn seit Jahrzehnten, nur gewinnt er in Zeiten von VUCA [1] wieder mehr an Bedeutung, unabhängig davon, ob ein Unternehmen agile Frameworks wie Scrum etabliert hat. Es geht um Denk- und somit Arbeitsweisen, nicht um Methoden.

Besonders in der frühen Phase einer Transition benötigen Mitarbeiter nicht nur mehr Entscheidungsfreiheit, sondern vor allem eine starke Führung, die ausreichend Sicherheit vermittelt, erste Gehversuche in dem neuen agilen Terrain zu wagen. Dabei ist es hilfreich, wenn feste Regeln und Prozeduren etabliert werden – „Doing agile“, an denen sich alle orientieren können, z.B. Routinen wie Daily Stand-Ups, Retrospektiven, feste Arbeitszyklen wie Sprints [2]. Ein begleitendes ganzheitliches Change Management unterstützt dabei neue Prozesse und Methoden mit der Einstellung „Being agile“ zu leben. Bei Capgemini Invent haben wir zahlreiche Projekte namhafter Kunden begleitet und können aus Erfahrung sagen, dass nur so sichergestellt werden kann, dass Führungskräfte ihre aktive Gestalterrolle richtig verstehen und ausüben.

Damit agile Gewohnheiten erlernt und vor allem gelebt werden, muss dem steigenden Bedarf der Mitarbeiter nach zusätzlicher Befähigung Rechnung getragen werden. Dies bedingt weniger klassische Fachführung durch ihre Vorgesetzten und gleichzeitig mehr operative Selbstverantwortlichkeit in den Teams (z.B. eine Sprintplanung ohne Führungskräfte). Analog dazu muss ihnen mehr Raum gegeben werden, eigene Ideen einzubringen, Teil der Lösungsfindung zu sein und auf kurzem Weg Feedback zu geben. Das wird nur möglich mit einem veränderten Selbstbild bzw. -verständnis der Führungskräfte, bei dem Empathie und individuelle Mitarbeiterführung eine Schlüsselrolle spielen. Unverändert bleibt dagegen, dass Führungskräfte Orientierung geben und im Eskalationsfall die Weichen stellen. Damit weicht die Erwartungshaltung der Mitarbeiter an agile Führungskräfte nicht vollständig von traditionellen Werten und klassischen Führungsfähigkeiten ab. Vielmehr müssen einige Qualitäten eingeschränkt (z.B. Micro-Management) und um andere Schlüsselkompetenzen eines Servant Leaders (Loslassen, um Raum zu geben und Beseitigung von Blockaden) erweitert werden.

Ein sich verändertes Mindset spiegelt sich unmittelbar im Verhalten eines Menschen wider. So werden die Werte und Denkweisen eines Servant Leaders erlebbar gemacht, sukzessive an die Mitarbeiter weitergegeben und langfristig fest in einer Organisation verankert. Insbesondere die geschaffenen Freiräume für die Mitarbeiter wirken sich positiv auf die Team-Produktivität aus: Dort, wo Mitarbeiter erleben, dass sie Fehler machen dürfen, sie eine Stimme haben und Teil der Lösung sind, erfahren sie mehr Sicherheit und Wertschätzung. Folglich erhöht sich ihre Motivation, sich eigenständig einzubringen, Dinge auszuprobieren und noch lösungsorientierter zu denken. Sie werden Schritt für Schritt offener, verantwortungsbewusster, innovativer – und vor allem zufriedener.

Dennoch fällt vielen Führungskräften die Entwicklung zu einem Servant Leader nicht leicht. Es braucht Ausdauer und Disziplin, um sich nachhaltig zu verändern und einen neuen Agilen Autopiloten für sein „Daily Doing“ zu etablieren. Doch dieser Aufwand wird belohnt – mit authentischen Beziehungen zu Mitarbeitern, neuen Kompetenzen und besseren Ergebnissen.

Wie traditionelle Führungskräfte potenzielle Blockaden erkennen, diese überwinden und sich zum Servant Leader hin entwickeln, um als solche im Unternehmen aktiv wahrgenommen zu werden, erläutern wir im nächsten Beitrag unserer Blogserie „Agile Befähigung“.

Vielen Dank an die Co-Autoren Justina Löwen, Marius Schondelmaier und Sabrina Schreiber.


[1] „volatility“ („Volatilität“), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“)

[2] Daily Stand-Up: 15-minütiges Meeting zur schnellen Transparenzschaffung im Team (was hat jeder gestern erreicht, was steht heute an, welche Blockaden gibt es unter Umständen aus dem Weg zu schaffen), Retrospektiven: Regelmeetings, in denen das Team reflektiert, was im letzten Sprint bei der Zusammenarbeit, Teamspirit gut gelaufen ist und was verbesserungswürdig ist, Sprint: fester Zeitraum/Zyklus, in dem ein Team eine selbstgewählte Arbeitsmenge umsetzt/ realisiert

Alle Blogposts der Reihe “Agile Befähigung”

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Autorin

Daniela Helmer

CX | Agile Transformation Expert | Director, Capgemini Invent
Ich begleite unsere Kunden, insbesondere OEMs, auf ihrem Weg zu mehr Agilität: Von Führungstrainings über die Definition eines agilen Arbeitsmodells bis hin zum Enablement und Implementierungsunterstützung / Coaching.