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Herausforderungen und Voraussetzungen auf dem Weg zur intelligenten Industrie

Dr. Christoph Stich
20. Apr. 2020
capgemini-invent

Die intelligente Industrie wird Unternehmen helfen flexibler, leistungsfähiger und umweltfreundlicher zu werden.

Mit diesem Ansatz können Sie das volle Potenzial ausschöpfen und die Herausforderungen meistern.

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich den Wandel im Ökosystem der Fertigungsindustrie beschrieben. Unternehmen müssen sich kontinuierlich an neue Anforderungen von Kunden, der Gesellschaft und der neuen Technologien anpassen. Durch disruptive Technologien, wie etwa Künstliche Intelligenz (KI) oder Robotik, steigt die Geschwindigkeit des auftretenden Wandels und führt zu einer Verkürzung dieser Anpassungsintervalle.

Die intelligente Industrie ist ein Teil der Lösung, diesem Wandel erfolgreich zu begegnen. Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung ist die zielgerichtete Skalierung von digitalen Initiativen aus dem Pilotstatus über die gesamte Organisation hinweg.

Intelligente Industrie in der Produktion anhand von Cognitive Vision

Ein Blick in die Fertigungsindustrie zeigt heute bereits zahlreiche Use Cases im Umfeld der Produktion. Dabei ist das Beispiel Cognitive Vision ein innovativer Anwendungsfall, welcher den Qualitätsprüfungsprozess in der Produktion verbessert. Mit Hilfe von Kameras werden Qualitätsdaten durch Bildaufnahmen automatisiert erfasst und durch maschinelle, selbstlernende Algorithmen ausgewertet. Durch die KI-Unterstützung wird eine höhere Treffsicherheit bei der Erkennung von Bildern und eine schnellere Implementierung als bei traditionellen, industriellen Bildverarbeitungsmethoden (z.B. Pixel- oder Rasterabgleich) ermöglicht. Somit werden Qualitätsmängel frühzeitig und zuverlässig erkannt und aufwendige Nacharbeiten vermieden.

Cognitive Vision zeichnet sich jedoch nicht nur durch die effiziente Nutzung von KI im Qualitätsprüfungsprozess aus, sondern auch die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist von zentraler Bedeutung. Durch die Integration von neuen, innovativen Technologien in bestehende Prozesse, können Mitarbeiter schrittweise den Umgang mit der neuen Technologie erlernen. Neue Rollen- und Aufgabenprofile, sowie digitale Qualifizierungsprogramme fördern und fordern die Mitarbeiter auf diesem Weg und ermöglichen einen Mentalitätswandel im Unternehmen in Richtung intelligente Industrie.

Dreistufiger Skalierungsansatz am Beispiel Cognitive Vision

Um Cognitive Vision erfolgreich einzuführen und die sechs Herausforderungen auf dem Weg zur intelligenten Industrie zu lösen, hat sich ein dreistufiger Skalierungsansatz bewährt. Ziel dieses Vorgehens ist es Use Cases schrittweise Realität werden zu lassen und ganzheitlich im Unternehmen auszurollen. Es empfiehlt sich dabei wertorientiert vorzugehen, um bereits früh Potenziale auszunutzen und den angestrebten Return-on-Invest (ROI) zu realisieren. Ein agiler Arbeitsmodus hilft schnell Mehrwert für das Unternehmen zu generieren, kontinuierlich die richtigen Aufgaben zu priorisieren und die Vision der intelligenten Industrie zielgerichtet umzusetzen.

Darauf sollten Sie achten:

