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Wettbewerbsfaktor softwaregetriebene Transformation: Worauf es für die Automobilbranche ankommt

Ralf Blessmann
21. Okt. 2021

Software und Informationstechnologie sind für die Automobilindustrie keine Fremdwörter. Sie arbeitet seit Jahrzehnten mit Steuerungssystemen für die Produktion, Entwicklung, Finanzbuchhaltung und HR.

Computergestütztes Design (CAD) und Engineering sowie Tests mit virtuellen und erweiterten Realitäten sind Industriestandards. Im Fahrzeug selbst kommt ebenfalls immer mehr Software zum Einsatz, insbesondere in Elektrofahrzeugen. Dieser Trend wird sich fortsetzen, sodass Software immer mehr Bereiche vom Fahrzeug selbst über Organisationsstrukturen, Prozesse und Methoden bis zu Werkzeugen bestimmen wird, sowohl bei ihrer Entwicklung als auch im Betrieb.

Diese sogenannte softwaregetriebene Transformation birgt Chancen, aber natürlich auch Risiken. Eins davon ist, abgehängt zu werden, wenn dem Unternehmen der Sprung ins Softwarezeitalter nicht gelingt. Eine aktuelle Studie des Capgemini Research Institutes hat untersucht, wie weit Automobilhersteller (OEMs) weltweit bei dieser Transformation vorangekommen sind. Für die Untersuchung wurden weltweit 572 Führungskräfte von Automobilherstellern befragt.

Die meisten OEMs haben gerade erst begonnen

Die Analyse mit dem Titel „Next Destination: Software – How Automotive OEMs can use the Potential of Software-Driven Transformation“ ergab, dass sich die meisten OEMs (71 Prozent der Unternehmen weltweit sowie 53 Prozent der deutschen Produzenten) in der Anfangsphase ihrer softwaregetriebenen Transformation befinden. Nur 15 Prozent der OEMs haben bereits den notwendigen Reifegrad erreicht, um den Wandel anzugehen. Es sind auch genau diese, die die Transformation für einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor halten, denn sie gehen davon aus, dass der durch Software erzielte Umsatz bis 2031 28 Prozent ihres Gesamtumsatzes ausmachen wird.

Der Wandel zum softwaregetriebenen OEM erfordert besondere Fähigkeiten, aber auch konkrete Ziele sowie die Beherrschung bestimmter Technologien. Der Aufwand wird sich aber positiv auf viele Unternehmensbereiche auswirken: Laut der Studie werden OEMs in den nächsten fünf Jahren mit Software Produktivitätssteigerungen um bis zu 40 Prozent, Kostensenkungen um 37 Prozent und eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit um 23 Prozent realisieren können.

Die Zutaten für den Erfolg: robuste Systemarchitektur, Ökosysteme und strategische Technologiepartnerschaften

Um diese Vorteile zu realisieren, müssen OEMs Legacy-Architekturen hinter sich lassen. Derzeit nutzen 93 Prozent von ihnen eine traditionelle Fahrzeugarchitektur. Das führt beispielsweise zu ineffizienten Verfahren bei Over-the-Air (OTA)-Softwareupdates und kann das Innovationstempo von OEMs bremsen. Wie die Capgemini-Studie zeigt, planen derzeit aber nur 13 Prozent, die Hardware- und Softwarearchitektur zu entkoppeln und nur wenige OEMs sind heute in der Lage, OTA-Updates durchzuführen. Automobilmanager erwarten aber, dass sich der Anteil neuer Fahrzeuge mit OTA-Updates und vernetzten Diensten in den nächsten fünf Jahren von 11 Prozent auf 36 Prozent verdreifachen wird.

Datennutzung und Cybersicherheit sind weiterhin Herausforderungen

Um die technologischen Herausforderungen zu meistern, müssen OEMs strategische Partnerschaften mit Software- und Technologiedienstleistern eingehen und das IT-Know-how im eigenen Unternehmen ausbauen, damit sie Architekturen standardisieren und die Erfassung, Nutzung und Verarbeitung von Fahrzeug- und Verbraucherdaten vorantreiben können. Denn damit hat die Hälfte der OEMs Schwierigkeiten, insbesondere Fahrzeugdaten lassen viele noch links liegen, trotz ihres großen Potenzials, mit ihrer Hilfe intelligente Services zu entwickeln.

Auch Cybersicherheit bereitet Probleme: Weniger als 10 Prozent der Befragten glauben, dass sie gut auf die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet sind und 60 Prozent haben Schwierigkeiten dafür zu sorgen, dass die Produkte von Zulieferern den Sicherheits- und Cybersicherheitsvorschriften entsprechen.

Sechs-Punkte-Plan strukturiert den Wandel

Die Studie analysiert weitere Details und zeigt, dass es noch viel zu tun gibt und die Herausforderungen vielfältig sind. Deshalb hat Capgemini einen Sechs-Punkte-Plan entwickelt, der OEMs beim Wandel unterstützt.

  1. Aufbau einer softwareorientierten Vision und Strategie für das Unternehmen
  2. Nutzung von Software-Toolketten und agile Methoden, um die Zusammenarbeit zwischen den Organisationseinheiten zu verbessern
  3. Aufbau langfristiger, strategischer Partnerschaften mit Software-, Technologie- und Serviceanbietern für wichtige Softwaretrends
  4. Streben nach Softwareexzellenz durch Aufbau und Bindung von Softwareexperten
  5. Nutzung von Daten, um intelligente Fahrzeuge, intelligente Fertigung und intelligente Dienste zu ermöglichen
  6. Definition eines Fahrplans für eine standardisierte Fahrzeugsoftwarearchitektur
Sechs-Punkte-Plan_OEMs

Mein Fazit ist: Software wird Mobilität neu definieren und die gesamte automobile Wertschöpfungskette verändern. Der Wettbewerb wird zweifellos im Fahrzeug stattfinden, die Transformation geht aber weit darüber hinaus und wird Potenziale in allen Bereichen erschließen. OEMs, die ihr Geschäft erfolgreich ausbauen und das Unternehmen zukunftssicher machen wollen, müssen internationaler denken und dabei ihrem Betriebsmodell ebenso viel Aufmerksamkeit schenken wie der Softwareentwicklung, das zeigen die Ergebnisse der Studie.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse in deutscher Sprache können Sie in unserer Pressemitteilung zur Studie lesen. Wenn Sie Fragen dazu haben oder einzelne Aspekte davon diskutieren möchten, sprechen Sie mich gerne an.

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Autor

Ralf Blessmann

Executive Vice President, Market Unit Head Automotive @ Capgemini
Ralf Blessmann hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Automotive- und IT-Industrie und arbeitete lange Zeit gesamtverantwortlich für führende Premium-OEMs. Er leitet in der deutschen Organisation als Member of the Management Board den Automotive-Sektor. Neben seiner Rolle als Automotive Head in Deutschland ist er auch gewähltes Mitglied des ITK-Ausschusses der IHK Stuttgart und hat als Dozent der DHBW Stuttgart Vorlesungen über CRM und Key Account Management gehalten.