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Geldwäsche im Automobilsektor – Der Entwicklung und der Relevanz für die Compliance-Funktion von Automotive-Banken auf der Spur…

Capgemini
06. Okt. 2021
capgemini-invent

„Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.“

Winston Churchill [1]

Das Zitat von Winston Churchill lässt sich sehr gut auf die Anforderungen eines effizienten Compliance Systems transferieren. Zur Prävention und Verhinderung von Geldwäsche (und i.w.S. straf- und zivilrechtlichen Folgen sowie Reputationsschäden) bedarf es

  • operativer Exzellenz,
  • effizienter Prozesse und Strukturen,
  • technologischer Lösungen, welche sich an sich häufig ändernde regulatorische Anforderungen anpassen können – ein internes Sicherungssystem so gesehen,
  • der Beachtung von organisatorischer Weiterentwicklung sowie der Mitarbeiterbefähigung (u.a. Trainings, Begleitung des Kulturwandels oder Organisationsentwicklung).

Unterschiedliche Produktgruppen erfordern dabei unterschiedliche Maßnahmen – dies wird am Ende dieses Blogs deutlicher.

Nicht nur aufgrund des immer größer werdenden Angebots an Finanzprodukten und den offiziellen Bankzulassungen spielt die Prävention von Geldwäsche eine wichtige Rolle für Autobanken (Captives). Welche Risiken bestehen, soll nachfolgend aufgeklärt werden.

Die Risikostruktur von Automobilbanken

  • Wachsendes Angebot an standardisierten Bankprodukten
  • Prävalenz von „High-value Goods”
  • Schnittstelle zum Bargeld-intensiven Gebrauchtwagenhandel

Viele Automobilbanken führen klassische Bankprodukte wie Girokonten oder Tagesgelder, welche mit erhöhtem Geldwäscherisiko behaftet sind. Die erste Nationale Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums [2] („BMF-Risikoanalyse“) ergab dabei folgendes Geldwäscherisiko-Ranking für Bankprodukte:

  1. Korrespondenzbankgeschäft
  2. Wertpapiergeschäft, Anlage in Finanzderivate sowie andere Anlagemöglichkeiten
  3. Sorten- und Edelmetallhandel
  4. Kreditprodukte für Firmenkunden
  5. Stiftungen, Trusts, Offshore-Strukturen
  6. Handelsfinanzierung (Trade-Finance)
  7. Kreditprodukte für Privatkunden
  8. Kreditkarten
  9. Termin- und Spareinlagen
  10. M&A-Geschäft
  11. Bankschließfach

Die Risikoanalyse evaluierte zudem ein hohes Geldwäscherisiko beim Fahrzeughandel. Der hochwertige Güterhandel ist dabei längst im Visier von Kriminellen – die Bezahlung von hohen Geldsummen (in bar) eignet sich besonders für die Geldwäsche. Laut einer Studie von Europol sind es im Jahr 2018 konkret 1 Million Euro pro Woche [2].

Doch wie sind Autobanken als Bindeglied zwischen Hersteller und Händler besonders davon betroffen?

Das BMF weist auf den potenziellen Erwerbsverzicht von hochwertigen Gütern hin – insbesondere tendiere die organisierte Kriminalität inzwischen stattdessen zu Leasing oder Miete.

Eine Besonderheit bei Automobilbanken ist die Schnittstelle zu einem der teuersten Konsumgüter. Die konzerngebundenen Autobanken decken dabei die Finanzierung für die Händler in ihrem Konzern ab.

Laut Verband der Automobilindustrie („VDA“) werden rund 75 Prozent der Fahrzeugneuzulassungen in Deutschland über Leasing- und Finanzierungsmodelle auf die Straße gebracht – mit steigender Tendenz [3]. Um kriminelle Hintergründe zu identifizieren bedarf es einer genauen und vollständigen Prüfung bei Neuverträgen.

Zusammenfassend sind Autobanken also direkten und indirekten Risiken gegenübergestellt:

  • Indirektes Risiko: Indirekte Verwicklung in das „Placement“ von inkriminierten Bargeldern über die Kontoführung für Fahrzeughändler im Falle eines Betrugs in der 1st Line of Defense. Die Händler unterliegen durchaus dem GWG und somit der allgemeinen Sorgfaltspflichten zur Verhinderung von Geldwäsche. Die Autobanken haben dabei keinen Einfluss auf die Wirksamkeit und Ausgestaltung der Anti-Geldwäschekontrollmechanismen der Kfz-Händler – tragen jedoch den Reputationsverlust im Falle eines Betrugs mit.
  • Direktes Risiko: Verwicklung in Geldwäsche über die Kontoführung von scheinbaren Autokäufer*innen bei der Autobank oder Abschlüssen von Finanzierungs- oder Leasingverträgen.

Infolge des o.g. Trends sollen Leasinggesellschaften durch die BaFin zukünftig häufiger auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überprüft werden [2].

Die Erfüllung von Sorgfaltspflichten in einer disruptiven Welt – was kann ich als Captive tun?

Zusammenfassend lässt sich ableiten, dass unterschiedliche Produktkomplexitäten mehr oder weniger stark ausgeprägte Risiken mit sich bringen. Folgende Handlungsoptionen können für ein effizientes Compliance-System situativ evaluiert werden:

  • Bei klassischen Bankprodukten mit hohen Transaktionsvolumen spielen beispielsweise AI-gestützte Transaction-Monitoring-Systeme eine tragende Rolle.
  • Bei der Automatisierung von operativen Tätigkeiten bspw. die Erfüllung der Geldwäscherichtlinien bei Leasingverträgen unterstützen „State-of-the-Art“-Technologien wie ICR (Intelligent Charakter Recognition), OCR (Optical Charakter Recognition)  oder NLP (Natural Language Processing) dabei, Kosten zu reduzieren und sowohl die Qualität als auch die Stabilität der Prozesse zu verbessern.
  • Bei der Implementierung von technologischen Lösungen helfen agile Entwicklungsmethoden, um die Anpassung an neue regulatorische Anforderungen durch die Definition von kleineren Inkrementen zügig und unkompliziert umzusetzen.

Die Agilisierung des Compliance-Bereichs sollte sich jedoch nicht nur auf die isolierte Entwicklung von Compliance-Lösungen beschränken. Mitarbeitende sollten ebenfalls befähigt werden regulatorische Richtlinien in die agile Produktentwicklung im Gesamtunternehmen einzubringen (bspw. Abschluss eines Leasingvertrags über eine App).

Vielen Dank an die Co -Autor*innen Florian Achtert und Nadine Fuchs.


[1] https://beruhmte-zitate.de/zitate/2010840-winston-churchill-es-ist-sinnlos-zu-sagen-wir-tun-unser-bestes-es/

[2] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-10-19-erste-nationale-risikoanalyse_2018-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=7

[3] https://www.vda.de/de/themen/automobilindustrie-und-maerkte/autobanken/finanzdienstleistungen-in-der-automobilindustrie.html

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