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World Insurance Report 2020

Martin Baumann
03. Sep. 2020
capgemini-invent

Zukunftsstrategie Versicherung: Partnerschaften für Erfolg in der neuen Versicherungswelt

Anna-Lena Angerer, Capgemini Invent

Dies ist der vierte Teil einer Blogreihe, die die Erkenntnisse des World Insurance Reports 2020 unter die Lupe nimmt und zeigt, dass ein verändertes Kundenverhalten, die gestiegene Nachfrage nach hyper-personalisierten Produkten und die dazu erforderliche Datenkompetenz klassische Versicherungsunternehmen zum Handeln zwingen.

Der Begriff „Digital Natives“ wird obsolet, denn die meisten Kunden sind zunehmend über verschiedenste Kanäle mobil und digital. Es ist Zeit, sich auch als Versicherer intensiver an neue Kanäle zu wagen, ohne die Balance zwischen digitaler Effizienz und persönlichem Kundenkontakt zu verlieren.

Die Lösung für diese Herausforderung liegt in einem hybriden Ansatz: Denn mit 44% bevorzugt sogar knapp die Hälfte aller sogenannten „Nachzügler“ – der Kundengruppe mit der niedrigsten Interaktionsrate – sich über mindestens drei verschiedene Kanäle über Versicherungen zu informieren. Mit 20% der Nachzügler schließen dann auch ein Fünftel die Versicherung über einen der mindestens drei zur Auswahl stehenden Kanäle ab. Eine Präferenz für den On- oder Offlineabschluss ist also bei keiner Kundengruppe von vorneherein mehr gegeben – sie schätzen die Wahlfreiheit.

Abb. 1: Kanalnutzung für Informationssuche und Abschluss nach Konsumentengruppen (DACH)

Die zeitgemäße Versicherung ist digital, individualisiert und dynamisch

Durch den Ausbau und die zusätzlichen Möglichkeiten der digitalen Kanäle steigt die Notwendigkeit für Versicherer Produkte und Services auch wesentlich stärker zu individualisieren. Kundensegmente müssen aufgebrochen und jeder Kunde folglich als einzelnes Segment betrachtet werden. Auf diese Weise können sie Kunden aller Altersgruppen und Interaktionsorientierungen gewinnen und ihr Geschäft auch in Zukunft sichern. Für eine solche „Digital-First“ Strategie sind folglich drei Dimensionen maßgebend: Kanäle, Einzel-Segmentierung und dynamisches Produktportfolio.

Abb. 2: Handlungsfelder für die Versicherer der Zukunft – Digital First Strategie

Digitale Kanäle mit persönlicher Note, beispielsweise Videochat, finden Zuspruch bei vielen Kundengruppen. Der Versicherer der Zukunft muss die Klaviatur aus Website, mobile app und chat-bots umfänglich beherrschen den Versicherungskunden anlassbezogen und kanalübergreifend bedienen.

Wie bereits im vorigen Blog zur Datenkompetenz festgestellt, feilen einige Versicherer bereits an ihrer Infrastruktur um eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden zu ermöglichen. Die Reise beginnt jedoch damit, Datenverarbeitungssysteme mit ausgewählten Kundendaten versorgen zu können, damit sie personalisierte Angebote erstellen können. On-demand- und Usage-based-Versicherungsprodukte werden nur nachgefragt, wenn sie hyper-personalisiert auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt sind. Data Mining unter Einbezug aller Kundeninformationen muss daher von Versicherern priorisiert werden. Nur wenn sie auch die Customer Journey des einzelnen Kunden kennen, kann automatisiertes Marketing erfolgreich sein. Jeder Kunde ist individuell und statt traditionellen Kundenclustern wird das „Kundesegment eines jeden Einzelnen“ in Zukunft maßgebend sein.

