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Automatisierung im Handel: Nach Ladenschluss die Kunden zurückgewinnen?

Achim Himmelreich
07. Apr. 2020

Sicher kennen wir alle das Problem – und werden es selbst im Homeoffice an Ostern wahrscheinlich wieder erleben:

Die Woche vor den Feiertagen ist stressig und erst nach Ladenschluss fällt einem ein, dass man ja häufiger kochen und noch ein paar Kleinigkeiten für die Liebsten besorgen wollte. Aber  die Läden sind dicht und der Paketbote hat frei. Da hilft auch keine same day delivery. Dieses Problem könnte mithilfe von Automaisierung gelöst werden.

Beschränkte Öffnungszeiten sind dabei nur eine von vielen Hürden, die bewältigt werden könnten, wenn der Einzelhandel vermehrt auf Automatisierung umsteigt. In Norwegen ist das bereits möglich: Mit Coop Key, einer App, die es den Konsumenten ermöglicht auch nach Geschäftsschluss einen Laden ohne Personal zu betreten und sich vollständig selbst zu bedienen. Das Unternehmen verzeichnete damit erhebliche Umsätze zwischen 23 Uhr und Mitternacht sowie gesteigerte Zahlen bei margenstarken Produkten wie Tiefkühlpizzen. Überraschenderweise war die Bierdose nicht der Topseller am Abend, sondern tagsüber. Sicherheit und Altersverifizierung werden gewährleistet, indem biometrische Daten in der App jeden einzelnen Kunden identifizieren.

Das Interesse an Automatisierung im Einzelhandel haben wir in unserer aktuelle Studie „Smart Stores – Rebooting the retail store through in-store automation“ eruiert und dazu über 5.000 Verbraucher und 500 Einzelhandelsführungskräfte in Nordamerika, Europa und Asien befragt. Die Ergebnisse zeigen: Die Mehrheit der Kunden ist bereit auf Einzelhändler mit Automatisierungstechnologie umzusteigen. Doch sie zeigt auch, dass die Einzelhändler die Bedürfnisse der Kunden bei der Automatisierung vielfach noch falsch einschätzen oder nicht berücksichtigen.

Chancen der Automatisierung im Einzelhandel

Um wieder mehr Umsatz zu generieren und Kunden, die inzwischen auf Onlineshops  umgestiegen sind, zurückzugewinnen, muss das Kundenerlebnis bei der Automatisierung im Mittelpunkt stehen. Kunden wollen schlicht die Features, an die sie sich online gewöhnt haben, auch offline nutzen:

  • Mehr Komfort: Wenn deutsche Kunden an den Einzelhandel denken, bemängeln sie vor allem lange Warteschlangen an den Kassen (59 Prozent) und die ewige Suche nach unauffindbaren Produkten (55 Prozent) – diese negativen Erlebnisse können mithilfe der Automatisierung schon bald der Vergangenheit angehören.
  • Höhere Effizienz: Ein Päckchen online bestellen und es – wenn das Produkt nicht gefällt – in einem Geschäft vor Ort zur Rücksendung abgeben; für 45 Prozent der Deutschen ist das eine echte Option. Dieser Prozess kann mittels Automatisierungstechnologie perfektioniert werden. Und sind die Kunden erst einmal im Laden, erhöht sich die Chance, dass sie neben ihrer Retoure auch direkt noch ihren Einkauf dort tätigen.
  • Nachhaltigkeit: Dreiviertel der Einzelhändler glauben daran, dass Automatisierung zu mehr Nachhaltigkeit führen kann – und die Kunden wünschen sich genau das: Reduzierung von Lebensmittelabfällen, Verbrauchsmaterialien und Quittungen, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Bereitstellung von Nachhaltigkeitsinformationen.
Automation in Retail
Quelle: Capgemini Research Institute, Automation in Retail Stores Research, Kundenbefragung, Oktober 2019, N=5.110 Kunden

Automatisierungsinitiativen aus den Augen der Kunden betrachten

Insbesondere unter den Millennials ist die Bereitschaft mit 58 Prozent hoch, ihre Online-Einkäufe wieder in den Einzelhandel zu verlagern, sofern die Geschäfte mit moderner Automatisierungstechnologie ausgestattet sind. Um die Lücke zum E-Commerce zu schließen, muss der Umstieg für den Kunden so unkompliziert und angenehm wie möglich gestaltet werden. Dabei sind folgende Dinge zu beachten:

  1. Die Herausforderungen der Kunden im Einzelhandel verstehen: Vor der Einführung von Automatisierungsprozessen sollten die Bedürfnisse der Kunden unter die Lupe genommen werden. Lösungen bringen nur dann einen Mehrwert, wenn sie von den Kunden auch gewünscht sind.
  2. Den Wunsch der Kunden nach menschlicher Interaktion beachten: Auch wenn Automatisierung einiges erleichtern kann, erwarten die Kunden trotzdem, dass ihnen vor Ort ein realer Mitarbeiter weiterhilft, sofern es nötig wird. Dies ist und bleibt ein Alleinstellungsmerkmal des physischen Geschäfts.
  3. Das Bedürfnis der Kunden nach Privatsphäre respektieren: Gesichtserkennung kann bei der Änderung der Öffnungszeiten helfen – wenn die Kunden den Laden dann aber aus Sorge um ihre Privatsphäre nicht mehr nutzen (59 Prozent), haben beide Seiten nichts gewonnen.

Wenn diese drei Schritte berücksichtigt werden, stehen die Chancen gut, dass auch die Kunden in Deutschland bald um 23 Uhr in den Supermarkt ihrer Wahl laufen, um sich noch schnell die Tiefkühlpizza für das verspätete Abendessen, Zutaten für ihr Feiertagsmenü oder ein paar Osterhasen zu holen.

Automatisierung im Einzelhandel bietet viele verschiedene Chancen und Wettbewerbsvorteile, solange die Einzelhändler auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen.  Zudem ist sie gerade jetzt, wo es sinnvoll ist, den zwischenmenschlichen Kontakt zu reduzieren, ein gutes Mittel, um die Gesundheit von Mitarbeitern und Kunden zu schützen. Weitere Informationen zu den Vorteilen der Automatisierung im Einzelhandel und zu den Wünschen und Bedenken der Kunden können Sie direkt in unserer Studie „Smart Stores – Rebooting the retail store through in-store automation“ nachlesen.

Autor

Achim Himmelreich

Global Head Consumer Engagement, Consumer Products and Retail
Ich berate meine Kunden, wie sie mit der Digitalen Transformation umgehen und neue digitale Geschäftsmodelle anpassen oder gar entwickeln können. Ich habe bereits Kunden dabei unterstützt, eigene neue, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, die auf dem Markt erfolgreich waren.

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