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Individuell, vernetzt, geteilt: in drei Stufen zur zukunftsfähigen Sicherheitsbehörde

Martin Karkour
09. Dez. 2021
capgemini-invent

Kriminalität ist vernetzt, Sicherheitsbehörden auch – Ziel erreicht?

Komplexe Probleme löst man nur selten allein. Behörden, wie die meisten anderen Organisationen auch, sind dazu eingebunden in Netzwerke, in denen sie kooperieren oder Informationen austauschen. Um etwa dynamischen Veränderungen von Kriminalitätsphänomenen zu begegnen, ist eine weitere Steigerung der Vernetzung in der Kriminalitätsbekämpfung und der weitere Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit angezeigt, wie Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), auf der BKA-Herbsttagung 2021 unterstrich. Institutionen mit dem Ziel der Vernetzung und Bündelung gibt es in der öffentlichen Sicherheit schon lange: Interpol auf internationaler, Europol auf europäischer oder auch das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) auf nationaler Ebene.

Vernetzung ist unbedingt erforderlich, bedeutet aber im Allgemeinen nur strukturierte Zusammenarbeit und damit trotzdem auch eine klare Grenzziehung. So werden Ressourcen bislang kaum behördenübergreifend geteilt oder bereitgestellt – seien es Infrastrukturkomponenten, Daten, Personal oder sonstige Ressourcen. Dies erschwert nicht nur eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit, sondern schafft auch eine Wettbewerbssituation unter den Behörden um ähnliche oder gleiche Ressourcen – zusätzlich zu der bestehenden Konkurrenz mit anderen öffentlichen Institutionen und der Privatwirtschaft. Das Ergebnis ist der weiterhin individuelle Auf- und Ausbau organisatorischer, personeller, (informations)technologischer und physischer Ressourcen in den einzelnen Sicherheitsbehörden.

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Abbildung 1: Evolution von Zusammenarbeit und Ressourcennutzung

Doch auch innerhalb von Behörden ist Ressourcenteilung selbst bei ähnlichen und gleichen Aufgaben oft noch keine Selbstverständlichkeit. Silostrukturen gehören vielmehr zu den Standardbefunden in Ergebnisberichten von Organisationsuntersuchungen. Auch bei der Abwehr von Gefahren wie Terrorismus, Extremismus oder organisierter Kriminalität werden gleiche oder ähnliche Kernressourcen benötigt, deren separate Organisation Ressourcenkonkurrenz und Redundanzen zwischen Organisationseinheiten befördert. Vernetzung und Kooperation greifen auch in diesem Fall zu kurz. Die nächste Stufe einer zukunftsfähigen Zusammenarbeit innerhalb einzelner und zwischen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sollte eine gemeinsame Nutzung von Ressourcenkategorien darstellen.

Organisation, Personal und Daten – alles gemeinsam nutzbar?

Eine neue Herausforderung übersetzt sich in neue Organisationseinheiten: Diese Vorgehenslogik ist in der öffentlichen Verwaltung allgemein weit verbreitet und spiegelt auch den bisher gängigen Ansatz vieler (und nicht nur) BOS wider. Ein besonders aktuelles Beispiel ist die Cyberkriminalität, die im Zuge der Corona-Pandemie weiter zugenommen hat. Eine breite Palette von Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ist mit Kriminalitätsphänomenen mit Cyber-Bezug befasst – das BKA, die Bundespolizei, das BSI , Nachrichtendienste sowie unterstützt durch speziell eingerichtete Zentralstellen, wie die ZITiS oder die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit. Entlang ihrer unterschiedlichen verfassungsmäßigen Zuständigkeiten, gesetzlichen Aufträge und fachlichen Funktionen decken diese Behörden zwar verschiedene Bereiche ab – trotzdem besitzen sie Schnittmengen. Für das gemeinsame Ziel der Bekämpfung von Cyberkriminalität etwa benötigen sie ähnliche oder gleiche Ressourcen. Die Organisationen müssen sich auf einem umkämpften Arbeitsmarkt um passende Kandidatinnen und Kandidaten mit raren Qualifikationen behaupten, während sie darüber hinaus einer wachsenden Personallücke gegenüber stehen. Organisatorische und personelle Ressourcenteilung würde die Bündelung von Organisation(seinheiten) und Expertise sowie eine daraus resultierende Vertiefung fachlicher Kompetenz ermöglichen.

