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Digitaler Staat: Diese IT-Trends beschäftigen die Verwaltung laut Fraunhofer FOKUS und Capgemini

Lars Santesson
27 Jun 2022

Budgets auf Rekordniveau, Nachhaltigkeit hat geringe Priorität

Mit welchen Digitalthemen befasst sich die öffentliche Verwaltung derzeit besonders? Auf dem Fachkongress Digitaler Staat habe ich gemeinsam mit Dr. Jens Klessmann, Leiter des Geschäftsbereichs Digital Public Services bei Fraunhofer FOKUS, vorgestellt, welche Relevanz verschiedene Technologien für die Arbeit im öffentlichen Sektor haben – heute und in Zukunft.

Die Grundlage dafür waren zwei Studien: Mit den Capgemini IT-Trends fragen wir jedes Jahr die Bedeutung von Technologien und IT-Themen in der Wirtschaft und Verwaltung ab, um den Status quo und die Zukunftspläne von Unternehmen und Behörden zu erfassen. Ähnlich erfasst das Institut Fraunhofer FOKUS mit seinem Kompetenzzentrum Öffentliche IT, gemeinsam mit dem Magazin Behörden Spiegel, seit 2020 digitale Trendthemen in der öffentlichen Verwaltung in einem jährlichen Themenradar.

IT-Budgets wachsen im Rekordtempo – Deadline für die OZG-Umsetzung rückt näher

Das Besondere in diesem Jahr: In den 19 Jahren, in denen wir die Capgemini IT-Trends-Studie schon durchführen, sind IT-Budgets noch nie so stark gestiegen wie 2022. Im Public Sector erwarteten 44 Prozent der Teilnehmenden sogar ein Wachstum von mehr als 10 Prozent. IT wird in der Verwaltung nicht länger nur als Kostenfaktor gesehen – sondern als essenzieller Teil der Lösung. Ein wichtiger Faktor ist aber, dass digitale Produkte und Service schnell marktreif werden. Geschwindigkeit zählt – auch in Anbetracht der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), wofür die Verwaltung bis Ende 2022 nutzerfreundliche Online-Services für all ihre Leistungen etablieren muss.

Nachhaltigkeit mit sinkender Priorität

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass andere Themen in den Hintergrund treten. Etwa die Nachhaltigkeitsstrategie: Nach dem Bundesklimaschutzgesetz soll der öffentliche Sektor bis 2030 klimaneutral sein, aber die Bedeutung scheint in der Verwaltung noch nicht richtig angekommen zu sein. In den IT-Trends liegt die gemessene Bedeutung von Nachhaltigkeit nur im unteren Mittelfeld: Im Durchschnitt bei 2,95 auf einer Skala von 1 (sehr hoher Stellenwert) bis 5 (keine Bedeutung). Auch spezifische Ziele sind wenig ambitioniert: Die öffentliche Verwaltung will ihre jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2026 um knapp 28 Prozent senken – im Vergleich zu fast 37 Prozent in der Wirtschaft.

Diesen Trend bestätigt auch das Themenradar 2022 des Fraunhofer FOKUS: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Bedeutung, die die Teilnehmenden Nachhaltigkeit heute zuschreiben, gesunken – ebenso wie die erwartete Bedeutungszunahme in den nächsten fünf Jahren. Die Befragten räumen dem Thema also sowohl aktuell als auch für die Zukunft weniger Priorität ein als noch im letzten Jahr.

Jeder Zehnte klagt über die Qualität der Daten

Was treibt Verantwortliche in der Verwaltung stattdessen um? Vor allem die Themen IT-Sicherheit und Datenstrategie haben im Fraunhofer Themenradar 2022 deutlich an Relevanz gewonnen.

„Im Vergleich zum Vorjahr nimmt die Bedeutung von Digitalstrategien und Open Data, ebenso wie Datenmanagement für die Verwaltung zu. Das zeigt, dass nach wie vor wichtige Grundlagen für eine zukunftsorientierte Digitalisierung zu legen sind“, erklärt Jens Klessmann.