Entsprechend besteht eine weitere Grundlage zur zielgenauen Kundenakquise in einem dynamischen Produktangebot. Ein Neuzuschnitt auf flexibel kombinierbare Produktmodule in kurzen Anpassungszyklen kann der erste Schritt sein. Versicherer werden im Kundenkontakt agil ihr Portfolio verifizieren und entwicklungsbedingt neu bewerten. Sinnvoll ist es, Produkte so aufzusetzen, dass sie skalierbar sind, einzelne Elemente aber auch schnell wieder vom Markt genommen bzw. nachjustiert werden können, sollten sich im nächsten Zyklus veränderte Kundenbedürfnisse herauskristalisieren.

Durch Datentechnologien komplexe Prozesse effizienter und dynamischer gestalten

Um neue Fähigkeiten für die Kundenakquise- und bindung aufzubauen, bedarf es eines agilen Mindsets und Risikobereitschaft neue Wege zu gehen – zwei Komponenten, die traditionell nicht in der DNA eines typischen Versicherungsunternehmen verankert sind. Ganz im Gegenteil: Ein Blick in die Versicherungsbranche zeigt, dass in puncto Effizienz und Dynamik Optimierungspotenzial besteht.

Zu komplexe und zeitintensive Prozesse müssen nicht nur neu aufgesetzt, sondern auch neu gelebt werden. Um den Kunden schnell mit individuell passenden Angeboten zu erreichen, brauchen Versicherungsmitarbeiter neben agilen Arbeitsmethoden und neuen Modellen der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit die richtigen Daten und Technologien wie künstliche Intelligenz.

Datenmodelle können ihnen helfen, das Risiko eines Kunden akkurat und dynamisch zu bewerten. Ebenso lassen sich mit ihnen anhand von Markteinblicken und personalisierten Daten wettbewerbsfähige und individuelle Preismodelle erstellen, statt zentralisiert mit nur einer Preisstrategie auf ein ganzes Kundensegment zuzugehen. Der bisherige retrospektivische Ansatz, bei welchem Daten aus der Vergangenheit herangezogen werden, um Vorhersagen zu erstellen sollte prädiktiven Analysen auf Basis von Echtzeit-Kundendaten weichen, um die Risikoeinschätzung vorzunehmen.

Abb. 3: Optimierungspotenziale im Underwriting-Prozess

Mit Partnerschaften zum Ziel einer optimalen Customer Experience

Es ist nun Zeit sich den oben genannten Herausforderungen zu stellen. Bestätigt wird dies durch die zunehmende Marktkonkurrenz – denn die Bereitschaft von Kunden, Versicherungsprodukte von höchst kundenorientierten BigTechs zu erwerben, steigt. Waren es im Jahr 2016 europaweit nur rund 11 Prozent, sind mittlerweile 24 Prozent daran interessiert.

Abb. 4: Zunehmendes Vertrauen in BigTech-Unternehmen (EU)

Wie aber nun Agilität in veralterte Prozesse bringen und sich das Know-How für das neue Zeitalter aneignen? InsurTechs können hier Licht ins Dunkeln bringen. Sie bieten Technologieexpertise, innovative Lösungen und kreative Ansätze um einen Versicherunsmarkt der Zukunft zu schaffen und so die Bandbreite jeweils aktueller Kundenbedürfnisse und präferenzen leichter befriedigen.

Um den Weg in die Zukunft nicht alleine bestreiten zu müssen können Versicherer daher klar fokussierte Partnerschaften mit InsurTechs anstreben. Ein derartige Kooperation profitiert von beiderseitigem Know-How, um letztendlich das ambitionierte Ziel einer optimalen Customer Experience zu erreichen.

Dieser vierte Blogbeitrag ist der letzte in unserer Serie in der wir die Erkenntnisse des World Insurance Reports 2020 eingehender beleuchten und aufzeigen, wie Versicherungsunternehmen sich hierzu aufstellen können. Lesen sie in den vorangegangenen Artikeln mehr zu verändertem Kundenverhalten, der gestiegenen Nachfrage nach hyper-personalisierten Produkten und der dazu erforderlichen Datenkompetenz.

