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Inventive FRC – Compliance: Ist Machine Learning die dringend benötigte Antwort auf die signifikant steigende Anzahl von Geldwäscheverdachtsfällen?

Ulrich Windheuser
24. Sep. 2020
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Capgemini Invent adressiert die CxO Daten-Strategie und unterstützt seine Kunden bei der datengetriebenen Wertschöpfung.

Mit Inventive Finance, Risk & Compliance (Inventive FRC) meistern wir die Herausforderungen der Finanz-, Risiko- und Compliance-Funktion im Finanz-Sektor. Dieser Blog-Artikel fokussiert auf Compliance.

Strengere Regularien, steigende Fallzahlen und hoher Kostendruck zwingen Banken zur Prozessoptimierung im AML Bereich

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Abbildung 1: FIU Meldungen 2011-2019

Die Anzahl der Geldwäscheverdachtsmeldungen, welche an die Financial Intelligence Unit (FIU) gemeldet werden, steigt seit Jahren stark an. Auch der jüngst veröffentlichte Gesetzesentwurf zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung von der Geldwäsche deutet einmal mehr darauf hin, dass dieser Trend in Zukunft nicht abreißen wird.

Zusätzlich zu dem steigenden Volumen an Verdachtsmeldungen jagt ein Geldwäscheskandal den nächsten. Einige Fälle wären durch den Einsatz von Machine Learning (ML) vermeidbar gewesen, zum Beispiel die quasi nicht erkennbare Stückelung von Transaktionen in viele, kaum miteinander verknüpfbare Transaktionen, die von einer Vielzahl von Akteuren getätigt werden, das sogenannte Smurfing.

Was ist Machine Learning und wie kann diese Technologie in der Geldwäschebekämpfung eingesetzt werden?

Machine Learning ist eine Form der Künstlichen Intelligenz, welche gelernte Muster selbstständig reproduziert und im Laufe der Zeit auf ähnliche Muster ausweitet. So wird der ML-Algorithmus immer exakter, ohne eine erforderliche Umprogrammierung.

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Abbildung 2: Übersicht Machine Learning

Im Rahmen der Geldwäschebekämpfung hat Machine Learning ein erhebliches Potential, um existierende Prozesse wesentlich effizienter und zielgerichteter zu gestalten. Die Identifikation von verdächtigen Transaktionen erfolgt stark regelbasiert und Kriminelle erfinden immer komplexere Konstrukte, um Gelder in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen.

Überwachung des Transaktionsverhaltens innerhalb einer Vergleichsgruppe

Der spezielle ML-Algorithmus legt für jeden Kunden ein Profil an, welches sich, basierend auf Echt-Zeitdaten, immer weiter ausbaut. Gleichzeitig kann die Kundengesamtheit auf Basis verschiedener Kriterien, beispielsweise Alter oder monatlicher Zahlungseingänge und –ausgänge, gruppiert werden. Jede einzelne Transaktion wird so gegen das typische Transaktionsverhalten der jeweiligen Referenzgruppe abgeglichen, um Auffälligkeiten oder Anomalien zu erkennen und einen Alert zu erzeugen. Zusätzlich sind Beteiligungen von sogenannten Hochriskoländern für den ML-Algorithmus leicht zu identifizieren, da innerhalb von kurzer Zeit die gesamte Transaktion analysiert wird.

Reduzierung der False-Positives im Transaktions-Monitoring durch ML

Zusätzlich hat der Algorithmus im Hintergrund Zugriff auf jede zuvor getroffene Entscheidung und kann jede einzelne Transaktion gegenüber diesem Bestand abgleichen. So können beispielsweise regelmäßig wiederkehrende Alerts vom Algorithmus klassifiziert und direkt als False-Positives geschlossen werden. Dadurch reduziert sich die Zahl der False-Positives deutlich, während gleichzeitig die Aufdeckungsrate von komplexeren True-Positives steigt. Der Einsatz von ML ermöglicht den AFC- und AML-Organisationen eine deutliche Reduzierung des manuellen Investigationsaufwands und Erhöhung der Effizienz für relevante Investigationen.

Höhere Abdeckungsreichweite der Alert-Investigation durch Pattern Recognition

Der AML-Mitarbeiter muss in der Investigation manuell prüfen, ob es sich bei dem verdächtigen Alert um einen True- oder False-Positive handelt. Hierzu werden diverse Faktoren, wie beispielweise vergangenes Transaktionsverhalten des Kunden berücksichtigt. Der AML-Mitarbeiter verfügt jedoch nur über begrenzte Möglichkeiten, die Transaktionshistorie nachzuvollziehen.

In der Erkennung komplexer Konstellationen besteht einer der wesentlichen Vorteile des Einsatzes von Machine Learning. Anhand vergangener Entscheidungen, also der finalen Bewertung verdächtiger Transaktionen, lernt der Algorithmus, verdächtige oder eben nicht verdächtige Muster zu erkennen.

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Abbildung 3: Smurfing

Das eingangs genannte Smurfing ist eine Form der Geldwäsche, die große Transaktionen in viele kleine unterteilt, um nicht gegen die bekannten, starren AML-Regeln zu verstoßen. Während der regelbasierte Filter eine einzelne Bareinzahlung in Höhe von 45.500 € als verdächtig einordnet, würde dies nicht passieren, wenn eine oder mehrere Personen (sogenannte Money Mules) kleine Tranchen zunächst bar einzahlen und dann auf das Zielkonto überweisen. Da die Kapazität des Machine Learning Algorithmus gegenüber dem Menschen nahezu unbegrenzt ist, erkennt der Algorithmus auch diese Stückelungen. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass der Mensch ebenfalls dazu in der Lage wäre, die Investigation würde aber erheblich länger dauern.

Der internationale Bank-Transformation, -Technologie und -Geldwäsche-Experte Ulrich Windheuser fasst den Wertbeitrag wie folgt zusammen: Es lässt sich sagen, dass die Einführung von Machine Learning im AML-Bereich in Zukunft unvermeidlich ist. Nicht nur wegen den immer strikter werdenden regulatorischen Anforderungen und dem kontinuierlichen Anstieg der Transaktionen, sondern auch, um mit den immer kreativer werdenden Kriminellen mithalten zu können.

Vielen Dank an die Co-Autorin Leonie Winterberg.

Dieser Blog erscheint im Rahmen unserer Blogreihe “Inventive FRC – Compliance”. In den weiteren Artikeln beschäftigen wir uns mit folgenden Aspekten:

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Autor

Ulrich Windheuser

Vice President | Head of Enterprise, Data & Analytics, Capgemini Invent
Ulrich Windheuser hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in Banking. Funktional haben ihn stets die Herausforderungen der Finance/Risk-Integration getrieben, insbesondere forderten ihn das Schaffen einer einheitlichen Datenplattform mit hoher Datenqualität heraus. Auf dieser Basis freut er sich auf die neuen, darüber hinausgehenden Herausforderungen, um Banken zu mehr datengetriebenen Geschäftsmodellen zu verhelfen. Aktuell leitet er in Deutschland die Capability Unit Enterprise, Data & Analytics. Er hat an der Mercator Universität Duisburg Mathematik studiert und an der Universität Kaiserslautern in Technomathematik promoviert.