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Verstehen, wie Nutzer denken: Usability Testing bei Capgemini

Capgemini Karriere
24. Aug. 2021

Am besten erfüllt Software ihren Zweck, wenn Nutzer*innen sie schnell verstehen und leicht bedienen können. Henrik Bundt und Marina Belova erklären, wie Usability Testing gutes UX Design erst möglich macht.

Beim Usability Testing ist Vielseitigkeit ein Vorteil. Die UX Designer Henrik Bundt und Marina Belova sind auf ganz unterschiedlichen Wegen zu Capgeminis Digital Customer Experience Team gekommen: Henrik studierte Medieninformatik, Marina arbeitete lange in Werbeagenturen. Im Interview erzählen sie von ihren täglichen Herausforderungen und den Karriereperspektiven, die Capgemini Bewerber*innen bietet.

Usability Testing heißt: Perspektive wechseln

Was genau ist eigentlich Usability Testing?

Henrik: Mit Usability Tests prüfen wir, ob sich Software von Anwender*innen gut nutzen lässt. Wir testen also die Gebrauchstauglichkeit, das heißt, ob Nutzer*innen sich beispielsweise in einem Webshop orientieren können oder verstehen, wie die Features in einer App funktionieren. User Tests führen wir grundsätzlich mit Personen aus der jeweiligen Zielgruppe durch. Das ist die wohl effektivste Methode, um Verbesserungspotenziale einer Anwendung zu erkennen.

Marina: An dieser Stelle ist es auch nochmal wichtig, die Begriffe Usability und User Experience zu unterscheiden. Der Begriff der User Experience ist etwas umfassender und meint die gesamte Erfahrung, die eine Person mit einem Produkt hat. Und das schließt den gesamten Nutzerzyklus ein: Von der Erwartung an die Nutzung, die geprägt ist von Vorerfahrungen, Werbung, Berichten von Bekannten, Brand Reputation und vielen mehr, über die eigentliche Nutzung und ihren emotionalen Effekt bis nach der Nutzung, zum Beispiel in Form von Erinnerungen oder der persönlichen Identifikation mit dem Produkt oder der Brand.

Henrik: Der Begriff der Usability bezieht sich dann vor allem auf die mittlere Phase, nämlich die eigentliche Nutzung. Hier fokussieren wir uns also auf die Fragen: Wie gut ist ein Produkt zu benutzen? Ist es verständlich und leicht zu lernen? Ist es effizient, erfordert es wenig Anstrengung? Ist es fehlerfrei, ist es performant? Das ist auch definiert in ISO 9241-11: Effizienz, Effektivität, Zufriedenstellung sind hier die entscheidenden Parameter.

Usability-Testing

Welche Arten von User Tests führt ihr durch, um diese Aspekte abzuprüfen?

Marina: Innerhalb der Usability Evaluation – das ist der Überbegriff – gibt es vielfältige Methoden. Eine davon ist der sogenannte asynchrone Remote Usability Test. Dabei probieren Nutzer*innen unsere Prototypen alleine aus und geben uns Feedback in Form eines Fragebogens. Wir sind also nicht bei jedem Test als Beobachter*innen dabei, sondern werten die Eindrücke der Nutzer*innen im Nachhinein aus. Dieser Test eignet sich vor allem bei Projekten mit einer sehr großen und heterogenen Nutzergruppe, die testen soll.

Henrik: Moderierte Präsenztests sind ebenfalls eine sehr gute Methode, wenn nicht die beste. Hier geben wir den Nutzer*innen praxisnahe Aufgaben, die sie mit der neuen Software erfüllen sollen. Ohne Anleitung, wohlgemerkt. Wir beobachten sie dann dabei. Anhand dessen – und durch ihr Feedback – können wir herausfinden, ob die Software so designed ist, dass die User damit zurecht kommen und Usability Probleme identifizieren. Im Vergleich zum Remote Test ist die Methode zeitaufwändiger, kann aber detaillierte und unerwartete Einblicke geben.

Wisst ihr manchmal schon vor dem User Testing, wie gut die Usability ist?