Der Beitrag wurde erstellt von Anna-Lena Angerer, Consultant bei Capgemini Invent im Bereich Brand & Experience mit Schwerpunkt Insurance. Der World Insurance Report 2020, für den über 150 Führungskräfte der Versicherungsbranche und mehr als 8.000 Versicherungskunden befragt wurden, steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.


Datenkompetenz: Die Basis für passgenau personalisierte Produkte und Wachstum bei Versicherern

In der neuen Blogreihe zu den Erkenntnissen des World Insurance Reports 2020, wurde bereits analysiert, wie Kunden zunehmend in die Lage versetzt werden, Versicherungsprodukte unabhängig von einem Vermittler zu beurteilen und abzuschließen. Das Kundenalter hat dabei nur marginalen Einfluss auf das Abschlussverhalten beim Versicherungskauf und ist unabhängig davon, welche digitalen Kanäle eine entscheidende Rolle spielen. Lesen Sie mehr dazu im Blogbeitrag „Versicherungsbranche 2020“.

Zwischen der vom Kunden erwarteten und der tatsächlich vorhandenen Personalisierung auch im Vertrieb klafft meist noch eine Lücke, die es zu schließen gilt. Versicherer können dies schaffen, indem sie dem Kunden das richtige Produkt über den präferierten Kanal zur richtigen Zeit anbieten. Dieser Dreiklang ist die Basis für eine starke Beziehung zwischen Kunde und Versicherer. Lesen Sie mehr dazu im Blog „Der perfekte Dreiklang“.

Offen ist bislang geblieben, wie Versicherer mit der Nutzung von gesammelten Daten Wachstum generieren können. Darum geht es jetzt.

Die passende Technologie ist vorhanden, die Erfassung der Daten hinkt meist hinterher

Heutzutage sind Aktuariate nicht mehr die einzigen Abteilungen, die auf Daten angewiesen sind und ihr tägliches Tun darauf stützen. Kundendaten werden von der Antrags- bzw. Risikoprüfung bis hin zur Schadenbearbeitung genutzt und angereichert. Folglich ist die fortschrittliche, schnittstellenübergreifende Datennutzung und -bereitstellung ein wirksamer Hebel, die Produktivität zu verbessern. Versicherern ist grundsätzlich daran gelegen, qualitativ hochwertige Daten zu erheben und auszuwerten.

Interessanterweise wurde im World Insurance Report 2019 deutlich, dass lediglich 35 Prozent der Versicherer in der Lage waren, Daten in Echtzeit zu sammeln und zu nutzen. Dies hat sich auf 41 Prozent im Jahr 2020 verbessert. Blickt man auf das Jahr 2019, in dem lediglich 15 Prozent der Versicherer NLP integrierten, hat sich aber auch hier das Blatt bereits zum Positiven gewendet und 19 Prozent nutzen 2020 diese Technologie, um ihren Service zu verbessern.

Behält man dies im Hinterkopf und betrachtet die Fähigkeit Daten automatisiert zu verarbeiten, dann wird erkenntlich, dass Versicherer über das letzte Jahr hinweg ihre Hausaufgaben gemacht haben und Prozessautomatisierung ein beträchtlicher Teil der Digitalen Agenda war. Flossen 2019 Daten lediglich bei 55 Prozent der Versicherer automatisch, verfügen 2020 bereits 94 Prozent über automatisierte Prozesse und stellen über integrierte Schnittstellen Daten innerhalb und ggf. außerhalb des Unternehmens zur Verfügung.

Diesen Fortschritten bei der Datenverarbeitung hinkt die Erfassung von qualitativ hochwertigen und nutzbaren Kundendaten allerdings hinterher. Die Ursache dafür ist, dass Kunden weiterhin zurückhaltend sind, freiwillig persönliche Daten zur Verfügung zu stellen. Lediglich 27 Prozent[1] der Versicherungskunden sind bereit, zusätzliche Daten an den Versicherer zu übermitteln, um einen besseren Versicherungsschutz zu erhalten.

