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Wie klimaresilient sind unsere Städte – müssen wir umdenken?

Markus Pütz
27. Juli 2022
capgemini-invent

Die Häufigkeit von Extremwettersituationen in Deutschland nimmt zu und damit auch die konkrete Spürbarkeit der Folgen des Klimawandels bei uns vor Ort: Deutsche Städte und Gemeinden müssen sich verstärkt auf mögliche Katastrophenfälle im Zuge von Hitzewellen, anhaltenden Dürreperioden, orkanartigen Stürmen oder anhaltendem Starkregen, wie zuletzt im Sommer 2021 im Westen Deutschlands, vorbereiten.

Um Katastrophen dieser Tragweite zukünftig vermeiden oder zumindest die Folgen abmildern zu können, sind neben baulichen und ökologischen auch Digitalisierungsmaßnahmen und eine verstärkte Erhebung und Nutzung von Daten erforderlich.

Die Entwicklung einer regionalen datenbasierten Strategie und hierauf aufbauend die Konzeption und Umsetzung eines individuellen Maßnahmensets bilden einen wichtigen Baustein für Klimaresilienz[1] und damit für die Sicherung der Lebensqualität und -grundlage der dort lebenden Menschen und Tiere.

Dringender Handlungsbedarf für Städte und Regionen

Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der klimatischen Veränderungen auch bei uns in Deutschland wird die Fragilität regionaler Systeme, insbesondere im Fall von Extremwetterereignissen, offensichtlich. Um die Klimaresilienz urbaner wie auch ländlicher Räume zu erhöhen sind daher je nach regional vorherrschenden Risikofaktoren individuelle Präventions- und Anpassungsmaßnahmen zu konzipieren und umzusetzen – als wichtige Ergänzung und Erweiterung globaler Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Doch was bedeutet das konkret für Deutschland?

  1. Eine allgemeine Stärkung der Klimaresilienz ist dringend geboten
  2. Daten können hier bereits in naher Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten

Status quo zum Thema Klimaresilienz in Deutschland

Politische Maßnahmen im Hinblick auf Anpassungen an die Folgen des Klimawandels bestehen bereits seit längerem, auch in Folge der beschlossenen Deutschen Nachhaltigkeits-[2] und Anpassungsstrategie[3]. Eine strukturierte, kontinuierliche und intelligente Datenauswertung und -nutzung, insbesondere mit dem Ziel der Konzeption von Klimaresilienzmaßnahmen, fand jedoch lange Zeit fast nicht statt.

In den letzten Jahren haben insbesondere das BMBF[4] und das BMUV[5] im Rahmen mehrerer Förderprogramme einige Projekte zur Erforschung von Klimaauswirkungen sowie möglichen lokalen Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen gestartet. In vielen dieser geförderten Projekte spielen Digitalisierung und Daten zwar eine gewisse Rolle, es besteht jedoch deutlich Potenzial, die Digitalisierung stärker als „Enabler“ beim Thema Klimaresilienz zu positionieren und einzusetzen. Dies gilt auch für die jüngsten Ankündigungen der Bundesregierung im Juli 2022.

Digitalisierung als Enabler für Klimaresilienzmaßnahmen

Doch wie kann Digitalisierung auf dem Weg zur Klimaresilienz helfen? Der Schlüssel liegt in intelligenter Datenerhebung und -nutzung. Die Ansatzpunkte für eine Erhöhung der Klimaresilienz mithilfe von Digitalisierung sind mannigfaltig. Zu unterscheiden ist zwischen reaktiven und proaktiven Maßnahmen:

  • Reaktive Maßnahmen fokussieren darauf, angemessen auf auftretende Auswirkungen von Extremwetter reagieren zu können. Als Beispiele lassen sich intelligente Routenführung oder grüne Wellen für Einsatzfahrzeuge nennen. Diese werden heute bereits unter Nutzung von optimiertem Routing und vernetzten Lichtsignalanlagen in der Region Braunschweig-Wolfsburg getestet.[6]
  • Proaktive oder gar präventive Maßnahmen haben eine vorbeugende Funktion. Beispielsweise könnte die Nutzung von künstlicher Intelligenz, selbst lernenden Algorithmen und Satellitenbildern eine entscheidende Maßnahme im Kampf gegen Fichtenborkenkäfer sein. Diese frühzeitige Bekämpfung Rettung von ganzen Waldabschnitten wird in Schweden bereits erfolgreich erprobt – unter Beteiligung der Capgemini-Tochter Sogeti.[7]

