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Intelligent Industry – drei Vorhersagen für die Produktion 2030

Jochen Bechtold
26. Jan. 2021

Durch die Nutzung von digitalen Technologien wie Cloud Computing und Künstlicher Intelligenz wird die Vision von voll-integrierten, -digitalisierten und selbstoptimierenden Wertschöpfungsnetzwerken immer realer.

Bestehende Strukturen und Zusammenarbeitsmodelle stehen aufgrund einer immer höheren Innovationsgeschwindigkeit auf dem Prüfstand. Etablierte Unternehmen müssen sich und ihre Belegschaft nicht nur sehr viel schneller weiterentwickeln, sondern auch ihre Positionierung in der industriellen Wertschöpfung in einem sich rasant verändernden Wettbewerbsumfeld überdenken. Diese Transformation ist eine Kraftanstrengung für die gesamte produzierende Industrie.

„Made in Germany 2030“: Deutschland hat die Chance, sich durch diese Transformation neu zu positionieren und auch zukünftig durch daten- und softwaregetriebene Innovationen auf Basis der Verschmelzung von Operations Technology (OT) mit Information Technology (IT) seine Technologieführerschaft zu behaupten. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

Intelligent Industry Vision 2030

Die nachfolgenden Thesen geben einen ersten Eindruck, welche Entwicklungsrichtungen und Facetten wir für die fertigende Industrie in den nächsten Jahren erwarten.

„Im Jahr 2030 werden die Top 5 Produzenten deutlich weniger als heute oder gar keine Produktionsanlagen mehr besitzen.“

In unserer Zukunftsvision ist eine nahtlose Verschmelzung zwischen Produktentwicklung, Produktion und Betrieb auf Basis von durchgängigen Digital-Twin-Ansätzen, auch unternehmensübergreifend, vorhanden. Durch die Etablierung von offenen Informations- und Kommunikationsstandards wird die Vision von „Plug & Produce“ in der Industrie Realität. Durch die Möglichkeit der einfachen Integration von Anlagen in die Produktionsplattformen der großen Produzenten, werden Eintrittsbarrieren für Produktionsmittel deutlich reduziert. Die Folge ist die Öffnung des Marktes für eine flexible und nachfragegetriebene Beschaffung von Produktionskapazitäten im Sinne der Plattformökonomie.

In einem solchen Zielbild wird der klassische kapitalintensive Kauf von Produktionsmitteln für Produzenten zunehmend ökonomisch unattraktiv. Spezialisierte Hersteller von Produktionsanlagen werden in einem Full-Service-Geschäftsmodell deutlich geringere Stückkosten anbieten können. Der Markt für Produktionsanlagen wird sich fundamental hin zu der Beschaffung von Produktionskapazitäten von spezialisierten Anbietern verändern.

Das andere Extrem werden (wenige) Unternehmen wie TESLA sein: Vollintegration und weitgehende Kontrolle der kompletten Wertschöpfungskette unter dem eigenen Dach, modularer Aufbau der Fabrik unter Nutzung der exklusiv für die eigene Nutzung entwickelten IT-/OT-Technologieinnovationen. Eine sehr kapitalintensive Herangehensweise, die sich nur sehr wenige leisten können.

„Im Jahr 2030 werden 80 % der Fabrikarbeiter nicht mehr physisch in der Fabrik arbeiten.“

In der voll-digitalisierten Fabrik der Zukunft werden auf Basis von Digital-Twin-Ansätzen alle relevanten Informationen zum Zustand der Fabrik und des Produktionsprozesses digital verfügbar sein. Anpassungen am Produktionsprozess erfolgen datengetrieben durch den Produktionsingenieur via Dashboard vom Schreibtisch aus – oder werden sogar autonom durch das Produktionssystem auf Basis des aktuellen Prozesszustandes durchgeführt.

Der hohe Automatisierungsgrad zukünftiger Fabriken wird die Tätigkeiten der Arbeiter weg von physischen Aufgaben hin zu überwachenden Funktionen verschieben, die auch remote ausführbar sind. Bisher notwendige manuelle Anpassungen von Programmen direkt an der Anlage werden durch Cloud-gesteuerte, automatisierte Updates ersetzt. Als Folge werden zentrale Teams unabhängig vom physischen Standort der Fabrik die notwendigen Überwachungs- und Anpassungsaufgaben für ganze Produktionsnetzwerke ausführen. Der Bedarf an Vor-Ort Arbeitskräften wird sich stark reduzieren.

„Im Jahr 2030 wird der Marktführer für produktionsbezogene Innovationen ein Softwareunternehmen sein.“

Innovationen in der industriellen Fertigung werden sich vom Hardware-zentrischen Engineering hin zu datengetriebenen Lösungen verschieben. Dieser Trend wird sich durch die Demokratisierung des Marktes auf Basis von offenen Produktionsplattformen weiter verstärken und zu einer generellen Verschiebung der Wertschöpfung von OT zu IT führen.

Die einfache Skalierung von Software-Innovationen über diese Plattformen wird zu einer hohen Dynamik führen. Um hier mithalten zu können, sind eine agile Unternehmenskultur und deutlich veränderte Fähigkeitsprofile der Mitarbeiter notwendig.

Neue Akteure mit Erfahrung in softwaregetriebenen Innovationen werden eine deutlich größere Rolle im Markt einnehmen. Beispielsweise erhöhen die globalen Cloud-Anbieter (Hyperscaler) schon heute erheblich die Investitionen in die Industrial IoT (IIoT)/Software Funktionalitäten ihrer Plattformen und bauen hierfür Automatisierungskompetenz auf. Die ersten und sicherlich nicht die letzten Bündelangebote aus OT- und IT-Innovation dieser Player sind am Markt. „Production Innovation Made in Germany“ wird sehr viel Daten-, IT- und Software-lastiger und dynamischer werden müssen, um im globalen Wettbewerb mit den aufstrebenden Playern mitzuhalten.

Die Zukunft der Intelligenten Industrie beginnt jetzt

Der Weg hin zu der Zukunftsvision Industrie 2030 wird mit sehr vielen spannenden Innovationen und Veränderungen verbunden sein. Wenn wir Made in Germany nicht als Markenzeichen verlieren wollen, müssen wir jetzt gemeinsam die Zukunft unserer Industrie definieren und ausgestalten.

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Autor

Jochen Bechtold

Jochen Bechtold

Managing Director von Capgemini Engineering in Deutschland
Zusammen mit dem Capgemini Engineering Team und der Power der Capgemini-Gruppe, ist es mein Ziel, die Vernetzung der physischen und digitalen Welt hin zur „Intelligent Industry“ weiter auszubauen und damit die Wertschöpfungsketten, Produkte und Services unserer Kunden noch vernetzter, datengesteuerter, intelligenter und nachhaltiger zu machen.

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