  1. Ausprobieren und Entwickeln: Zu Beginn muss ein geeigneter Use Case identifiziert werden, welcher sich zunächst für die Pilotimplementierung, anschließend aber auch für eine unternehmensweite Skalierung eignet. Passende Use Cases adressieren in der Regel mehrere Schwachstellen im Unternehmen. Des Weiteren müssen sie mit der definierten Vision der intelligenten Industrie übereinstimmen. Im Fall von Cognitive Vision ist die Entwicklung von Algorithmen und Modellen des maschinellen Lernens der erste Schritt. Auf Basis von Bildern des Anwendungsfalls werden zunächst unstrukturierte Daten erfasst und anschließend geordnet und analysiert. Die Erprobung der entwickelten Algorithmen wird in einer realen Produktionsumgebung umgesetzt. Dadurch werden in einem kurzen Sprint die Realisierbarkeit und Funktionalität untermauert. Ein hoher Grad der Digitalisierung im Unternehmen ist bei der Umsetzung förderlich.
  2. Anwenden und Lernen: Integrieren Sie den Cognitive Vision Piloten mit den für den Use Case relevanten IT- und OT-Systemen in einer Produktionslinie. Dadurch können Sie die Daten- und Cybersicherheit testen und Standards für die weitere Verbreitung der Technologie im Unternehmen definieren. Außerdem ist es Mitarbeitern möglich anhand eines bekannten Prozesses den neuen Ablauf zu erlernen. Durch die Umsetzung des Piloten in einem realen Umfeld, können Sie den Nutzen für Ihr Unternehmen realitätsgetreu validieren. Der Aufbau einer skalierenden Integrationsarchitektur bereitet zusätzlich die Skalierung optimal vor. So ist es möglich den Wert für das Unternehmen zu bestätigen und den Umgang mit Cognitive Vision zu erlernen.
  3. Skalieren und Trainieren: Um den maximalen Nutzen aus Ihren Anfangsinvestitionen zu erhalten, bedarf es der Integration der Lösung über die gesamte Organisation hinweg (z.B. mehrere Fertigungslinien oder Werke). Dafür werden ein standardisierter Skalierungsansatz und klare Verantwortlichkeiten im Unternehmen benötigt. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter an diesem Prozess. Dadurch wird die Akzeptanz erhöht. Cognitive Vision kann mit den KI-basierten Algorithmen sehr leicht in bestehende Produktionsprozesse integriert werden. Durch die Realisierung der Softwarelösung in der Cloud und die Verwendung eines Plug&Play-Industriekamerasystems ist eine schnelle und kostenoptimale Skalierung möglich.
Dreistufiger, wertorientierter Skalierungsansatz am Beispiel von Cognitive Vision

Mein Rat an Sie: Starten Sie jetzt!

Das Potenzial von KI in der Produktion ist noch lange nicht ausgeschöpft. Deshalb mein Rat an Sie, um die Vision der intelligenten Industrie zu realisieren:

  • Identifizieren Sie das Potenzial in Ihrem Unternehmen
  • Fokussieren Sie frühzeitig auf den Business Case
  • Skalieren Sie konsequent, bevor Sie weitere Anwendungsfälle entwickeln

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Implementierung und Skalierung von neuen digitalen Initiativen und Anwendungsfällen (Use Cases) gemacht? Ich freue mich auf einen Austausch mit Ihnen.

Teil 1: Sechs Herausforderungen, die Sie auf dem Weg zur intelligenten Industrie beachten müssen

Die Fertigungsindustrie befindet sich im Wandel. Um die neuen Anforderungen zu erfüllen müssen Unternehmen datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln und gleichzeitig Effizienzpotenziale (z. B. durch eine intelligent vernetzte Produktion) nutzen.

  • Der Kunde rückt mehr denn je ins Zentrum der Betrachtung. Flexibilität bei der Produkt- bzw. Serviceauswahl, Hyperpersonalisierung und eine digitale Nähe („Zero-Distance“) werden erwartet.
  • Die Gesellschaft muss auf dem Weg ins digitale Zeitalter mitgenommen werden. Dabei sind die soziale Teilhabe der Bevölkerung, die Nachhaltigkeit von Produkten und der Produktion, sowie regulatorische Anforderungen zu beachten.
  • Neue Technologien entstehen rasant. Um diese erfolgreich im Unternehmen einzusetzen und den Wertbeitrag zu maximieren, bedarf es einem umfassenden Kompetenzaufbau sowie ganzheitlicher Implementierungs- und Skalierungsansätze.

Die intelligente Industrie muss einen Beitrag leisten, um diesen Anforderungen gerecht zu werden: Sie kennzeichnet sich durch das Verschmelzen der physischen Welt mit der digitalen Welt, durch die Zusammenführung der Informationstechnologie (IT) und der Operationalen Technologie (OT) entlang der gesamten Wertschöpfungskette und durch die verstärkte Nutzung von Daten, damit Maschinen, Systeme und Mitarbeiter die richtigen Entscheidungen schneller treffen können.

Fertigungsindustrie im Wandel: Das Spannungsfeld in dem Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen.

