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Das Wissen über das Nichtwissen in der Krise nutzen – aber wie?

Pierre-Adrien Hanania
16. Okt. 2020

Während der Corona-Krise haben uns Wissenslücken besonders zugesetzt: Wie viele Intensivpflegebetten haben wir in unseren Krankenhäusern und wie sind diese regional verteilt?

Wie hoch ist der Anteil des Pflegepersonals, das selbst zur Risikogruppe zählt? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die wir uns stellen mussten und noch immer müssen. Dass wir sie zumindest ad hoc nicht beantworten konnten, liegt vor allem an Lücken unserer öffentlichen Informationsinfrastruktur. Diese führen zu einer eingeschränkten evidenzbasierten Steuerungskompetenz, die zu Normalzeiten unbequem und in Krisenzeiten gefährlich ist.

Wer keine Informationen verfügbar hat, kann nur schwer richtige Entscheidungen für die Bevölkerung treffen. Gut begründbare, auf fundierten Faktenanalysen beruhende Maßnahmen sind effektiver und seitens der Bevölkerung zustimmungsfähiger.

„Datengestützte Strategische Steuerung“ als Zielbild

Die auf Daten gestützte strategische Steuerungsfähigkeit sollte daher eines der zentralen technologiepolitischen Zielbilder der Nachkrisenzeit sein. Denn damit lösen wir den Anspruch ein, den eine von Technologie durchdrungene Gesellschaft hinsichtlich einer funktionierenden Daseinsvorsorge haben sollte. Auf Grundlage einer datengestützten Steuerung lässt sich ferner einfacher und breiter Akzeptanz für politische Richtungsentscheidungen aller Art herstellen.

Datengestützte strategische Steuerung Hanania Knobloch
Quelle/Copyright: Capgemini 2020

Dateninfrastruktur aus- und aufbauen

Wie wichtig evidenzbasiertes politisches und Verwaltungshandeln ist, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt. Doch um dieses Zielbild zu erreichen, müssen einige, zum Teil aufwändige Hausaufgaben erledigt werden. Solide Datenanalysen sind vor dem Hintergrund des infrastrukturellen Status-quo schwierig, oft sogar unmöglich.

Es reicht nämlich nicht aus, einige Daten aus Fachverfahren zu befreien und hübsch aufzubereiten. Im Grunde müssen wir unsere gesamten öffentlichen Institutionen am Ziel der auf Datenauswertungen basierenden strategischen Steuerungsfähigkeit neu ausrichten. Dafür wiederum brauchen wir eine „Public Data Governance“ – doch was heißt das?

„Public Data Governance“ benötigt

„Data Governance“ ist ein Begriff aus dem Unternehmenskontext und steht für die Regeln, nach denen Daten in einem Unternehmen erhoben, gespeichert, verarbeitet und geteilt werden dürfen. In der Data Governance ist auch festgelegt, wer welche Zugriffsrechte hat und welche Anforderungen die eingesetzten Systeme erfüllen müssen, damit die Unternehmensziele erreicht werden können. „Public Data Governance“ ist folglich ein Sammelbegriff für die Erschließung des gesamten öffentlichen Datenraums, der durch ein geordnetes diesbezügliches Vorgehen (Governance) öffentlicher Institutionen geschaffen wird.

Schnelle Gewinne während des Strukturaufbaus

Vorhersagen und gezielte, szenarioabhängige Handlungsempfehlungen sind die Königsdisziplinen des evidenzbasierten Handelns. Doch schon davor kann man durch die visuelle Aufbereitung von Fakten und einfache Analysen beträchtliche Gewinne für das Gemeinwohl einfahren – allerdings nur, wenn die Informationsbasis vorhanden ist und die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Wenn man später zu skalierbaren Lösungen fähig sein möchte, muss man es richtig angehen und einen gewissen Aufwand einkalkulieren.

Mit bestehenden politischen Datenvorhaben verbinden

Initiativen wie die in Arbeit befindliche Datenstrategie der Bundesregierung, die anstehende Novellierung des Open-Data-Gesetzes und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes sollten zur Unterstützung dieser Entwicklung genutzt werden. Auch aus Brüssel sind ähnliche Impulse und Initiativen spürbar, wie zuletzt gezeigt in der Rede zur Lage der Union der EU Kommissarin Ursula Van der Leyen.

Am Ende werden wir nur mit einer leistungsfähigen, flexiblen, vernetzbaren öffentlichen Dateninfrastruktur künftigen Herausforderungen, die wir heute noch nicht gar nicht kennen, begegnen können.

Gesellschaftsupdate durch die Nutzung vorhandener Datenschätze

Welche Gesellschaft wir morgen sein könnten, entscheidet sich im Datenzeitalter zu einem großen Teil durch unseren Umgang mit den verfügbaren Informationen. Diesen Umgang sollten wir in unser aller Interesse dringend systematisch verbessern. Der Aufbau datengestützter strategischer Steuerungskapazitäten ist der Schlüssel dazu, brachliegendes Potenzial zu heben und unsere Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen.

Veranstaltungshinweis: AI for Good Global Summit (29. Oktober 2020)

Der AI for Good Global Summit wird von der ITU, einer Organisation der Vereinten Nationen veranstaltet und widmet sich Fragestellungen rum um Künstliche Intelligenz und Ethik und wie sich KI zum Vorteil der Gesellschaft nutzen lässt. Am 29. Oktober veranstaltet Capgemini in diesem Rahmen eine Session mit Vorträgen und Workshops. Mehr Infos und Anmeldung: https://www.capgemini.com/events/capgemini-at-the-ai-for-good-global-summit-2020/ 

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Autor

Pierre-Adrien Hanania

Global Offer Leader – Data & AI in Public Sector
Als Mitglied des Public Sector Teams von Capgemini biete ich Strategie- und Technologieberatung zu verschiedenen Aspekten der digitalen Transformation. Meine Arbeit deckt alle Bereiche ab, ob Verteidigung und Sicherheit, Sozialwesen und Steuern, öffentliche Verwaltung und Gesundheitswesen, und baut auf einer multidisziplinären Vision und transversalen Hebeln auf, die über den gesamten öffentlichen Sektor hinweg aktiviert werden. Bei Capgemini leite ich die Koordination des europäischen Public Sectors und suche hier nach Möglichkeiten, Organisationen über Grenzen hinweg zu verbinden.