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LOOP – Das Milchmann-Modell neu interpretiert

Capgemini Invent
20. Apr. 2020
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Unser letzter Blogbeitrag zum Thema Nachhaltigkeit „Abschied von der Wegwerfwirtschaft – Ein Umdenken hin zu geschlossenen Kreisläufen“ befasste sich mit den enormen Zukunftspotenzialen von zirkulären Geschäftsmodellen und Produktionsweisen, welche sich nicht nur positiv auf die Umwelt auswirken, sondern auch konkrete Vorteile für Unternehmen aufweisen.

In der Theorie kommt die Schließung von Produktkreisläufen mit hohen Wertschöpfungspotenzialen und, durch die verlängerte Nutzung der Produkte, mit gesteigerten Ressourceneffizienzen einher. Zirkuläre Prinzipien in einer linearen Wirtschaft umzusetzen, stellt für viele Hersteller jedoch noch oft eine große Herausforderung dar.

Wie also können Unternehmen es schaffen, langfristig Einwegverpackungen zu vermeiden und nachhaltig geschlossene Produktkreisläufe zu fördern? Und wie lässt sich damit jenseits der «Öko-Nische» Geld verdienen? Eine Initiative, welche bereits erfolgreich auf einem neuen Kreislaufdesign basiert, ist das No-Waste System von Loop, welches das „Milchmann-Modell“ vergangener Jahre neu interpretiert.

Der Milchmann des 21. Jahrhunderts

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Abbildung 1: Der Milchmann des 21. Jahrhunderts

Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts bedeutete das Läuten der Türglocke, zu einer bestimmen Tageszeit oft nur eins: Der Milchmann ist da. Klischeehaft gekleidet in weißer Kitteljacke und Schirmmütze, brachte er volle Milchflaschen vor die Türe und nahm leere wieder mit. Diese wurden gewaschen, neu befüllt und wieder ausgeliefert. So wiederholte sich dieser Kreislauf über Jahrzehnte.

Spulen wir vor bis ins Jahr 2020. Heute ist der Milchmann von damals längst aus dem Alltagsleben verschwunden. Stattdessen häufen sich in unseren Abfalleimern Unmengen an Verpackungsmüll, welcher daraus resultiert, dass wir heutzutage weltweit 70x mehr Produkte produzieren und kaufen, als es noch vor 70 Jahren der Fall war.

Um solche Verpackungsmissstände nicht nur zu minimieren, sondern sie vollkommen zu beseitigen, haben das US-amerikanische Recyclingunternehmen TerraCycle und dessen Gründer Tom Szaky Anfang letzten Jahres die Idee des Milchmanns in die Gegenwart übersetzt und das Projekt Loop ins Leben gerufen.

Loop ist der Milchmann des 21. Jahrhunderts – entwickelt, um die Welt vor Einwegplastik zu retten. Das Konzept des Unternehmens beruht auf einem einfachen, aber effizienten Prinzip: Der Kunde kauft und nutzt das Produkt, der Hersteller aber besitzt die Verpackung.

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Abbildung 2: Das einfache Konzept hinter Loop

Herauszustellen aber ist, dass es sich bei Loop, im Gegensatz zum in Deutschland bekannten Pfandsystem, nicht um Verpackungen von Getränken handelt, sondern um eine Vielzahl von Verbrauchsprodukten angefangen von Müsli, über wiederverwendbare Zahnbürsten, bis hin zu Waschmittel Verpackung.

Aber wie sieht das Konzept in der Praxis konkret aus?

Im ersten Schritt kaufen Konsumenten auf der Plattform Produkte wie Shampoo, Waschmittel oder Zahnpasta in einer von den Markenherstellern eigens entwickelten, mehrwegfähigen Verpackung und bekommen diese von Loop in einer wiederverwendbaren Tragetasche bis an die Haustür geliefert. Nutzer zahlen den handelsüblichen Preis für die ausgewählten Produkte, plus einem einmaligen Verpackungspfand beim ersten Einkauf. Dieser wird dem Kunden nach dem Gebrauch des Produktes entweder direkt gutgeschrieben für den nächsten Einkauf oder bei einer Kündigung der Nutzung zurücküberwiesen.

Sobald der Deoroller aufgebraucht oder der Eiscremebecher leer ist, stellen Kunden die leeren Behälter in der Tragetasche einfach zurück vor ihre Haustüre. Sie werden dann von einem Abholservice abgeholt, von Loop gereinigt und an die Hersteller zur erneuten Befüllung geschickt, wo der Kreislauf erneut startet. Zwar hinterlässt auch der Transport der Produkte einen gewissen CO2-Abdruck, laut Berechnungen von TerraCycle sei dieser Ansatz jedoch immer noch 50-70 % besser für die Umwelt, verglichen zu herkömmlichen Methoden.

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Abbildung 3: Wie funktioniert Loop?

Im Kern bedeutet das für den Verbraucher: Er kauft nur noch das Produkt. Die Verpackung bleibt im Besitz der Produkthersteller, der diese nun mindestens 100-mal wiederverwenden kann. Die Verpackung wandelt sich dadurch vom (Kauf-)Produkt zum (Dienstleistungs-) Service – auch bekannt als „Packaging as a service“.