Marina: Man kann Anwendungen schon vor der Testphase einer Heuristic Evaluation unterziehen. Heuristiken sind Leitsätze oder Regeln, die man befolgen muss, um die UX zu optimieren. Für die heuristische Evaluation prüfen wir dann anhand einer Checkliste, ob unsere Anwendungen auch keine der Regeln verletzen. In der Theorie hat man dann eine gute UX.

Henrik: Für mich ist direktes Feedback trotzdem unverzichtbar. Einige UX Expert*innen werten auch das Nutzungsverhalten von Software oder Websites mit speziellen Analytics Tools aus, die beispielsweise Klickpfade sichtbar machen. Aber solche Daten geben nur bestimmte Anhaltspunkte zum Nutzungsverhalten, die in einem größeren Kontext analysiert werden müssen.

Welche Hilfsmittel gibt Capgemini euch für UX Tests an die Hand?

Henrik: An unserem Standort in Hamburg haben wir einen CoCreation Space, der auch ein brandneues Usability Labor mit sehr leistungsfähigen PCs bereithält. Dort ist alles aufs Testing zugeschnitten, inklusive eigener Plätze für Beobachter*innen, Eye Tracker und einem Nebenraum, wo unsere Kunden die Tests als Live-Stream verfolgen können. Dass Capgemini so innovative Arbeitsorte schafft, ist großartig und nur einer der vielen Gründe, die für Capgemini sprechen.

Für Usability Testing ist es nie zu früh

An welchem Punkt in der Entwicklung ist der richtige Zeitpunkt, um User Tests zu starten?

Henrik: So früh wie möglich! Vor allem agiles Arbeiten verträgt sich sehr gut mit Usability Testing, weil Iteration in beiden Bereichen einen hohen Stellenwert hat: Kurze Entwicklungszyklen, schnelle Evaluation und sofortige Verbesserung des Produkts sind hier wie dort selbstverständlich.

Marina: Ganz am Anfang arbeiten wir häufig mit klickbaren Dummys – oder mit Papierzetteln! Paper Prototyping ist in der Mobile-App-Entwicklung sehr beliebt. Dabei skizzieren wir das Endgerät und alle Screens jeweils auf Papier. Bei jedem „Klick“ des Nutzers oder der Nutzerin nehme ich den obersten Zettel weg und lege ein Bild vom nächsten Screen hin.

Das ist eine sehr geradlinige Herangehensweise.

Henrik: Der Aufwand unserer Tests variiert nun einmal, abhängig von ganz pragmatischen Fragen: Wie neu ist ein Feature oder eine Lösung? Wie unsicher bin ich mir bei der Usability? Tests sind niemals Selbstzweck. Wenn mir unterschiedliche Nutzer*innen immer das gleiche Feedback geben, dann muss ich nicht unnötig noch mehr Feedback auswerten. Obwohl: Es gibt immer eine Restwahrscheinlichkeit, dass dem nächsten Nutzer oder der nächsten Nutzerin noch etwas Neues auffällt.

Seid ihr bei Usability Tests also darauf eingestellt, dass Ergebnisse auch mal uneindeutig ausfallen?

Marina: Absolut, ja. Deshalb ist es auch so wichtig, die eigenen Methoden ständig weiter zu entwickeln. Derzeit bin ich Teil eines Projekts an der Grenze zum Go Live. Hier lassen wir einige Pilot-User schon früh mit einer ersten lauffähigen Version der Software arbeiten – einem sogenannten MVP (Minimum Viable Product). So bekommen wir direktes Feedback aus ihrem tatsächlichen Berufsalltag.

Capgemini setzt sich für Usability Testing ein

Aus eurer Sicht, als UX Expert*innen und Business Analysts gesprochen: Wie ernst nimmt Capgemini User Tests im täglichen Doing?

Henrik: Das hängt natürlich nicht immer von uns selbst ab, sondern auch von den jeweiligen Projektanforderungen der Kunden, auf die wir Capgemini-Mitarbeitenden individuell eingehen. Allgemein wollen wir bei Capgemini alle ermutigen, frühzeitig zu testen. Im Public Sector beispielsweise steht meistens schon in den Ausschreibungen, dass die Usability im Vorfeld getestet werden soll, gerade im Hinblick auf die digitale Inklusion und Barrierefreiheit. Die Position des zertifizierten Testers beziehungsweise der Testerin wird ebenfalls oft mit ausgeschrieben.

