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Sustainability KPIs – Die Grundlage für nachhaltige Operations

Vera Schneemann
22. Sep. 2022
capgemini-invent

Die Ermittlung von Key Performance Indikatoren (KPIs) im Bereich Umwelt und Gesellschaft sind für Unternehmen essenziell, um die Wirkung von Nachhaltigkeitsinitiativen zur Umsetzung der Strategie quantifizieren zu können. Dabei ist der CO2-Fußabdruck nicht die einzige wichtige Kennzahl, auf die Unternehmen achten sollten.

„Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken.“Peter F. Drucker

Um Nachhaltigkeitsziele aufzustellen und deren Zielerreichung nachzuverfolgen, benötigen Unternehmen Sustainability KPIs. Dabei unterscheidet man die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf den Bereich Umwelt.

Nachhaltigkeit ist mehr als CO2e Reduktion

In der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte liegt der Fokus stark auf dem Bereich Klimawandel. Wichtige KPIs sind hier der Treibhausgasausstoß [tCO2e] und der Energieverbrauch [MWh]. Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Bereiche, die zu betrachten sind.

Das bereits 2009 entwickelte Konzept der planetaren Grenzen[1] stellt insgesamt neun Bereiche vor. Jede dieser Grenzen ist durch einen Schwellenwert gekennzeichnet, innerhalb dem die Menschheit einen sicheren Handlungsspielraum hat, ohne die Resilienz des Erdsystems zu gefährden (Steffen et. al 2015). Mehrere dieser Grenzen sind jedoch bereits überschritten worden, sodass hier von einem erhöhten Risiko für unwiderrufliche Umweltschäden und Kipppunkte gesprochen werden kann (siehe Abbildung 1). Der Klimawandel ist lediglich einer dieser Bereiche.

Zu den weiteren Planetaren Grenzen, die bereits ein zunehmendes oder hohes Überlastungsrisiko aufweisen, zählen die Intaktheit der Biosphäre, der Landnutzungswandel, die Biogeochemischen Kreisläufe und der Eintrag Neuer Substanzen und modifizierter Lebensformen. Der Fokus von KPIs im Business-Kontext sollte deshalb auf diese kritischen Planetaren Grenzen erweitert werden. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie, wie das Anhand der Industrien Manufacturing & High Tech, Consumer Products & Retail und Automotive umgesetzt werden kann.

Welche Planetaren Grenzen, Industrien, KPIs und Verbesserungsmaßnahmen sind in den Fokus zu stellen?

Manufacturing & High Tech (MHT)

In der Industrie MHT führt der nicht zuletzt durch die Elektromobilität stark zunehmende weltweite Bedarf an Technologiemetallen und der damit indirekt verbundene Bergbau zu negativen Auswirkungen auf die Biosphäre. Die Global Reporting Initiative (GRI) verlangt in diesem Kontext bspw. die Offenlegung von Informationen über Standorte in Schutzgebieten und solchen mit hohem Biodiversitätswert. Diese Offenlegung beschränkt sich jedoch nur auf die eigenen Unternehmensgrenzen und vernachlässigt Zulieferunternehmen. Eine Möglichkeit zur Messung der Einflüsse der Lieferkette auf die Biosphäre ist es, KPIs zur Steuerung des biodiversitätsgerechten Einkaufs von bspw. Technologiemetallen aufzustellen:

  • Anteil von Technologiemetallen aus nachhaltig zertifiziertem Bergbau [%]
  • Recyclinganteil der beschafften Technologiemetalle in der Lieferkette [%]

Die zielgerichtete Auswahl von transparenten und zertifizierten Zulieferunternehmen ist eine mittel- bis langfristige Maßnahme zur Verbesserung dieser KPIs.

Analog besteht vor allem am Ende der Produktlebensdauer – „End of Life“ – die Herausforderung der Rückgewinnung wertvoller und wiederverwendbarer Materialien. Im Zuge von vermeintlich nachhaltigen Rückgewinnungsprozessen werden vermehrt Neue Substanzen wie Schwermetalle, Chemikalien und Kunststoffe in die Umwelt, vor allem in Drittstaaten, emittiert[2]. Nachhaltige Unternehmen können folgende KPIs zur Steuerung ihres Einflusses auf den Bereich Neue Substanzen nutzen:

  • Anteil des wiederverwendeten Produktionsabfalls an der Produktionsstätte [%]
  • Der beim Hersteller wiederverwendete Materialanteil am „End of Life“ [%]
  • Anteil der vollständig zirkulären Teile / Baugruppen aller Produkte [%]

Um der absehbar zunehmenden Regulierung zuvorzukommen, können MHT-Unternehmen langfristig neue Geschäftsmodelle rund um die Rücknahme und Rückgewinnung von Produkten bzw. Materialien am Ende der Lebensdauer aufstellen.

