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Welche Einstiegsmöglichkeiten gibt es für Banken in den Kryptomarkt?

Ulrich Windheuser
18. Nov. 2021
capgemini-invent

Einführung: Eine veränderte Bankenumwelt erfordert neue Geschäftszweige

Während Banken in der Vergangenheit Geld mit Zins- und Transformations-Margen verdienten, ist dieses Geschäft heutzutage aufgrund der aktuellen Zinsentwicklung immer weniger rentabel. Aufgrund der Verschuldung vieler Staaten und Unternehmen scheint eine Zinserhöhung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich. Außerdem wird derzeit die Geldmenge stetig erhöht, um die durch Corona gebeutelte Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Inflation und damit einer massiven Wertminderung des Fiatgeldes rapide an.[1] Diese stark veränderte Bankenumwelt führt dazu, dass Banken neue Geschäftsmodelle benötigen, um weitere Marktpotentiale erschließen zu können. Ein derartiges Potential bietet die immer weiter voranschreitende Entwicklung des Kryptomarktes. Dieser Trend ermöglicht Banken unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten in den Markt.

Für jeden Bankentyp ergeben sich vielfältige Einstiegsmöglichkeiten

Der Kryptomarkt hat sich in kürzester Zeit stark weiterentwickelt. Kryptowährungen brechen derzeit immer wieder ihr Rekordhoch. Sie werden hauptsächlich als Anlagemöglichkeit und Spekulationsinstrument genutzt. So hat sich aufgrund der fehlenden Massentauglichkeit, der Volatilität und dem mangelhaften Anlegerschutz bisher keine Kryptowährung international als Zahlungsmittel etabliert.[2] Eine Ausnahme bildet El Salvador, wo es seit September offiziell möglich ist, mit einer Kryptowährung zu bezahlen.[3] Obwohl der Kryptomarkt gesamtwirtschaftlich gesehen bisher eine untergeordnete Rolle spielt, wird er zunehmend durch neue Big Player erschlossen. Maßgeblich wird diese Entwicklung durch die steigende Akzeptanz und die Technologieentwicklung getrieben. Die notwendigen regulatorischen Anforderungen befinden sich sowohl in Deutschland als auch in Europa und im internationalen Raum im konstanten Wandel und in einer fortschreitenden Weiterentwicklung. Aufgrund der vielfältigen Einstiegsmöglichkeiten ist eine vorherige Prüfung der notwendigen Technologie und der Regulatorik entscheidend. Für den Einstieg scheint es vorteilhaft zu sein, einen mit dem derzeitigen Geschäftsmodell verwandten Geschäftszweig zu wählen. So können bereits vorhandene Kernkompetenzen genutzt werden und Synergien entstehen. Deshalb ergeben sich unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten für die jeweiligen Bankentypen. Eine Auswahl der möglichen Optionen sind in der folgenden Grafik aufgeführt:

Die Bereitstellung eines Wallets, welches zur Aufbewahrung von Kryptos genutzt werden kann und wie ein Depot funktioniert, ist eine potenzielle Einstiegsmöglichkeit für Banken, die Securities & Asset Services anbieten. Außerdem können derartige Banken einen Clearing- und Abwicklungsservice an der Schnittstelle zwischen Kryptos und Fiatwährung offerieren. Weitere denkbare Optionen sind Verwahrungsdienstleistungen und Kapitalmaßnahmen.

Ein Beispiel am deutschen Finanzmarkt zeigt die Börse Stuttgart. Diese ist in den Kryptomarkt eingestiegen und hat mit dem Börse Stuttgart Digital Exchange (BSDEX) eine Handelsplattform für digitale Assets geschaffen. Dort agiert die Solarisbank als Verwahrstelle für die gehandelten Assets. Durch eine offene API soll die BSDEX auch für institutionelle Investoren attraktiv sein und diese an den Kryptomarkt anbinden.[4]

Für Banken, die im Retail-Geschäft tätig sind, ergeben sich hingegen andere Einstiegsmöglichkeiten. Erwähnenswert ist das Trading mit Kryptos, welches sogar ohne eigene Plattform möglich ist. So kann eine Anbindung zu Trading-Plattformen hierbei analog zu heutigen Börsenanbindungen gesehen werden. Für Großbanken ergibt sich außerdem die Möglichkeit Securities Services für kleinere Banken bereitzustellen, da diese solche Dienstleistungen häufig outsourcen. Weitere Einstiegsmöglichkeiten sind die Finanz bzw. Anlageberatung, sowie Sparpläne mit Kryptos anzubieten.