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Abbildung 1: Nutzung von Technologien zur Erfassung von Kundendaten (DACH)

Die Zahl der Datenlieferanten wächst schnell

Die Flut an Daten wird täglich weiter zunehmen – etwa um Daten, die von Smart Devices, Wearables oder Fahrzeugen generiert werden. Laut Statista[2] wird sich die Anzahl der Smart Homes bis 2024 auf über 6 Millionen verdoppeln. Gartner prognostiziert für den Automobilsektor, dass bis Ende 2020 eine Viertelmilliarde vernetzter Autos unterwegs sein wird und bis 2021 98 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge vernetzt sein werden[3]. Dies ermöglicht eine Vielzahl an Möglichkeiten der Monetarisierung von Fahrzeugdaten.

Beispiel einer ausgewählten Kooperation zur Datenmonetarisierung

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Abbildung 2: Vielzahl an Sensoren zur Erhebung von Daten

Die Partnerschaft von Capgemini Invent und Otonomo vereint zwei wesentliche Säulen der Datenmonetariserung von Automobildaten: die Plattformkompetenz von Otonomo sowie Versicherungsexpertise von Capgemini Invent.

Über seine Plattform aggregiert Otonomo aktuell täglich mehr als zwei Milliarden Datenpunkte von über 20 Millionen vernetzten Fahrzeugen weltweit. Mit Hilfe dieser Daten können neue intelligente, datenbasierte Versicherungsprodukte wie „Pay as you drive“, „Usage based insurance“, „first notification of loss“, etc. und Dienstleistungen für den Verbraucher realisiert werden.

Dies ermöglich es Unternehmen, mehr Nutzen aus den Daten zu generieren: Indem sie die umfassende Technologie- und Branchenexpertise von Capgemini, die Kompetenzen von Capgemini Invent hinsichtlich digitaler Transformation und verbundenen Produkten sowie Dienstleistungen mit Otonomos führender Fahrzeugdaten-Plattform verbinden. Die Zusammenarbeit ergänzt die Vision der Intelligenten Industrie von Capgemini und ermöglicht die Transformation von Fahrzeugherstellen hin zu Mobilitätsanbietern und Dienstleistern.

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Abbildung 3: Möglichkeiten zur Monetarisierung von Fahrzeugdaten

Versicherer müssen diese Lücke schließen

Versicherer müssen damit beginnen, die „richtigen“, vom Kunden erzeugten Daten zu erfassen und fortschrittliche Datenverarbeitungssysteme einzusetzen, die verwertbare Erkenntnisse liefern. Ohne den richtigen Input (Daten) und den richtigen Output (eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden) sind gewinnbringende Einblicke unmöglich. Eine qualitativ hochwertige Datengrundlage kann wesentlich zum Wachstum eines Versicherers beitragen und ihn für die Zukunft stärken.

Kooperationen mit Anbietern von Lösungen, die qualitativ hochwertige Daten sammeln und zur Verfügung stellen, kann Versicherern den entscheidenden Vorteil liefern. Capgemini Invent arbeitet mit Experten wie Otonomo zusammen, um neue datenbasierte Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Nutzen Sie digitale Technologien, um den Kunden besser zu verstehen und ihn in das Zentrum ihres Tuns zu rücken. Erfahren Sie in der nächsten Blog-Ausgabe am 03. September 2020, wie Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen aussehen könnten, um die aus Daten gewonnenen Erkenntnisse sinnvoll zu nutzen. Eine effektive Digitalstrategie lässt sich durch Kooperationen stärken, die zu den richtigen Daten Analysefähigkeiten und Kompetenzen in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle liefern.

