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Unternehmenssoftware passgenau auswählen – ein fünfschrittiger Ansatz zur Entscheidungsunterstützung

Abdülkadir Tekin
23. Feb. 2023
capgemini-invent

Geeignete und effiziente Softwarelösungen sind für Unternehmen in der heutigen vernetzten Welt unverzichtbar, um wettbewerbsfähig zu sein.

Es wird ein fünfschrittiger Prozess erläutert, mit dem es möglich ist, verfügbare Softwarelösungen zu identifizieren und das vielversprechendste Gesamtpaket auszuwählen, zugeschnitten auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens (siehe Abb. 1).

Abb. 1. Management Summary
Abb. 1. Management Summary

Warum die Auswahl des Softwareanbieters entscheidend für den Unternehmenserfolg sein kann

Die zunehmende Komplexität in der heutigen vernetzten Welt und die beschleunigte technologische Entwicklung machen den Einsatz von Software für wettbewerbsfähige Unternehmen unumgänglich. Das Aufkommen gesetzlicher Anforderungen in Bezug auf die Überwachung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) (z. B. das deutsche Lieferkettengesetz) führt zudem zu einem Aufwand, der manuell nicht zu bewältigen ist. Wiederkehrende und rechenintensive Aufgaben können durch den Einsatz von Software automatisiert werden, so dass sich die Mitarbeiter mehr auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können.

Wenn ein Unternehmen eine neue Softare einsetzen möchte, bietet die Nutzung der Lösungen spezialisierter Softwareanbieter das Potenzial, Zeit und Kosten in der Softwareentwicklung zu reduzieren und von Komponenten zu profitieren, die zuvor bereits ausgiebig getestet worden sind.

Um eine passgenaue Auswahl der geeigneten Software zu ermöglichen, müssen verschiedene funktionale, nicht-funktionale, technische und finanzielle Kriterien bewertet werden. Damit ein konsistenter Anbieterauswahlprozess durchgeführt werden kann und um einen Lernprozess zu ermöglichen, können Unternehmen von einem einheitlichen und wiederholbaren Auswahlprozess profitieren, der im Folgenden näher erläutert wird.

Prozess der Softwareauswahl

Der generelle Prozess der Softwareauswahl kann in fünf wesentliche Schritte unterteilt werden, die im Folgenden genauer beschrieben werden (Abb. 2). Zu erwähnen ist, dass Schritt vier keiner Prozesslogik folgt, sondern, abhängig von den Projektanforderungen, eine beliebige Anzahl von Aktivitäten in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden kann.

Darstellung des Prozesses für die Auswahl eines Softwareanbieters
Abb.2: Darstellung des Prozesses für die Auswahl eines Softwareanbieters

Schritt 1: Definition der Anforderungen und Bewertungskriterien

Wird ein Softwareanbieter als Ersatz für eine bestehende Lösung ausgewählt, sollte zunächst eine Analyse des Ist-Zustands mit Fokus auf Stärken und Schwächen der aktuellen Prozesse, Systeme und Schnittstellen durchgeführt werden. In einem nächsten Schritt werden die Anforderungen an die zukünftige Lösung definiert. Dazu gehören Spezifikationen, die sich für den funktionalen Teil aus den gewünschten Funktionen oder Zielgruppen ergeben, für den nicht-funktionalen Teil Anforderungen an den Support oder eingerichtete Sprachen, sowie technische Anforderungen an die Architektur oder Schnittstellen.

Darüber hinaus müssen die Bewertungskriterien definiert werden. Dazu gehören auch Kriterien, die sich direkt auf die Softwareanbieter beziehen, wie z.B. Reputation, finanzieller Status oder bestehende erfolgreiche Implementierungen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Anbieter langfristig in der Lage ist die gewünschte Software bereitzustellen.

Schritt 2: Marktanalyse und Erstellung einer Longlist

Um eine Longlist zu erstellen, die alle potenziellen Softwareanbieter umfasst, können verschiedene Informationsquellen wie eine Desktop-Recherche oder eine Befragung interner und externer Experten genutzt werden. Bei der Erstellung der Longlist sollten bei spezifischen Anforderungen auch interne Fähigkeiten berücksichtigt werden (Make-Lösung).

Schritt 3: Request for Information (RFI) – Von der Longlist zur Shortlist

Die Informationen in diesem Schritt können sowohl durch die Prüfung öffentlicher Informationen (Broschüren, Websites und Veröffentlichungen der Anbieter) als auch durch eine Selbsteinschätzung der Anbieter (RFI) gewonnen werden. Es ist empfehlenswert beide Möglichkeiten zu nutzen, um einen ganzheitlichen Überblick über den Markt zu erhalten. Bei Projekten mit umfangreichen Spezifikationen ist oft kein Anbieter in der Lage, alle Anforderungen abzudecken. In diesem Fall empfiehlt sich eine modulweise Aufteilung der Anforderungen auf die Anbieter.