Als eine der ersten Retail-Banken in Deutschland, welche in den Kryptomarkt eingestiegen ist, gilt die Fidor Bank. Diese konzentriert sich vor allem auf den Express-Handel mit Kryptowährungen. So können Kryptos in Echtzeit über Kryptoplattformen gekauft bzw. verkauft werden. In ihrem Cash Manager lässt sich jederzeit über eine API nachvollziehen, welches Kryptovermögen vorhanden ist. Als weiteren Geschäftszweig akzeptiert die Fidor Bank Zahlungseingänge von verschiedenen internationalen Krypto-Börsen ohne großen Aufwand für die Kunden.[5]

Auch im Bereich Corporate & Investment Banking ergibt sich eine große Anzahl an neuen Geschäftsfeldern durch den Kryptomarkt. Die Tokenisierung, die analog zur heutigen Verbriefung und Faktorisierung gesehen werden kann, scheint ein großes Potenzial zu bieten. Ein anderes potenzielles Geschäftsfeld ist die Emission von Kryptos und Corporate Actions, wie z.B. die Emission von Aktien als Kryptos oder M&A-Abwicklungen. Andere Eintrittsoptionen sind Trade Finance, Market Making und Sales Trading. Hierbei ermöglicht die Technologie und die Nutzung von Smart Contracts automatisierte und dezentrale Lösungen. Auch Treasury Solutions, Derivates Trading mit Kryptos als Underlying, sowie Asset und Portfolio Management können ein neuer Geschäftszweig für eine Retail-Bank sein.

Vor kurzem wurde das erste Repo Geschäft zwischen Goldman Sachs und JP Morgan Chase durchgeführt. Dort wurde eine tokenisierte Version eines US-Treasury Bonds gegen einen selbst erstellten Coin der Bank getauscht. Die Goldman Sachs Verantwortlichen lobten vor allem die Fähigkeit des tokenisierten Bonds, eine präzise Terminierung des Handels zu ermöglichen.[6]

Fazit: Ein Eintritt in den Krypto-Markt ist unumgänglich

Banken können ihre bestehende Geschäftsmodelle grundsätzlich um Kryptos erweitern und zusätzlich neue Geschäftszweige bzw. Geschäftsmodelle entwickeln. Bereits heute kristallisieren sich internationale Schlüsselbanken als Vorreiter bei der Entwicklung von Kryptodienstleistungen heraus. Welche Banken an dem neuen Marktpotenzial partizipieren, entscheidet sich in den nächsten Jahren. Eine strategische Entscheidung hinsichtlich des Einstiegs in den Kryptomarkt sollte deshalb schnellstmöglich getroffen werden. Es gilt festzuhalten, dass sich für die meisten Banken – hinsichtlich eines Einstiegs in den Kryptomarkt – nicht die Frage des ob, sondern eher des wann stellt.

Vielen Dank an den Co-Autor Simon Notbohm.

References:

[1] Glades (2021); Bankenkrise 2021: Warum Blockchain die Chance ist; https://www.e-commerce-magazin.de/bankenkrise-2021-warum-blockchain-die-chance-ist/

[2] Gießen (2021); Kryptowerte bieten Banken neue Finance-Modelle; https://www.springerprofessional.de/kryptowaehrungen/blockchain/kryptowerte-bieten-banken-neue-finance-modelle/18789510

[3] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/bitcoin-el-salvador-101.html

[4] Holtermann (2019); Solarisbank startet Bitcoin-Verwahrgeschäft; https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/digitalbank-solarisbank-startet-bitcoin-verwahrgeschaeft/25320638.html?ticket=ST-3536885-xB6ZowGTumuhcswvBa0N-cas01.example.org

[5] Doehnert-Breyer (2021); Welche deutschen Banken sprechen „Krypto“?; https://f5crypto.com/recherche/deutsche-banken-in-der-krypto-welt/

[6] Kahraman (2021); Goldman Sachs reportedly started trading on JPMorgan’s repo blockchain; https://cointelegraph.com/news/goldman-sachs-reportedly-started-trading-on-jpmorgan-s-repo-blockchain

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Autor

Ulrich Windheuser

Vice President | Head of Enterprise, Data & Analytics, Capgemini Invent
Ulrich Windheuser hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in Banking. Funktional haben ihn stets die Herausforderungen der Finance/Risk-Integration getrieben, insbesondere forderten ihn das Schaffen einer einheitlichen Datenplattform mit hoher Datenqualität heraus. Auf dieser Basis freut er sich auf die neuen, darüber hinausgehenden Herausforderungen, um Banken zu mehr datengetriebenen Geschäftsmodellen zu verhelfen. Aktuell leitet er in Deutschland die Capability Unit Enterprise, Data & Analytics. Er hat an der Mercator Universität Duisburg Mathematik studiert und an der Universität Kaiserslautern in Technomathematik promoviert.

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