In der öffentlichen Datenverwaltung Deutschlands wird Datenbündelung bereits mit dem Once-Only-Prinzip im Rahmen der Registermodernisierung verankert. Daten sollen zukünftig einmalig erhoben und durch Verknüpfung für verschiedene Anwendungsfälle genutzt werden. Ein gänzlich neuer Ansatz wird auf europäischer Ebene bei der Vernetzung von Dateninfrastrukturen mit GAIA-X verfolgt. Datenvernetzung wird auch im nationalen und polizeilichen Kontext mit Initiativen wie Polizei 20/20 vorangetrieben und bereits konkret umgesetzt, wie die geplante Fortentwicklung der Plattformstrategie des BKA zur Förderung der gemeinsamen Entwicklung und Bereitstellung von Fähigkeiten und Instrumenten aufzeigt. Wirkliche gemeinsame Datenökosysteme, die zudem auch Beteiligte über den Kreis der bereits bestehenden Netzwerke hinaus einbinden, spielen dagegen noch keine Rolle.

Siehe auch unsere Studie „Data sharing masters: How smart organizations use date ecosystems to gain an unbeatable competitive edge“ des Capgemini Research Institute.

Ressourcen teilen, ein Gedankenanstoß

Die Mehrwerte einer Evolution von individueller über vernetzter hin zu geteilter Ressourcennutzung liegen für BOS auf der Hand. Aber auch unterschiedliche Einschränkungen sind zu berücksichtigen: Beispielsweise gibt es das Trennungsgebot aus gutem Grund, ebenso wie Zuständigkeitsgrenzen, politische Verantwortung oder die schon angesprochene Zweckbindung erhobener Daten. Im Rahmen dieser Blogreihe werden wir Möglichkeiten zur Ressourcenteilung in Bezug auf Organisation, Personal und Daten vertieft untersuchen. Ressourcenteilung im BOS-Kontext – für uns ein Anlass zur gemeinsamen Diskussion!

Vielen Dank an die Co-Autor*innen Niels Proske und Katja Eichmann.

Wir von Capgemini Invent unterstützen Behörden im Sicherheitsbereich dabei, sich zukunftsfähig aufzustellen. Für uns umfasst das den gesamten Ende-zu-Ende Prozess von der Strategie, Konzeption bis zur operativen Projektumsetzung. Für Details und Fragen zum öffentlichen Sicherheitsbereich kontaktieren Sie unsere Experten Niels Proske, Security Lead Capgemini Invent, und Martin Karkour, Head of Defense Capgemini Deutschland.

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Autor

Martin Karkour

Vice President | Head of Aerospace & Defense
Vordenken und aktiv die Digitalisierung und Leistungsangebote des öffentlichen Sektors von morgen bereits heute aktiv mitzugestalten; das ist meine Leidenschaft. Über 14 Jahre habe ich in verschiedensten Funktionen im höheren Dienst Veränderungen, Wandel und neue Denkansätze aktiv mitgestaltet. Als Führungskraft und Senior Advisor mit Erfahrungen in einer Vielzahl von Rollen und Funktionen im In- und Ausland, kenne ich die Anforderungen und Konformitätsansprüche, die zurecht an Beratung gestellt werden. Gerade wegen dieser Standards bin ich davon überzeugt, das Zukunft im öffentlichen Sektor auf hohem ethischen Niveau gestaltet werden kann und muss. Meine Kompetenzfelder sind die Strategieerstellung sowie die mehrdimensionale operationalisierende Umsetzung, die Innovationsberatung sowie Themen des Leaderships und der strategischen Entscheidungsfindung.