Ein weiteres – und beide Maßnahmenarten verbindendes – Vorreiterprojekt ist eine seit 2019 online zur Verfügung gestellte Echtzeitkarte der Stadt Hamburg.[8] Diese aggregiert und verdichtet über Sensoren gesammelte Niederschlagsdaten, Daten des Deutschen Wetterdienstes und seit 2014 gesammelte historische Daten zu Niederschlagsmengen im Stadtgebiet. So wird sichtbar, wo wie viel Regen fällt und wo Geländetiefpunkte sich mit Wasser füllen. Zudem werden Überflutungsgefährdungen und mögliche Fließwege des Wassers sichtbar. Dies ermöglicht Aussagen darüber, in welchen Bereichen proaktiv bauliche Maßnahmen sinnvoll sind und auch welche Stadtgebiete (und in welcher Reihenfolge) bei starkem Regen potenziell evakuiert werden müssen.

Zukünftige Möglichkeiten – Ausblick und Fazit

Extremwettersituationen können mit korrekten Daten simuliert, bauliche Maßnahmen auf künftige Wetterereignisse angepasst und konkrete Wirkungen der Ereignisse gemessen werden. Hierauf basierend können Anpassungs- und Präventivmaßnahmen priorisiert werden, um trotz konkurrierender Interessen und begrenzter Mittel maximale Effekte zu erreichen. Die datenbasierten Klimaresilienzstrategien müssen – bei aller Bestrebung zur Übertragbarkeit – individuell ausgerichtet sein, um im Ernst-/ Notfall greifen zu können.

Folgende drei Schritte sind daher aus unserer Sicht essenziell auf dem Weg zur Klimaresilienz:

  • Daten sammeln, verdichten und analysieren,
  • die richtigen Schlüsse ziehen,
  • handeln.

Zukünftig können sich noch weitere Chancen eröffnen, z.B. durch den Aufbau datenbasierter digitaler Zwillinge von Städten, die mithilfe von künstlicher Intelligenz kontinuierlich optimiert werden. Insgesamt wird deutlich, dass sich durch die Digitalisierung unzählige Möglichkeiten zur Steigerung der Klimaresilienz bieten – das Umdenken hat bereits begonnen und sollte nun über rein städtebaulich-physische Maßnahmen hinaus erweitert werden.

Herzlichen Dank an die Co-Autorinnen Manuela Jäger und Luisa Oberecker.

[1] Klimaresilienz steht hierbei für die generelle Fähigkeit eines Systems, sich an klimabedingte Veränderungen anzupassen und damit deren Auswirkungen abzumildern.

[2] Erstmals wurde diese im Jahr 2002 beschlossen. In der Weiterentwicklung der Strategie 2021 werden nun auch die 17 internationalen Nachhaltigkeitsziele in der Deutschen Strategie mit aufgeführt und sollen bis 2030 umgesetzt werden (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/998006/1873516/7c0614aff0f2c847f51c4d8e9646e610/2021-03-10-dns-2021-finale-langfassung-barrierefrei-data.pdf?download=1).

[3] Im Jahr 2008 vom Bundeskabinett beschlossen verfolgt die Anpassungsstrategie das Ziel, Auswirkungen des Klimawandels in verschiedenen Bereichen zu erkennen und Handlungsoptionen daraus abzuleiten (https://www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/das_gesamt_bf.pdf).

[4] Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) – FONA

[5] Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels | Förderprogramm | BMUV

[6] Damit Einsatzkräfte im Notfall schnell ans Ziel kommen, entwickelt das DLR mit seinen Partnern im Projekt SIRENE digitale Lösungen, erste Ergebnisse wurden in der Region Braunschweig-Wolfsburg bereits erzielt (https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2019/03/20190917_digitales-blaulicht-gruene-welle-fuer-einsatzfahrzeuge.html).

[7] Sogeti Schweden und Sveaskog kombinieren Künstliche Intelligenz, Satellitenbilder und Algorithmen, um mithilfe von detaillierten Karten die Verbreitung des Fichtenborkenkäfers in schwedischen Wäldern abzubilden (https://www.capgemini.com/de-de/client-story/sogeti-sweden-leverage-ai-to-hunt-spruce-bark-beetles/).

[8] https://geoportal-hamburg.de/geo-online/?layerIds=12883%2C12884%2C16101%2C19969%2C20904%2C20906%2C20905

Autor

Markus Pütz

Expertise: Data Governance, Insights Driven Energy Solutions, Utilities

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