[1] World Insurance Report 2019

[2] Smarte Haushaltsgeräte, Statista

[3] ZDNet (Gartner Report)

Über den Autor:

Der Beitrag wurde erstellt von Simon Holler, Manager bei Capgemini Invent im Bereich Brand & Experience mit Schwerpunkt Insurance. Der World Insurance Report 2020, für den über 150 Führungskräfte der Versicherungsbranche und mehr als 8.000 Versicherungskunden befragt wurden, steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.


Der perfekte Dreiklang: Versicherungskunden mit dem richtigen Produkt, Kanal und Timing gewinnen

Melissa Clauss, Capgemini Invent

Erkenntnisse aus dem World Insurance Report 2020 von Capgemini und emfa weisen auf eine erhebliche Lücke im Versicherungsvertrieb hin: Versicherer verstehen zwar nach Ansicht der Kunden größtenteils die Notwendigkeit für Kundenpersonalisierung, entsprechen jedoch bisher keineswegs diesem Kundenwunsch. Um diese Lücke zu füllen, müssen Versicherer einen Dreiklang erreichen: dem Kunden individuell die richtigen Produkte auf dem richtigen Kanal zur richtigen Zeit anzubieten.

Abb 1 Der prefekte Dreiklang
Abb. 1: Der perfekte Dreiklang

Das richtige Produkt

…Wie müsste die zu mir persönlich passende Versicherung aussehen?

…Zahle ich den richtigen Beitrag oder mehr als nötig?

…Brauche ich die Versicherung wirklich für diesen langen Zeitraum?

Einige Versicherungskunden stellen sich vermehrt die Frage, ob nicht eine stärkere Anpassung ihrer Versicherungsprodukte an ihre Bedürfnisse sinnvoll wäre und sie zudem Kosten sparen könnten. Dies zeigt sich auch darin, dass insbesondere die Nachfrage nach Usage-Based Insurance von 2019 auf 2020 deutlich angestiegen ist. Fast jeder zweite Versicherungskunde hat Interesse an einer solchen Versicherung. Aber auch eine On-Demand Insurance wird von jedem dritten nachgefragt.

Abb. 2 Kundennachfrage und Versicherungsangebot bzgl. On-Demand Insurance und Usage-Based Insurance Produkten (DACH-Region)
Abb. 2: Kundennachfrage und Versicherungsangebot bzgl. On-Demand Insurance und Usage-Based Insurance Produkten (DACH-Region)

Im Versicherungsmarkt sind beide Produkttypen jedoch bisher kein Mainstream, sondern Nischenangebote. Usage-Based Insurance und On-Demand Insurance Produkte werden zukünftig deutlich an Fahrt zulegen müssen, um mit den Kundenerwartungen Schritt halten zu können. Ein rascher, innovativer Ausbau der Produktpalette ist hier unumgänglich.

Der richtige Kanal

Es stellen sich viele Fragen für den Versicherer: Auf welchem Weg informiert sich der Kunde am liebsten über Versicherungen, über welchen Weg will er Verträge abschließen und wie von einem Versicherungsunternehmen betreut werden?

In der Kundenpräferenz allgemein sind die klassischen Kanäle mit den digitalen Kanälen mittlerweile gleichauf. Einige Zielgruppen, aktuell aber noch die deutliche Minderheit, bevorzugen bereits digitale Kanäle. Für den überwiegenden Teil der Versicherungskunden ist aber sowohl in der Recherche als auch beim Versicherungsabschluss nicht nur ein einziger Kanal relevant – es werden mindestens drei verschiedene Kanäle genutzt.

Abb. 3: Bevorzugte Kundenkanäle bei Versicherungsabschluss und Sicht der Versicherer zur Effektivität der Kanäle (DACH-Region)
Abb. 3: Bevorzugte Kundenkanäle bei Versicherungsabschluss und Sicht der Versicherer zur Effektivität der Kanäle (DACH-Region)

„Der richtige Kanal“ ist daher eine vielfältige und nahtlose Mischung aus digitalen sowie persönlichen Kontaktmöglichkeiten und der Schlüssel zu einem besseren Kundenerlebnis. Es ist selbstredend, dass die Kanäle entsprechend harmonisiert sein und sich bestmöglich ergänzen müssen. Die richtigen Produkte und die richtigen Kanäle bedeuten aber noch wenig ohne das richtige Timing.