Schritt 4: Bewertung der Kandidaten auf der Shortlist

Abhängig von der Komplexität der Software und der Anzahl der Anbieter auf der Shortlist können eine oder mehrere der folgenden Aktivitäten ausgewählt werden, um die verfügbaren Optionen zu bewerten. Dabei sollten vor allem Kriterien betrachtet werden, die eine effektive Unterscheidung zwischen den Softwareanbietern ermöglichen. Im Allgemeinen gilt für alle Aktivitäten ein Kompromiss zwischen benötigtem Aufwand und Menge der erhaltenen Informationen. Die in diesem Schritt gesammelten Erkenntnisse sind entscheidend, da sie die Wahrscheinlichkeit der Auswahl einer geeigneten Software maßgeblich erhöhen.

Aktivität 1: Ausschreibung (RFP)

Für eine Ausschreibung (Request for Proposal – RFP) müssen zunächst alle notwendigen Dokumente für die Anbieter erstellt werden, darunter der Anforderungskatalog, die Prozessdokumentation und eine Vorlage für Preisinformationen. Der RFP ist eine notwendige Aktivität, da später der finanzielle Business Case basierend auf den Preisauskünften der Anbieter berechnet wird.

Aktivität 2: Demos mit Toolanbietern

Um die Angebote der Softwareanbieter überprüfen zu können, sind Demos eine gängige Möglichkeit, um Einblicke in die Funktionalitäten einer Software zu erhalten.

An den Demos sollten eigene Fachexperten und Stakeholder teilnehmen, um alle relevanten funktionalen, nicht-funktionalen und technischen Kriterien beurteilen zu können. Ziel ist es, nach der Demo die Fähigkeiten und Limitationen des vorgestellten Produkts benennen zu können.

Aktivität 3: Proof-of-Concept (POC)

Die Evaluierungsmethode, die die detaillierteste Analyse eines Softwareanbieters ermöglicht, ist ein Proof-of-Concept, bei dem technische Annahmen und Anwendungsfälle überprüft werden können. Vor allem bei schwer zu testenden Anforderungen (z. B. Schnittstellen oder Leistungsanforderungen) kann dies eine nützliche Option sein.

Aktivität 4: Interviews mit Referenzkunden

Referenzkundeninterviews werden von uns in Projekten empfohlen, in denen ein spezifischer Informationsbedarf abgedeckt werden muss, z. B. bezüglich spezifischer Funktionalitäten, die nicht in einem POC umgesetzt werden können, oder auch um das Engagement eines Anbieters während und nach der Implementierung oder im operativen Betrieb einschätzen zu können.

Schritt 5: Finale Entscheidung und Vorbereitung der Implementierung

Auf der Grundlage der in Schritt vier gesammelten Informationen kann nun eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Um die finanziellen Kriterien zu bewerten, muss ein Business Case erstellt werden, dieser setzt sich aus dem erwarteten Nutzen sowie den Kosten der neuen Software zusammen.

Wir empfehlen in der Regel, den messbaren Nutzen (z. B. Einsparungen durch die Deaktivierung der alten Software) in die Kalkulation einzubeziehen und dann qualitativ auf Basis der verbleibenden Kosten und des zu erwartenden Mehrwerts der neuen Software zu entscheiden. Um einen reibungsosen Übergang in die Implementierungsphase zu ermöglichen, kann bereits vor der endgültigen Entscheidung gemeinsam mit den Softwareanbietern ein allgemeines Implementierungskonzept erarbeitet werden, das als Basis für die folgenden Vertragsverhandlungen dient.

Fazit

Motiviert durch die mögliche geschäftskritische Bedeutung der Softwareauswahl wurde ein formaler Prozess erläutert, mit dem es möglich ist, von bestehenden Erfahrungen zu profitieren. Dieser fünfstufige Prozess trägt dazu bei, die Eignung der ausgewählten Software sicherzustellen und das Unternehmen für den Wettbewerb in einer vernetzten Welt mit zunehmender Komplexität zu rüsten. Maßgeschneiderte Software ist essenziell, um die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Automatisierung repititiver Aufgaben zu ermöglichen, damit sich die Mitarbeiter auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können.

Wenn Sie Unterstützung bei Ihrem eigenen Projekt bei der Auswahl von Softwareanbietern benötigen oder an weiteren Details interessiert sind, kontaktieren Sie Capgemini Invent für weitere Informationen.

Vielen Dank an die Co-Autor*innen Tanja Fischer & Fabian Bussieweke für die maßgebliche Erstellung dieses Blogbeitrages.

Autor

Abdülkadir Tekin

Senior Director | Head of Digital Procurement Germany, Capgemini Invent
Mit über 24 Jahren Beratungserfahrung und einem tiefen prozessualen und technischen Verständnis unterstütze ich meine Kunden bei der Auswahl, Einführung und Optimierung von cloud-basierten, elektronischen Einkaufs-, Ausschreibungs-, Bestell- und Rechnungssystemen. Darüber hinaus habe ich ein starkes Interesse an Innovationen wie RPA, Kognitivem Einkauf, Künstlicher Intelligenz sowie maschinellem Lernen.

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