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Abbildung 4: Loop Brand Partners, 2020

Aktuell stehen fast 300 Artikel von 45 unterschiedlichen Marken zum Verkauf. Hierzu zählen namhafte Konsumgüterriesen wie Procter & Gamble, Nestlé, Unilever, Pepsico, Mondelez, Beiersdorf und Mars, welche sich auf das radikale Experiment eingelassen und zusammen mit Loop neue, langlebige und elegante Mehrwegverpackungen für ihre Markenartikel entwickelt haben. Alleine P&G hat in diesem Zuge beispielsweise elf verschiedene, wiederbefüllbare Verpackungen extra für die Loop-Plattform entworfen.

Im Frühling 2019 startete Loop seine ersten Pilotprojekte in Frankreich zusammen mit Carrefour und in den USA mit Kroger und Walgreens. Da das Unternehmen bereits nach kurzer Zeit enorme Erfolge verbuchen konnte, sollen die Produkte in einem zweiten Schritt nicht nur online verfügbar sein, sondern auch ihren Weg in den Einzelhandel finden. Die Einführung in den deutschen Markt ist bereits für dieses Jahr geplant, vorausgesetzt es findet sich ein Handelspartner.

Kreislaufwirtschaft als Business Case – Was steckt dahinter?

Unabhängig von der Materialart sind die Umweltvorteile von wiederverwendbaren Verpackungen im Vergleich zu Einweg-Verpackungen erheblich, selbst wenn diese am Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden. Dies ist einfach zu erklären – je öfter ein wiederverwendbarer Behälter verwendet wird, desto größer der ökologische Vorteil, da durch die Verwendung einer wiederverwendbaren Alternative, die Herstellung einer neuen Einwegverpackung vermieden wird.

Trotz der Vorteile für die Umwelt zögern aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen noch viele Unternehmen auf Mehrwegverpackungen umzusteigen. Was viele jedoch nicht erkennen, ist, dass diese Investitionen durch langfristige Kosteneinsparungen, welche aus dem Wegfall der Anschaffungs- und Entsorgungskosten von Einwegverpackungen entstehen, ausgeglichen werden. Hinzu kommt, dass diese Einsparungen umso größer werden, je häufiger eine Verpackung wiederverwendet werden kann.

In der heutigen Wegwerfwirtschaft zählen Verpackungskosten zu den Herstellungskosten. Die Kosten pro Verwendung der Verpackung entsprechen den einmaligen Anschaffungs- und Produktionskosten. Wenn aber eine Verpackung als Vermögenswert im Besitz des Herstellers betrachtet wird, entspricht die Kostenzuweisung den Gesamtproduktionskosten geteilt durch die Anzahl der Verwendungen, die sie tragen kann. Je robuster und haltbarer die Verpackung ist, desto niedriger sind also die Kosten pro Verwendung. Bezogen auf das Beispiel von Loop bedeutet dies, dass die Kosten ihrer Verpackung, welche in der Herstellung anfänglich höher sind, realistisch gesehen durch mindestens 100 geteilt werden müssen, was der Anzahl der Wiederverwendungen einer einzelnen Verpackung entspricht.

Der Business Case der Kreislaufwirtschaft bedarf also einer ganzheitlichen Betrachtung des „Total Cost of Ownership“ – bedeutet, die Betrachtung aller anfallenden Kosten eines Wirtschaftsguts, welche seinem Eigentümer entstehen, von der Beschaffung hin zur schlussendlichen Außerbetriebnahme.

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Abbildung 5: Einwegverpackung vs. Mehrwegverpackung

Dennoch zu erwähnen gilt, dass obwohl Mehrwegverpackungen viele Vorteile mit sich bringen, ist das System nicht ganz risikofrei für den Hersteller. Auch wenn die Infrastruktur für die zirkuläre Verwendung von Verpackungen vom Hersteller bereitgestellt wird, steht und fällt das Mehrwegsystem mit dem Endverbraucher, welcher dafür verantwortlich ist, den Kreis zu schließen.

Fazit: Für das Non-Waste System von Loop gilt, um das volle Potential der ökologischen und wirtschaftlichen Chancen auszukosten, die das zirkuläre Geschäftsmodell bietet, müssen die Endverbraucher ein aktiver Teil des „Loop“ werden.

Loop – Die Wiederauferstehung des Milchmanns, hier, um die Welt vor Verpackungsmüll zu retten

Durch ihr Zero-Waste Konzept hat Loop es geschafft, das Milchmann-Modell in die Gegenwart zu übertragen. Dabei befasst sich das Projekt nicht nur mit den Symptomen der Abfallkrise, sondern beschäftigt sich ganzheitlich mit der Bewältigung der Grundursache. Ziel des Geschäftsmodells ist es, nicht nur Verpackungsmüllberge zu minimieren, sondern vollständig zu beseitigen. Sprich: Tom Szaky wollte Konsum ohne Abfall möglich machen.

Vielen Dank an die Co-Autorin Jenna Wichmann.

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