Consumer Products & Retail (CPR)

Einen starken Einfluss auf die Biodiversität übt ebenso der Landnutzungswandel durch die Eindämmung von Lebensräumen aus. Als Zulieferindustrie von CPR steht hier die Agrarindustrie durch ihren großen Flächenbedarf und den Anbau in Monokulturen besonders im Fokus. Unternehmen aus CPR können ihre Lieferketten durch entsprechende KPIs steuern:

  • Anteil von Produkten aus ökologischer Landwirtschaft im gesamten Produktportfolio [%]
  • Durchschnittlich benötigte Agrarfläche pro Mengeneinheit des Endprodukts, z.B. [ha/kg]

Unterstützung bei der Berechnung kann hier bspw. ein Life Cycle Assessment bieten. Im Anschluss können zielgerichtete Maßnahmen zur Anpassung des Produktportfolios oder Transparenzinitiativen gegenüber Endkunden initiiert werden.

Automotive

Die wahrscheinlich offensichtlichste Planetare Grenze ist wie bereits erwähnt der Klimawandel, auf den hier zwar nicht ausschließlich aber auch ein Augenmerk gelegt wird. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass bis zu 80% der industriellen Treibhausgasemissionen im sog. Scope 3 emittiert werden. In der Industrie Automotive betrifft dies vor allem die Emissionen der Lieferkette, die umso stärker in den Fokus zu nehmen sind. Wichtige KPIs, die mit geeigneten Emissionsfaktoren berechnet werden können, sind hier bspw.:

  • Menge der Treibhausgasemissionen in gesamter Warengruppe im Einkauf [tCO2e]
  • Menge der Treibhausgasemissionen pro eingekauftem Vorprodukt [tCO2e/Stückzahl,kg,l etc.]
  • Menge der Treibhausgasemissionen pro verkauftem Endprodukt [tCO2e/Stückzahl,kg,l]

Auf Basis dieser KPIs kann der strategische Einkauf zielgerichtet emissionsreduzierte Zulieferunternehmen auswählen, um so den operativen Einkauf zu steuern.

Unternehmen, die bereits KPIs in Bezug auf den Klimawandel erheben und somit die CO2-Treiber bei sich und in ihren Lieferketten sichtbar machen, haben bereits den Grundstein zur Reduktion gelegt. Wie aufgezeigt gibt es darüber hinaus jedoch noch weitere Bereiche, die im öffentlichen Diskurs und in der industriellen Praxis präsenter werden müssen.  Daher sollte die Erfassung von KPIs auch auf die weiteren Planetaren Grenzen ausgeweitet werden.

Um neue KPIs im Unternehmen nachhaltig zu implementieren und ihre Wichtigkeit herauszustellen, thematisiert Teil 3 unserer Blogserie die Befähigung und das Schaffen von Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Unternehmen (Erscheinungsdatum: 28.09.2022). Sollten Sie sich auch für das Thema nachhaltiges Portfolio- und Projektmanagement interessieren, schauen Sie sich den Teil 1 unserer Blogserie an. Den Link zu diesem Artikel finden Sie hier.

Für einen Erfahrungsaustausch kontaktieren Sie gerne unsere Expertin Vera Schneemann. Vielen Dank an die Co-Autor*innen Stephanie EppleAndreas Fössing und Laura Kussl für die maßgebliche Erstellung dieses Blogbeitrages.

Literaturangaben

Steffen, W., K. Richardson, J. Rockström, S.E. Cornell, et al. 2015. Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science 347: 736, 1259855

Persson, L., B. Almoth, C. Collins, S. Cornell et al. 2022. Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities. Environ. Sci. Technol. 2022, 56, 3, 1510–1521

[1] https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html

[2] https://news.mongabay.com/2021/09/novel-entities-are-we-sleepwalking-through-a-planetary-boundary/

Alle Blogposts der Serie

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Operationalisierung in der Nachhaltigkeit

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28. Sept. 2022
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Nachhaltiges Portfolio- und Projektmanagement

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13. Sept. 2022

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Autorin

Vera Schneemann

Global Lead Sustainable Operations & Supply Chain, Capgemini Invent
Mit über 15 Jahren Erfahrung in Supply-Chain-Management-Projekten – vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb – hat sie ihren Fokus auf die Chemie-, Automobil-, Logistik- und Fertigungsindustrie gelegt. In Zusammenarbeit mit ihren Kunden und den globalen Capgemini-Teams verfolgt Vera einen ganzheitlichen Ansatz zur Analyse des Status quo in Bezug auf Emissionen entlang der Wertschöpfungskette. Sie entwickelt End-to-End-Ansätze für nachhaltige betriebliche Prozesse und zeigt, wie Technologie und menschliche Fähigkeiten Hand in Hand gehen können.