Das richtige Timing

Der Zeitpunkt, zu dem sich die Kunden mit Versicherungspolicen beschäftigen, korreliert mit wichtigen Lebensereignissen und Finanzplanungsaktivitäten, z.B. Steuererklärungen oder der Planung von hochwertigen Anschaffungen wie Autos oder Immobilien. Diese Momente sind von großer Bedeutung für den Einzelnen und genau hier gilt es, Unterstützung und Informationen zu bieten.

Abb. 4 Bevorzugte Zeitpunkte der Kunden für Versicherungsangele-genheiten (DACH-Region)
Abb. 4: Bevorzugte Zeitpunkte der Kunden für Versicherungsangelegenheiten (DACH-Region)

Kennen Sie also die Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben Ihrer Zielgruppe hinsichtlich Ihrer Produkte und Kanäle zu bestimmten Zeitpunkten genau, können Sie die größten Erfolge erzielen. Erfahren Sie in der nächsten Blog-Ausgabe am 17. August 2020, wie Versicherer Technologien und Werkzeuge nutzen, um diese Kundenpräferenzen effektiv zu erfassen.

Der Beitrag wurde erstellt von Christina Schlichter, Manager bei Capgemini Invent und Melissa Clauss, Consultant im Bereich Brand & Experience mit Schwerpunkt Insurance. Der World Insurance Report 2020, für den über 150 Führungskräfte der Versicherungsbranche und mehr als 8.000 Versicherungskunden befragt wurden, steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.


Versicherungsbranche 2020: Neues digitales Selbstverständnis aller Kunden schwächt deutlich die Relevanz traditioneller Absatzkanäle

Technologiekompetenz ist für Unternehmen existenzielle Voraussetzung

Alle sind jetzt digital unterwegs. Bis ins Jahr 2019 war der Anteil internetaffiner Kunden bei der Zielgruppe der Millenials deutlich höher als bei älteren Zielgruppen. Zwischenzeitlich haben die Konsumenten der Generation X und älter die Millennials in ihrer Bereitschaft, Transaktionen online oder per mobiler App durchzuführen, sogar überholt. Mit jetzt rund 50 Prozent digitalorientierter Kunden in beiden Gruppen wird die digitale Kundeninteraktion zur Selbstverständlichkeit. Eine entsprechende Technologiekompetenz in der Kundeninteraktion ist damit für Unternehmen kein optionales Unterscheidungsmerkmal mehr, sondern eine existenzielle Voraussetzung.

Abb. 1: Anteil der Kunden, die regelmäßig Transaktionen online oder per mobiler App durchführen
Abbildung 1: Anteil der Kunden, die regelmäßig Transaktionen online oder per mobiler App durchführen

Das Kundenalter ist für das Abschlussverhalten von Versicherungen irrelevant

Das veränderte Transaktionsverhalten schlägt sich auch auf die Versicherungsbranche nieder. Das Alter der Kunden beeinflusst nur noch geringfügig das Abschlussverhalten beim Versicherungskauf. Deutlich einflussreicher sind mittlerweile Social Media-Verhalten und Einkaufspräferenzen der Zielgruppen.

Weitestgehend trennscharf lassen sich vier verschiedene Zielgruppen unterschieden: Pioniere, Neugierige, Experimentierfreudige und Nachzügler. Mit 43 Prozent bildet die Gruppe der Nachzügler mit einem zurückhaltenden Interaktionsverhalten weltweit sowie in Deutschland die größte Einzelgruppe. Im Gegensatz zu ihnen suchen alle übrigen Kundengruppen eigenständig und aktiv nach Informationen, haben eine mittlere bis hohe Kauf- und Wechselbereitschaft und würden für weitere, relevante Services und Dienstleistungen zusätzlich zahlen. Diese Verhaltensweisen und Einstellungen werden die Beziehung zwischen Versicherer und Endkunden nachhaltig beeinflussen.