Testet Ihr in enger Abstimmung mit dem Kunden, um dessen User es sich ja handelt?

Henrik: Wenn wir für Kunden ein Tool zur internen Nutzung entwickeln – meistens im B2B-Geschäft – dann stellt der Kunde idealerweise auch selbst die Testpersonen. Bei B2C-Projekten, etwa einem Onlineshop, gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Gruppe an Testpersonen aus der Bevölkerung zusammenzustellen. Externe Dienstleister treten auch häufig als Vermittler auf. Ansonsten wäre es sehr zeitaufwendig, die Nutzer*innen zu finden.

Wie viele Nutzer*innen braucht ein aussagekräftiger User Test?

Henrik: Weit verbreitet ist die Fünf-User-These: Fünf User decken 80 Prozent aller Usability-Probleme auf. Mittlerweile gibt es Studien, die diese These relativieren. Natürlich sind wenige User immer noch besser als gar keine. Aber man sollte die Ergebnisse mit Vorsicht genießen und sich bei guten Resultaten nicht in falscher Sicherheit wiegen. Acht bis zwölf User sind eine gute Anzahl, aber meistens ist es Erfahrungssache zu wissen, wann es sich nicht mehr lohnt, den aktuellen Test mit weiteren Usern fortzusetzen.

Können die Ergebnisse aus einem Usability Testing euch auch noch richtig überraschen?

Marina: Als UX Expert*in steckst du so tief in deinem Thema drin und denkst, du hast alle Eventualitäten bedacht. Aber dann kommt immer ein User und drückt auf einen Punkt, den bis dahin niemand wahrgenommen hat. „Was denkt er in diesem Moment?“, frage ich mich dann. In solchen Momenten lernst du eine gewisse Demut. Selbst erfahrene UX Designer können niemals alles voraussehen, was User tun.

Henrik: Ich erzähle gerne von einem Suchfeature, dass wir vor einiger Zeit getestet haben. Die Suche war einfach viel zu schnell für die Nutzer*innen. Unsere User begriffen gar nicht, dass sie schon die Trefferliste vor sich sahen. Sie konnten einfach nicht so schnell gucken. Deshalb haben wir eine Animation eingeführt, die die Suche verlangsamte. Erst jetzt erkannten die Nutzer*innen, dass etwas passiert.

Marina: Nicht schlecht, ihr habt die Performance absichtlich verschlechtert, um die Usability zu verbessern.

Das richtige Mindset: Tipps für UX Bewerber*innen

Gibt es Skills, die ein UX Designer oder Business Analyst mitbringen muss, um erfolgreiche User Tests durchzuführen?

Henrik: Am wichtigsten ist erstmal die persönliche Einstellung der Testenden. Nicht die Nutzer*innen, sondern die Produkte werden getestet. Es kommt regelmäßig vor, dass Nutzer*innen absolut nichts mit einem Feature anfangen können, in das man als Designer sehr viel Mühe investiert hat. In solchen Momenten müssen wir uns als Testende zurückhalten. Man darf das eigene Design niemals verteidigen und niemals erklären. Die Lösung muss von sich aus funktionieren.

Welche internen Weiterbildungsangebote bietet Capgemini angehenden UX Tester*innen an?

Henrik: Wir bieten das interne Capgemini-Training „User Experience (UX) Testing: How to measure Usability“ an. Das richtet sich vor allem an Mitarbeitende, die noch nie getestet haben, aber sich für das Thema interessieren. Bei Capgemini kommen die Kolleg*innen nämlich aus verschiedenen Richtungen zum Usability Testing. Viele unserer klassischen Business Analyst*innen wollen sich in diese Richtung entwickeln. Auch Projektmanager*innen machen sich so mit dem Thema vertraut.

Marina: Capgemini bietet wirklich viele Entwicklungsperspektiven. Unter anderem die Unterstützung bei der Zertifizierung als „Certified Professional for Usability and User Experience“. Das ist eine grundlegende Qualifikation, die von vielen Kunden als Kompetenznachweis erwartet wird. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer während des Studiums keine Zertifikate erworben hat – aus Zeit- oder Geldgründen – qualifiziert sich eben im Job.

Vielen Dank, Henrik und Marina, dass ihr uns die Bedeutung von Usability Testing im UX Bereich näher gebracht habt.

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