Auch unsere IT-Trends-Studie spiegelt diese Entwicklungen wider: Datensicherheit ist für knapp 27 Prozent der Befragten ein wichtiges Ziel, und die Sorge über dieses Thema ist gestiegen. Auch bei der Frage nach vorhandenen Datensilos ergeben sich einige aktuelle Brennpunkte: 60 Prozent der Daten in der öffentlichen Verwaltung sind nicht organisationsübergreifend verfügbar – mehr als drei Viertel (76 Prozent) davon aufgrund gesetzlicher Bestimmungen. Etwa ein Viertel der Befragten sieht sich mit Datenformaten konfrontiert, die sich nicht weiterverarbeiten lassen. Und noch jedem zehnten Befragten bereitet die Qualität der Daten Probleme.

Prinzipiell wären Behörden damit zwar nicht allzu schlecht aufgestellt. Doch die Anforderungen werden im Rahmen der OZG-Umsetzung nach dem Einer-für-alle-Prinzip schnell steigen. Die darin vorgesehene gemeinsame Nutzung von Services beinhaltet auch die Standardisierung von Datenformaten und Schnittstellen.

Druck auf die Verwaltung steigt – auch getrieben vom drohenden Fachkräftemangel

Die öffentliche Verwaltung steht derzeit vor vielen Herausforderungen. Es gibt den Druck zur Digitalisierung aus dem OZG, dem Registermodernisierungsgesetz (RegMoG, UBRegG) und dem E-Government-Gesetz mit höherem Tempo und mehr Parallelität. Viele Themen werden auf EU-Ebene vorangetrieben, wie die Single Digital Gateway-Verordnung (SDG-VO) und die eIDAS-Verordnung zur elektronischen Identifikation. Dazu kommen weitere Aktivitäten, wie das Thema der Nachhaltigkeit.

Dafür wird zunehmend mehr (IT-)Personal benötigt – all das vor dem Hintergrund eines bevorstehenden demografischen Wandels und Fachkräftemangels. Hier muss die öffentliche Verwaltung zügig Lösungen schaffen, damit sie mehr und mehr in eine Parallelität bezogen auf die erforderlichen Umsetzungen kommt. Datengetriebenes Verwaltungshandeln kann hier eine Lösung sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die dafür notwendigen Daten – sofern datenschutzrechtlich unbedenklich – verfügbar gemacht werden, damit eine mögliche Automatisierung basierend auf Daten wirklich funktioniert.

Dr. Jens Klessmann, Fraunhofer FOKUS, (l.) und Lars Santesson, Capgemini, (r.) auf dem Fachkongress Digitaler Staat

Für das Themenradar 2022 hat Fraunhofer FOKUS insgesamt 459 Personen aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung, Wirtschaft, Forschung, Politik sowie Zivilgesellschaft befragt, darunter 306 Teilnehmende aus dem öffentlichen Sektor. Alle Ergebnisse sind verfügbar unter: https://www.oeffentliche-it.de/umfragen/themenradar-interaktiv 

An der IT-Trends-Studie 2022 von Capgemini nahmen 195 Fach- und IT-Verantwortliche aus Unternehmen und Behörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz teil, davon 56 Personen aus dem öffentlichen Sektor. Die vollständige Studie finden Sie unter: https://www.capgemini.com/de-de/service/it-trends-studie/

Autor

Lars Santesson

Chief Technology Officer (CTO) für den öffentlichen Sektor bei Capgemini Deutschland
Als Chief Technology Officer (CTO) für den öffentlichen Sektor bei Capgemini unterstütze ich öffentliche Einrichtungen dabei, zukunftsfähige IT-Architekturen zu gestalten und wirksame Steuerungsinstrumente zu etablieren. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit ist es, die Rahmenbedingungen für einen konstruktiven Dialog auf föderaler Ebene zu fördern, um gemeinsam die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Derzeit bin ich in Projekten zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie zur Registermodernisierung aktiv.

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