Eigenständige Kundenrecherche statt Beratung durch Versicherungsvertreter

Das veränderte Kundenverhalten führt dazu, dass Kaufinteressenten ihr Glück selbst in die Hand nehmen. Eigenständige Online-Recherchen und Empfehlungen von Familie, Kollegen und Freunden werden zur primären Informationsquelle und ersetzen zunehmend die Beratung kompetenter Versicherungsvertreter. Onlinebewertungen, die digitalen Präsenzen der Versicherungshäuser und die Möglichkeit, Policen vollständig digital abzuschließen, haben dadurch stark an Bedeutung gewonnen.

Kunden sehen sich so zunehmend in der Lage, Versicherungsprodukte ohne die Unterstützung eines Vermittlers für sich zu beurteilen. Als Konsequenz sind sie in hohem Maße dazu bereit, Versicherungen auch ohne persönliche Interaktion mit Vermittler und Versicherer abzuschließen.

Kunden aller Segmente präferieren die digitalen Möglichkeiten, eigenständig Informationen zu Versicherungsprodukten zu recherchieren und zu bewerten. So nutzt beispielsweise ein Großteil der Pioniere und Nachzügler Onlinebewertungen und Beurteilungen von Freunden, Familie und Kollegen, um sich über Versicherungsprodukte zu informieren. Bis zu 70 Prozent der Pioniere schließen Versicherungen bevorzugt online über die Website des Versicherers ab.

Derzeitige Ansprache- und Absatzkanäle widersprechen der Kundenerwartung

Ein Großteil der Versicherungsunternehmen hält bislang nicht mit der Entwicklung des Kundenverhaltens Schritt. Welche Ansprache- und Absatzkanäle die Versicherer priorisieren, widerspricht den Bedürfnissen und Erwartungshaltungen der Kunden im Jahr 2020.

Traditionelle Kanäle wie Filialen, Agenturen und Makler haben für Versicherungshäuser weiterhin eine hohe Relevanz – allerdings bedingt durch etablierte Prozesse und Strukturen, nicht aufgrund der Erwartungshaltung der Kunden. Für diese sind die digitalen Kanäle wie mobile Apps oder Webseiten der Versicherer für den Versicherungsabschluss mindestens genauso wichtig wie die traditionellen Kanäle. Versicherer hingegen messen mit 76 Prozent dem klassischen, personengebundenen Absatzkanal die mit Abstand höchste Bedeutung zu. Direkte und digitale Kanäle haben für sie im Vergleich währenddessen nahezu keine Bedeutung.

Was bedeutet das für traditionelle Versicherer?

Eine langjährige Kundentreue zu einem Versicherungsunternehmen und ihr Vertrauen auf die Beratung durch Vermittler kann nicht mehr vorausgesetzt werden. Es gilt, sich konsequent am neuen digitalen Selbstverständnis aller Kundengruppen auszurichten. Erforderlich sind eine hohe Transparenz und Effizienz der digitalen Informations- und Abschlussprozesse zu Versicherungsprodukten, sodass der Kunde selbstbestimmt agieren kann. Dass der Kunde sich eigenständig informiert und aktiv kauft, ergänzt bereits heute den personengebunden Versicherungsvertrieb und wird ihn zukünftig in weiten Teilen ersetzen.

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Autor

Martin Baumann

Senior Director | Insurance, Capgemini Invent Germany
Martin Baumann ist bei Capgemini Invent für die Bereiche Customer Engagement in der Financial Services Industrie sowie für Digital Insurance  in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich. Seine Leidenschaft und eine seiner Hauptaufgaben ist die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle mit Fokus auf kundenzentriertes Produkt- und Servicedesign.