Status quo der Fertigungsindustrie

Aber wo stehen die verarbeitenden Unternehmen heute? Werfen wir, anhand des Beispiels der Smart Factory, gemeinsam einen Blick auf den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Fertigungsindustrie. Seit 2017 sehe ich einen starken Anstieg von digitalen Initiativen. Jedoch haben Unternehmen meist Schwierigkeiten, diese Initiativen aus dem Pilotstatus zu heben und über die gesamte Organisation zu skalieren. 60 Prozent der Fertigungsunternehmen geben an, dass sie bei der Skalierung von Smart-Factory-Initiativen erheblichen Herausforderungen begegnen. Weiter bezeichnen nur 14 Prozent der Organisationen ihre bestehenden Initiativen als erfolgreich. So die Ergebnisse unserer Studie “Smart Factories @ Scale”, für die über 1.000 Führungskräfte von Industrieunternehmen in 13 Ländern befragt wurden.

Sechs Herausforderungen bei der Skalierung von digitalen Initiativen

Um digitale Transformationsprojekte, z. B. in der Produktion, erfolgreich durchzuführen, müssen die folgenden Herausforderungen angegangen werden. Dies belegen die Capgemini-Studien “Smart Factories @ Scale”, „How automotive organizations can maximize the smart factory potential” und “Unlocking the business value of IoT in operations”:

  1. Vision: Unternehmen fehlt es häufig an einer klaren, ganzheitlichen Vision und einer umsetzbaren Roadmap für die digitale Transformation. Gerade einmal 26 Prozent der Unternehmen geben an, eine übergreifende Vision und einen Implementierungsplan für ihre Smart-Factory-Initiativen zu haben.
  2. Governance: Die IT- und OT-Verantwortung innerhalb von Unternehmen ist organisatorisch häufig voneinander getrennt, obwohl beide Disziplinen fachlich immer mehr miteinander verschmelzen. Damit digitale Projekte erfolgreich abgewickelt werden können, bedarf es neuer Organisations- und Governancestrukturen. Jedoch haben nur 37 Prozent der Unternehmen ihr Governancemodell an die neuen Verhältnisse angepasst.
  3. Daten: Die Generierung von Daten liefert noch keinen Nutzen. Erst durch ihre intelligente Verknüpfung und Bearbeitung wird ein Mehrwert im Unternehmen geschaffen. 60 Prozent der Unternehmen besitzen noch keine ausreichende Datenqualität oder -governance, um sich einen Vorteil daraus zu verschaffen.
  4. Technologiereife: Unternehmen besitzen häufig eine historisch gewachsene, heterogene Produktionslandschaft. Ein Großteil der Infrastruktur in diesem Bereich basiert auf alten Technologien und erhöht z.B. den Aufwand für Konnektivität und Sensorüberwachung. In über 66 Prozent der Produktionslinien sind keine der neueren, innovativen Technologien implementiert.
  5. Cybersicherheit: Durch das Internet der Dinge werden Cybersicherheit und Datenschutz aufgrund steigender Datenmengen und vernetzter Maschinen und Dinge zur elementaren Herausforderung. 62 Prozent der Organisationen sehen sich mit diesem Problem bei der Industrial Internet of Things (IIoT)-Implementierung konfrontiert.
  6. Mitarbeiterentwicklung: Durch die zahlreichen technologischen und digitalen Neuerungen verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter. 49 Prozent der Unternehmen fehlt es an cross-funktionalen Kompetenzen im Bereich Engineering und Manufacturing.

Den Weg zur intelligenten Industrie gestalten

Die intelligente Industrie wird Unternehmen helfen flexibler, leistungsfähiger und umweltfreundlicher zu werden. Wie Sie die angesprochenen Herausforderungen meistern können, erfahren Sie in meinem nächsten Blogbeitrag. Dabei werde ich auf Erfolgsfaktoren eingehen, um eine nachhaltige Umsetzung und Skalierung digitaler Initiativen sicherzustellen.

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Autor

Dr. Christoph Stich

Vice President | Head of Manufacturing Industry, High-Tech & Life Sciences, Capgemini Invent Germany
Dr. Christoph Stich arbeitet seit 2006 bei Capgemini Invent und verantwortet den Industriesektor Manufacturing, Maschinen-/Anlagenbau und Life Science in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er ist Experte im Bereich Strategy & Transformation, digitale Geschäftsmodelle, Post-Merger Integration, Reorganisation sowie Industrie 4.0 / Digital Manufacturing.

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